Vier Medaillen für Schwerin, eine für Greifswald | Pokrasen/Seichter holen Titel im Jungendoppel

Die Norddeutschen Vizemeister von 2024, Bruno Seichter und Roman Pokrasen, hatten sich ein großes Ziel gesetzt: in diesem Jahr den Titel im Jungendoppel holen. Daneben war das Treppchen ganz klar auch in den Disziplinen Mixed und Einzel anvisiert. Die zurückliegende Sensationserfolge in Altwarmbüchen sowie die Leistungen bei den Landesmeisterschaften in Güstrow sollten Beweis genug sein, dass mit den beiden 16-Jährigen zu rechnen sein würde. Aber sie sollten nicht die einzigen Badmintonasse aus MV sein, die hoch hinaus wollten.

Denn mit ihnen im niedersächsischen Neustadt am Rübenberge auf Turniermission waren vier weitere Schweriner:innen sowie neun Athlet:innen aus Greifswald, Neubrandenburg und Rostock. Allein dass der Badmintonverband Mecklenburg-Vorpommern in diesem Jahr 15 seiner Asse ins Rennen schicken konnte, zeigt den guten Weg, den man derzeit in puncto Leistungssport geht. Im Vergleich: im Vorjahr zählte der Landeskader für die Norddeutschen Meisterschaften U13 – U19 noch zehn, 2023 nur acht Jungen und Mädchen.

MVs versammelter Kader bei den Norddeutschen Meisterschaften in Neustadt am Rübenberge (Foto: ZVG/BSC95)

Drei Tage lang war die 9-Feldhalle – der gastgebende MTV Nienburg schuf in Neustadt optimale Wettkampfbedingungen – also das Pflaster, auf dem Badmintongeschichte geschrieben werden sollte. Und 250 junge Sportlerinnen und Sportler aus den sieben norddeutschen Landesverbänden wollten Teil davon sein. Bereits an Tag eins (Freitag, der 7.11.) gelang es dem Team MV tatsächlich erste Ausrufezeichen zu setzen. Jeweils das Viertelfinale erreichten Roman Pokrasen (mit seiner Staßfurter Partnerin), Charlotte Dettmann (Die Schwerinerin schlug gemeinsam mit neuem Doppelpartner aus Berlin in der U13 auf) sowie Christian Pril/Wilhelmine Witthus (Schwerin/Greifswald – U19). Die erste Medaille für den BSC 95 sicherte sich jedoch Bruno Seichter. Gemeinsam mit Victoria Braun (Hamburg) scheiterte der 16-Jährige erst im Halbfinale an der topgesetzten Paarung der U17-Konkurrenz. Da das kleine Finale bei Meisterschaften nicht ausgespielt wird, war die Bronzemedaille der hochverdiente Lohn.

Viele frühe Niederlagen in den Viertelfinals und zwei Leuchtfeuer

Am Samstag ging es dann für das gesamte BVMV-Aufgebot in die Einzelkonkurrenzen. Während sich fast alle anfangs gut in Szene setzen, sollte die Runde der besten 16 irgendwie der Knackpunkt darstellen. Mal überraschend, mal wegen Pechs bei der Auslosung. Nicht über das Achtelfinale hinaus kam MVs beste U13erin Charlotte Dettmann. Nach einem starken Auftaktsieg traf sie hier bereits auf die spätere (dreifache) Turniersiegerin und Ausnahmetalent Fanchen Lou aus Hamburg. Selbiges Schicksal – beinahe 1 zu 1 – traf das Rostocker Badmintonass Helene Hermann (U15). Erst ein klarer Erstrundenerfolg, dann eine Niederlage gegen eine an Setzplatz 1 stehende Hamburgerin. Oder Greifswalds Elmar Breithaupt: ihm stand hier Niedersachsens Nummer gegenüber.
Die Überraschungsniederlagen von Bruno Seichter und Christian Pril sowie die Dreisatzniederlage des Neubrandenburgers Matti Richter in Runde zwei minderten dann auch etwas die Stimmung im Team. Zuletzt hatte sich auch der 13-jährige Vier-Tore-Städter Lukas Jeschke mehr erhofft. Irgendwie schien hier der Wurm drin zu sein.

Greifswalderin Wilhelmine Witthus erkämpft sich Bronze im Einzel (Foto: © André Klingemann)

Aber zwei heiße Eisen hatten der BVMV noch im Feuer. Und diese zeigten sich einmal mehr in Bestform. Den Anfang machte die 18-jährige Greifswalderin Wilhelmine Witthus, die von Setzplatz drei aus in die U19-Konkurrenz ging. Nach einem Freilos in Runde eins traf sie direkt auf ihre, wie sie sagt, Angstgegnerin. „Ich konnte es kaum glauben, dass ich es endlich geschafft habe“ so die großgewachsene Athletin zu ihrem Halbfinaleinzug. Ebenso die Runde der besten vier erreichte Schwerins Ausnahmetalent Roman Pokrasen. Der Mitfavorit auf den Titel blieb bis dahin ohne Satzverlust. Die Farbe der Medaille wurde dann allerdings erst am Sonntag ermittelt. Gut ausgeschlafen ging es sodann zurück auf die Courts. „Das Halbfinale lief leider nicht ganz so wie ich erhofft habe“, resümiert Witthus nach ihrer 17:21 und 12:21 Niederlage gegen die Schleswig-Holsteinerin Jule Jensen. „Ich bin aber trotzdem sehr zufrieden.“ Zurecht. Nicht nur, weil sie gegen Jensen im Lauf ihrer Karriere noch kein Einzel gewinnen konnte. Auch weil es ihr gelang, ihr letztes Jugendjahr mit Bronze auf einer Norddeutschen Meisterschaft zu beschließen, inklusive der DM-Qualifikation. Die hatte auch U17er Pokrasen bereits sicher.

„Hatte unglaublich viel Spaß, gegen so einen starken Gegner zu spielen.“

Der Ukrainer traf im Duell um den Finaleinzug derweil auf den Hamburger Soheyl Safari Araghi. Die Einzel-Bilanz sprach leicht für Pokrasen – im direkten Vergleich standen bis dato vier Siege und zwei Niederlagen zu Papier. Und es wurde dann auch das wie zu erwarten harte Match. Pokrasen, der seine Niederlage im Mixed unbedingt wieder wett machen wollte – „Ich war nach dem verlorenen Viertelfinale gegen Soheyl am Freitag sehr frustriert, das wollte ich jetzt ändern“ – hatte anfänglich stark mit seiner Nervosität zu kämpfen, lag schnell zurück. Doch er fing sich wieder und fand zu seinem Rhythmus zurück. „Auch wenn ich in einzelnen Phasen des Spiels mit Angst in den Augen agierte“, so der 16-Jährige. Am Ende blieb er seinem Konkurrenten einen Schritt voraus und damit erneut ohne Satzverlust. Endspiel! Der Jubel im ganzen MV-Team war groß. „Ich selbst war überglücklich“, freut sich Pokrasen.

Roman Pokrasen holt sensationell Silber im Jungeneinzel. (Foto: © André Klingemann)

Das Finale gegen Nationalspieler Frederik Volkert ging dann erstmals über die volle Distanz von drei Sätzen. Pokrasen, der sich erst ab dem zweiten Durchgang an den veränderten Spielstil seines Gegenübers anpassen konnte und diesen auch für sich entschied, erinnert sich: „Jetzt fand ich einen Weg um Punkte zu machen und die starke Verteidigung von Frederik zu durchbrechen.“ Doch im Entscheidungssatz ging der Fokus des Schweriners etwas abhanden. Wenn auch nur marginal, einem Spieler wie Volkert genügt schon die kleinste Konzentrationslücke. „Beim Stand von 20:11 dachte ich: alles oder nichts. Ich begann so ruhig und selbstsicher wie nie zuvor zu spielen. Ich zwang ihn, selbst Fehler zu machen. Das brachte Frederik noch einmal ins wanken und ich kam auf 18 Punkte heran“, erzählt Pokrasen. Dann jedoch ließ Volkert ein paar nahezu perfekte Schläge folgen und machte den Sack zu. „Ich war aber nicht enttäuscht. Es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht, gegen so einen starken Gegner zu spielen.“ Mit Silber um den Hals holte Pokrasen nicht nur die dritte Medaille für Mecklenburg-Vorpommern (und zweite für den BSC 95 Schwerin), sondern auch das beste Einzelergebnis für MV auf einer Norddeutschen Meisterschaft seit 2019 (Gold durch Luca Wiechmann/ BSC 95). Die Freude war auch Heimtrainer Michael Hewelt ins Gesicht geschrieben. „Auch wenn Roman von Setzplatz zwei aus ins Turnier ging, war die Silbermedaille keine leichte Bank. Es sind so viele sehr spielstarke Jungs in diesem Jahrgang. Romans erbrachte Leistung hier muss man einfach extrem hoch einordnen“, erzählt er.

Schwerin will mehr: Mit voller Kraft in die Doppeldisziplin

Ebenfalls am Samstag wurde in der Neustädter Badmintonarena mit den Jungen- und Mädchendoppeln begonnen. Auch hier sollten die Medaillenränge am Sonntag ausgespielt werden. Für den kompletten MV-Kader durchaus das ausgesprochene Ziel Den Beginn mit starken 5. Plätzen machten die Duos Fabian Geffe/Elmar Breithaupt (Neubrandenburg/Greifswald – U13), Lucas Jeschke/Jonathan Pöhland (Neubrandenburg/Bremen – U15), Friderike Hermine Kunz/Lara Dethloff (Schwerin – U17) und Yara Metzlaff/Wilhelmine Witthus (Greifswald – U19).

Charlotte Dettmann (links) kann sich erstmals für die Deutschen Meisterschaften qualifizieren. (Foto: © André Klingemann)

Dann aber schlug die Stunde der drei BSC-Talente Dettmann, Pokrasen und Seichter. Während sich die beiden Jungs bereits eine Meisterschaft (2023) und eine Vizemeisterschaft (2024) sichern konnten, wollte U13erin Charlotte diesmal ihr Treppchendebut feiern. Und die amtierende dreifache Landesmeisterin überzeugte. Gemeinsam mit ihrer Partnerin Tian Yu Dong (Bremen) gewann sie ihr Auftaktmatch deutlich. Nach anfänglichen Abstimmungsproblemen im ersten Satz des Viertelfinals, gewann das eingespielte Duo die beiden folgenden Durchgänge mit überragender Souveränität. Bronze war somit sicher. Am Sonntag hieß die Gegnerin einmal mehr Fanchen Lou. Zusammen mit Bremens Top-Talent Ashley Piper würde die Hamburgerin das Spiel nicht leichtfertig aus der Hand geben. Und so kam es auch. Das hohe Tempo der beiden Kontrahentinnen zwang Dettmann/Dong zu einem risikoreichen Spiel. Die Fehlerquote war dann aber zu groß und die Niederlage nicht mehr abzuwenden. Dennoch: Für Charlotte und Tian wird es im Dezember erstmals in ihrer jungen Karriere zu den Deutschen U13-Meisterschaften nach Bayern gehen. „Darüber freue ich mich sehr. Das Turnier hier hat mir auch sehr viel Spaß gemacht und ich habe vor allem den Zusammenhalt und die gute Stimmung in unserem Team genossen“, berichtet die 11-Jährige.

Eine Niederlage stand derweil nicht auf dem Zettel der Schweriner Ausnahmespieler Seichter/Pokrasen. Als Turnierfavorit starteten die beiden mit einem Feuerwerk aus platzierten und harten Angriffsschlägen und zermürbenden Abwehraktionen. Ihre ersten beiden Matches gewannen sie jeweils routiniert in zwei Sätzen. Im Halbfinale kamen die Schweriner das erste Mal ins Straucheln. Hier mussten sie dann auch über die volle Distanz gehen. Die nötige Ruhe und Leitung gab ihnen schließlich ihr Trainer Michael Hewelt. Als der Siegpunkt fiel, war erst die Erleichterung hörbar, dann der von der Tribüne stürmende Jubel. Was nicht abflachte, war die Nervosität. Im anschließenden Spiel um Gold mussten die Schweriner den ersten Satz noch den Mitfavoriten Englich/Schneider überlassen. Wieder fand Hewelt in der Coachingpause die richtigen Worte für seine Schützlinge. Zu 19 und zu 15 setzten sie anschließend den erträumten Abschluss. Der Titel „Norddeutsche Meister im Jungendoppel“ der hochverdiente Lohn.

Historisch: die NDEM 2025 – Ein Fazit

Mit fünf Medaillen und mehreren Viertelfinalteilnahmen geht der Badmintonverband Mecklenburg-Vorpommern historisch erfolgreich aus diesen Meisterschaften hervor. Gleiches gilt für den BSC 95 Schwerin. Einordnend erklärt BSC-Pressewart und Spielerinnenvater Patrick Dettmann: „Die Ergebnisse unserer Athlet:innen sind keine Selbstverständlichkeit. Sie sind vor allem auf die hohe Leistungsbereitschaft und Trainingsmentalität unserer Jungs und Mädels zurückzuführen. Das kann gar nicht genug gewürdigt werden. Zumal wir im Vergleich zu anderen Landesverbänden nicht auf eine Stützpunktstruktur samt Honorar- und Landestrainer zugreifen können. Bei uns ist alles ehrenamtlich organisiert. Also: Hochachtung!“

Ganz anders sieht es derweil bei unseren Nachbarn in Berlin und Hamburg aus. Letztere bringen mit ihrem Stützpunkt am Alten Teichweg regelmäßig Athletinnen und Athleten in die nationale Spitze. Auch dieses Mal war es nicht anders. So konnten sie sich mit haushohem Abstand erwartbar den Sonderpokal für den erfolgreichsten Landesverband der Gruppe Nord sichern. In diesem Zusammenhang kommt man nicht herum, ein weiteres Mal den dreifache Titelgewinn von Youngstar Luo (TSG Bergedorf) zu erwähnen. Oder die Leistung der Einzelspezialistin Mira Tai Loi. So durfte die 10-Jährige mit einer Sondergenehmigung in der Altersklasse U15 auflaufen. Und nicht nur das: Tai Loi, die bereits in einer reichweitenstarken RTL-Samstagabend-Show Werbung für den Badmintonsport machte, fegte auch noch durch die gesamte Konkurrenz und holte sich hier als jüngste Spielerin überhaupt den Titel.

Historisch: 5 Medaillen für Mecklenburg-Vorpommern (Foto: ZVG/BSC 95)

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