Gewalteskalation: Rücktritt von fünf Hansa-Aufsichtsräten
„Entwicklung stellt unsere Werte zunehmend in Frage“
„Seit einiger Zeit beobachten wir eine Entwicklung, die uns mit Sorge erfüllt, die unsere Werte zunehmend in Frage stellt und unseren Grundkonsens eines gemeinschaftlichen Zusammenwirkens in solchen Strukturen unmöglich macht.“ Das erklärten die teils langjährigen Aufsichtsratsmitglieder des F.C. Hansa Rostock Rainer Lemmer, Christian Stapel, Henryk Bogdanow, Frank Schollenberger und Immanuel Fuhrmann gestern Abend in einer Pressemitteilung. Die sich jüngst ereignete Gewalteskalation, bei der mutmaßliche Hansa-Hooligans einen Sonderzug mit Fans von Rot-Weiß Essen attackierten, nahmen die fünf nun zum Anlass, aus dem Aufsichtsrat zurückzutreten.
„Hier wurde für uns eine rote Linie überschritten“, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme. Zu den ausschlaggebenden Beweggründen zählten Lemmer, Stapel und Co. außerdem zurückliegende Ereignisse wie „rassistische Entgleisungen, Diskriminierungen und schlussendlich die gezielte Diffamierung eines Aufsichtsratsmitgliedes im Stadion“. Man wolle sich nicht schweigend mit dieser Entwicklung gemein machen. Zugleich bitte man Mitglieder, Fans und für den Verein tätige Personen das Geschehene zu reflektieren. Mit dem Austritt aus dem Hansa-Kontrollgremium verbleiben nur noch drei der acht Aufsichtsratsmitglieder.
Auch die Vorstandsspitze verurteilte die neuerlichen Ausschreitungen. „Wer die Gefährdung anderer Personen billigend in Kauf nimmt, überschreitet ganz klar und deutlich Grenzen. Ein solches Verhalten muss und wird entsprechende Konsequenzen für die identifizierten Täter haben“, lässt der Verein auf seiner Homepage wissen. Gegenüber dem NDR erklärte der Club-Vorsitzende Jürgen Wehlend „Diese Leute, die das zu verantworten haben, gehören in kein Fußballstadion, in unseres sowieso nicht – und eigentlich in keines in Deutschland.“
Ob die Vereinsspitze mit diesem neuerlichen Statement auch den internen Umgang mit ihren gewaltorientierten Anhängern meint, bleibt abzuwarten. Immerhin gibt es keine Saison, in dem der F.C. nicht durch Ausschreitungen in die Schlagzeilen gerät. Und immer wieder steht auch des unentschlossene Handeln der Clubführung im Zusammenhang mit dem Problemteil seiner Ultras in der Kritik – sowohl bei vielen Hansa-Fans als auch in der Bevölkerung. Der NDR-Reporter Jan Didjurgeit bezeichnete die Club interne Konfrontation mit der Ultraszene einmal als „mission impossible“. Zu stark würden die Ultras die Hansa-Mitgliederversammlung inhaltlich diktieren.
Hintergrund:
Im Vorfeld des Heimspiels Zwischen den Drittligisten F.C. Hansa Rostock und Rot-Weiß Essen kam es am Morgen des 26.10.2024 auf der Bahnstrecke Berlin-Rostock zu einem Angriff von ca. 200 vermummten Tätern. Aktuellen Erkenntnissen zufolge wurde der mit rund 700 Essener Gäste-Fans besetzte Zug auf freier Strecke zwischen Gransee und Neustrelitz von einer involvierten Person per Notbremse zum Halten gebracht. Anschließend bewarf die gewaltbereite Meute den Zug mit Steinen, woraufhin die Scheiben mehrerer Waggons zu Bruch gingen. Die Bundespolizei ermittelt wegen des Verdachts der Sachbeschädigung, des gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr, der gefährlichen Körperverletzung sowie des Verdachts des Landfriedensbruchs im besonders schweren Fall. Ein 20-Jähriger Verdächtiger aus dem Landkreis Nordwestmecklenburg konnte bereits ermittelt werden.
Dem Deutschlandfunk Kultur zufolge beziffert die Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern die Zahl der gewaltbereiten und gewaltgeneigten Hansa-Anhänger auf 450. Die der Gewaltsuchenden auf 100.