„Ein unbeschreibliche Gefühl, in der Morgendämmerung auf einem nebelbedeckten See zu fahren…“

Nachgefragt bei den Neubrandenburger WM-Kanuten Lina Bielicke und Nils Globke

Kanusport Symbolfoto
Kanusport Symbolfoto

Erfreuliche Nachrichten aus der deutschen Hochburg im Kanu-Rennsport, von der Kanu-Abteilung des SC Neubrandenburg. Lina Bielicke (Jahrgang 2001) und Nils Globke (Jahrgang 2000) qualifizierten sich für die Junioren-Weltmeisterschaften. Diese finden vom 26. bis 29. Juli 2018 in Plovdiv/Bulgarien statt.

Interview

Lina und Nils über ihre bisherige Wettkampf-Saison, ihre Faszination am Kanu-Rennsport, den Trainingsalltag, kommende Herausforderungen und die baldigen JWM in Plovdiv

Frage: Herzlichen Glückwunsch zur WM-Qualifikation! Wie verlief die Wettkampf-Saison bisher für euch? Wann erhieltet ihr die Info, dass ihr bei den WM starten werdet?

Lina Bielicke: Die Saison 2018 verlief bislang positiv. Bei der Athletik-Sichtung erreichte ich den ersten Rang im Paddelbereich, den zweiten Platz über 500 Meter und den dritten Rang über 200 Meter. Zwei Tage nach der Paddelsichtung kam das Ergebnis. Es folgten ein erstes Trainingslager und der erste internationale Wettkampf, bei dem ich dreimal Rang drei bzw. zweimal Rang eins erreichte.

Nils Globke: Alles in allem war das erste Halbjahr 2018 bis dato sehr gut, allein schon deshalb, weil ich ohne größere Ausfälle durch die Saison gekommen bin. Mal abgesehen von einer kleinen Erkältung… Die Entscheidung zur WM-Nominierung erhielt ich fast unmittelbar nach den Sichtungen – aufgrund meines zweiten Platzes in der Rangliste.

Frage: Was fasziniert euch am Kanu-Rennsport? Wann habt ihr diese Sportart für euch entdeckt?

Lina Bielicke: Vor 6 Jahren fing ich mit dem Kanu-Rennsport an. An dieser Sportart fasziniert mich, dass sie nicht nur aus Paddeln besteht, sondern weil sie viel mehr bedeutet. Sie ist insbesondere ein sportlicher Mix aus Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Wassergefühl…

Nils Globke: Ich begann im Jahr 2010 im Alter von 10 Jahren mit dem Kanu-Rennsport. Für mich bedeutet meine sportliche Begeisterung für den Kanu-Rennsport, dass ich mir Ziele setze sowie diese auch möglichst erfolgreich erreiche und dabei jede Schwierigkeit überwinde bzw. jede Herausforderung meistere. Die Glücksgefühle nach einem Sieg sind dabei einzigartig.

Kanu-Rennsport ist aber nicht nur das sportliche Kräftemessen im Wettkampf. Dieser beinhaltet auch die Verbundenheit mit der Natur, denn es ist ganz einfach ein unbeschreibliche Gefühl, in der Morgendämmerung auf einem nebelbedeckten See zu fahren.

Frage: Wie sieht eigentlich der Trainingsalltag bei euch aus? Bleibt noch Zeit für anderes?

Lina Bielicke: Das Training und die Schule sind das Wichtigste. Es bleibt keine Zeit für andere Hobbys, aber wenn ich einmal ein freies Wochenende habe sowie nach Hause fahren kann – ich wohne ja im Internat – unternehme ich auch etwas mit der Familie und kann entspannen.

Nils Globke: Bei mir ist derzeit Training-Schule-Training- … – ein wenig Freizeit und schlafen angesagt. Abgesehen von einer ein- bis zweimonatigen monatiger Saison-Pause im Herbst ist die Freizeit mehr als „ausgeschöpft“.

Letzte Frage: Welche Ziele habt ihr für die JWM? Was möchtet ihr sportlich in der Perspektive erreichen?

Lina Bielicke: Ich möchte gern den A-Endlauf im Einer erreichen, was eine Platzierung zwischen Rang eins bis neun bedeutet. Im Canadier-Zweier strebe ich einen Rang unter den ersten Fünf an. Perspektivisch betrachtet, möchte ich an den Olympischen Spielen teilnehmen. Meine erste Chance dazu wäre eventuell in Tokyo 2020 im Canadier-Zweier als beste Linksfahrerin.

Nils Globke: Auf alle Fälle möchte ich in das Finale. Eine Medaille wäre natürlich ideal. Es wird zwar schwierig sein, diese zu erkämpfen, aber Edelmetall liegt durchaus im Bereich des Möglichen. Ich hoffe auf einen Platz unter den Top Sechs, schaue aber schon zu den Medaillen. Mein langfristiges Ziel ist natürlich eine Olympia-Teilnahme.

Vielen Dank, weiterhin alles Gute und maximale Erfolge in Plovdiv!


 

Exkurs

Kanu-Historie aus SCN-Sicht

Im neuen olympischen Zyklus 2016-2020 ist Halbzeit. Das gilt auch für den Kanu-Rennsport, der in M-V insbesondere beim SC Neubrandenburg seit Jahrzehnten eine erfolgreiche Heimstätte hat. Und auch für Tokyo 2020 gibt es einige Hoffnungsträger… Aber: Wie war die kanusportliche olympische Vergangenheit für den SC Neubrandenburg?!

Erstes Kanu-Olympia-Gold für M-V, für den SC Neubrandenburg 1976

Vor 42 Jahren gab es übrigens die ersten olympischen Goldmedaillen für den Kanu-Rennsport „Made in M-V“ bei den 21.Olympischen Spielen in Montreal, nachdem Ilse Kaschube vom SCN mit Olympia-Silber 1972 für das erste Edelmetall unter den fünf olympischen Ringen gesorgt hatte.

In Montreal 1976 fanden die olympische Kanu-Regatta mit elf Entscheidungen vom 28.Juli bis 31.Juli 1976 auf dem „Bassin olympique Ile Notre-Dame“ statt.

Bernd Olbricht vom SC Neubrandenburg triumphierte gemeinsam mit Joachim Mattern (SC Berlin-Grünau) im Kajak-Zweier über die 500 Meter vor der der UdSSR, Rumänien, Spanien und Ungarn. Sein Klub-Kollege Rüdiger Helm (SCN) schaffte hingegen Gold im Kajak-Einer über 1000 Meter vor Geza Csapo (Ungarn), Vasile Diba (Rumänien), Oreste Perri (Italien) und Alexander Schaparenko (UdSSR, Ukrainische SSR).

Und auch im Frauen-Bereich sorgte eine Athletin vom SC Neubrandenburg für goldene Momente. Carola Zirzow siegte im Einer-Kajak über 500 Meter. Weiteres olympisches Edelmetall für den SCN erkämpfte zudem Bernd Olbricht (wieder mit Joachim Mattern) mit Silber im Kajak-Zweier über 1000 Meter, Rüdiger Helm mit jeweils Bronze im Kajak-Einer über 500 Meter bzw. mit dem DDR-Kajak-Vierer über 1000 Meter und Carola Zirzow bzw. Bärbel Köster ebenfalls mit Bronze im Kajak-Zweier über 500 Meter.

Zwischen Montreal 1976, Moskau 1980, Los Angeles 1984 und Berlin-Grünau 1984

Sowohl die Kanu-Wettkämpfe in Montreal 1976, in Moskau 1980 und in Berlin-Grünau wurden von der DDR und der UdSSR dominiert. 1976 schafften die UdSSR sechsmal Gold, dreimal Silber bzw. die DDR dreimal Gold, einmal Silber, dreimal Bronze. 1980 holten die UdSSR viermal Gold, zweimal Silber, zweimal Bronze bzw. die DDR viermal Gold, einmal Silber, dreimal Bronze und 1984 erlangten die DDR sechsmal Gold, fünfmal Silber, einmal Bronze bzw. die UdSSR sechsmal Gold, dreimal Silber, einmal Bronze.

Von Montreal 1976…

Ansonsten konnten sich in Montreal 1976 mit Rumänien, Jugoslawien, Ungarn, Kanada, Polen und Spanien weitere sechs Länder Kanu-Medaillen sichern. Der Kroate Matija Lubek belegte Platz eins im Canadier-Einer über 1000 Meter und der Rumäne Vasile Diba im Kajak-Einer über 500 Meter. Für die kanadischen Olympia-Gastgeber 1976 gewann John Wood im Canadier-Einer über 500 Meter Silber.

…über Moskau 1980…

Moskau vier Jahre später wurde vom Olympia-Boykott des „Westblocks“ überschattet. Dennoch hatten die 1980er Spiele ein hervorragendes Niveau. Auch in Moskau 1980 schafften neben der Sowjetunion und der DDR (wieder dank Rüdiger Helm und Bernd Olbricht vom SCN) weitere sechs Länder olympische Medaillen-Erfolge im Kanu-Sport, so Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Spanien, Australien und Frankreich. Goldmedaillen verzeichneten aus nicht-sowjetischer und nicht-ostdeutscher Sicht Laszlo Foltan bzw. Istvan Vaskuti (Ungarn) im C 2 über 500 Meter, Ljubomir Ljubenow (Bulgarien) im C 1 über 1000 Meter und Ivan Patzaichin bzw. Toma Simionov (Rumänien) im C 2 über 1000 Meter. Für Australien jubelte John Sumegi über Silber im K 1 über 500 Meter.

…bis Los Angeles 1984 und Berlin-Grünau 1984

Das erfolgreichste Kanu-Land der vom „Ostblock“ boykottierten Olympischen Spiele 1984 in Los Los Angeles war Neuseeland mit 4 x Gold, wobei Ian Ferguson allein dreimal Gold errang (K 1 über 500 Meter, K 2 über 500 Meter und K 4 über 1000 Meter). Aus (west-)deutscher Sicht gab es Gold durch Ulrich Eicke im C 1 über 1000 Meter, Silber durch Barbara Schüttpelz im K 1 über 500 Meter und Bronze durch Barbara Schüttpelz bzw. Josefa Idem im K 2 über 500 Meter. Die schwedische Kanutin Agneta Andersson jubelte in L.A. über 2 x Gold, 1 x Silber.

Bei den Kanu-Entscheidungen in Berlin-Grünau, den „Wettkämpfen der Freundschaft“ (Ersatz-Veranstaltung für die vom Ostblock boykottierten Spiele in L.A.), 1984 holten neben der DDR bzw. der Sowjetunion auch Polen, Ungarn, die Tschechoslowakei und Kuba Edelmetall. Die Ungarin Rita Koban, beispielsweise, kam in Berlin-Grünau im K 1 über 500 Meter auf Rang zwei – hinter Birgit Fischer, die zwischen 1980 und 2004 bei Olympia zu insgesamt 8 x Gold, 4 x Silber „paddelte“ und bei den „Wettkämpfen der Freundschaft“ 1984 auf 2 x Gold, 1 x Silber kam – damals, in Berlin-Grünau, die mit Abstand beste Kanutin. Wie Rüdiger Helm, zusammen mit Sergej Superata und Viktor Pusev (beide Sowjetunion), bei den Kanuten…

Die erfolgreichsten Kanutinnen und Kanuten bei Olympia aus M-V sind Ramona Portwich (Rostock) – 3 x G / 2 x S – 1988/96, Andreas Dittmer (Neustrelitz / Neubrandenburg) – 3 x G / 1 x S / 1 x B – 1996-2004, Anke von Seck (Rostock) – 3 x G / 1 x S – 1988/92 und Rüdiger Helm (Neubrandenburg) – 3 x G / 3 x B – 1976/80.

M.Michels

 

 

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