Positive Entwicklung des Frauen-Boxsportes in den letzten Jahren…

Stark und erfolgreich: Sophie Alisch, Sarah Scheurich und Ornella Wahner. Foto: M.M.

„Die große Frage, die ich trotz meines dreißigjährigen Studiums der weiblichen Seele nicht zu beantworten vermag, lautet: `Was will eine Frau eigentlich?`“, so der berühmte Psychoanalytiker Sigmund Freud.

„Frauen-Power“ auch im Kampfsport

Tja, was wollen Frauen eigentlich, leben wir doch in einem Zeitalter der „Frauen-Power“. Selbst im Sport erleben wir das Matriarchat, eine „Männer-Bastion“ nach der nächsten wird von den sportiven Frauen und „Mädels“ erobert.

Fechten, Ringen, Judo, Karate, Ju-Jutsu, Taekwondo, Kickboxen oder Boxen – alles Sportarten, in denen auch die Frauen „nicht nur die Hosen, sondern auch das Trikot anhaben“.

Deutschland und das Frauen-Boxen

Auch den Box-Ring haben den Frauen sportiv längst geentert. Namen, wie Regina Halmich, Susi Kentikian oder Julia Sahin waren große Wegbereiterinnen für den Frauen-Boxsport hierzulande.

Das Frauen-Boxen und M-V

Und in M-V gab es schon einige starke boxsportliche Amazonen, die für Erfolgsmomente sorgten – Mitte der 2000er Jahren waren das insbesondere Alice Altmann und Anne Cravaack aus Wismar. Vorher, in den 1990ern, sorgte Horst Femfert und seine Greifswalder Boxsportlerinnen dafür, dass der Frauen-Boxsport auch in M-V seinen Siegeszug beginnen konnte.

Rostocks vielseitige Athletin Sabine Felser, „World Games“-Siegerin 2005 im Ju Jutsu und zudem eine sehr gute Judoka, versuchte sich ebenfalls schon erfolgreich im Boxsport. Internationale Medaillen, bei Nachwuchs-WM, kamen in den letzten drei Jahren unter anderem durch Sarah Scheurich (Schwerin) und Elisabeth Wohlgemuth aus Wismar hinzu.

Die Stralsunderin Marie Maciejewski gehört zudem zu den bekanntesten Boxsportlerinnen in M-V. Sarah Scheurich erkämpfte zudem 2014 bei den EM Silber, bei den Europaspielen 2015 in Baku Bronze und verpasste Olympia 2016 in Rio denkbar knapp.

2016 – ein Jahr des Frauen-Boxsportes

Apropos 2016… Das war ein sehr ereignisreiches Frauen-Boxsport-Jahr, denn es gab 2016 ein WM-Turnier, ein Olympia-Turnier und dann noch ein EM-Turnier. Ein sportlicher „Wahnsinn“, zumal noch weitere wichtige internationale Turniere, unter anderem der Queens-Cup in Stralsund, auf dem Programm standen.

Bei den WM im Mai 2016 in Astana war Kasachstan mit 4 x Gold, 2 x Bronze am erfolgreichsten. 19 Nationen errangen dort Medaillen, darunter 6 Länder eine oder mehrere Goldmedaillen. Nadine Apetz gewann in Astana im Weltergewicht mit Bronze die erste Medaille bei Amateur-Frauen-WM für eine deutsche Staffel.

Das folgende olympischen Frauen-Box-Turnier im August 2016 hatte insgesamt ein gutes Niveau, wobei die Britin Nicola Adams im Fliegengewicht, die Französin Estelle Mosselly im Leichtgewicht und die US-Amerikanerin Claressa Shields im MIttelgewicht jeweils Gold erkämpften. 36 Boxerinnen aus allen Kontinenten nahmen am Turnier in Rio teil.

Und in Sofia, bei den EM im November 2016, wurde Russland das erfolgreichste Land  mit 4 x Gold, 4 x Bronze. Im Halbfliegengewicht wurde Sevda Asenova (Bulgarien) Europameisterin, im Schwergewicht triumphierte Zenfira Magomedalieva (Russland). Im Mittelgewicht schaffte Natascha Gale aus England den Titel. Insgesamt erkämpften 16 Nationen Medaillen bei diesen Frauen-Box-EM, darunter fünf Staaten eine oder mehrere Goldmedaillen. Deutschland „glänzte“ durch Abwesenheit…

Frauen-Boxen eigentlich mit großen Traditionen

Das Frauen-Boxen ist eigentlich keine junge Sportart, obwohl sie in Deutschland erst durch die Erfolge von Regina Halmich zwischen 1994 und 2007 so richtig populär wurde. In Rio fand im August 2016 zwar auch das erst zweite olympische Box-Turnier für Frauen nach London 2012 statt, aber Frauen-Boxen wurde bereits 1904 in Saint Louis olympisch demonstriert.

Letztendlich entstand der Frauen-Boxsport, wie jener der Herren, schon im 18.Jahrhundert, insbesondere in England.

Ein langer Weg zur Akzeptanz

Dennoch gibt es Amateur-WM für Frauen erst seit 2001 in Scranton (USA), wobei 2016 in Astana die neunten WM-Titelkämpfe in Astana stattfanden. Für Schwarz-Rot-Gold gewann in der kasachischen Metropole vor Jahresfrist Nadine Apetz dabei die erste WM-Medaille im Amateur-Bereich überhaupt. Ansonsten hatten die am Boxen interessierten Amazonen schon früh entdeckt, dass sich mit dem „Boxsport“ auch Geld verdienen ließ. Der vermeintlich „erste Preiskampf“ war ein boxsportliches Duell zwischen Elisabeth Wilkinson und Anna Hyfield 1728 in Clerkenwell.

Seit Ende des 19.Jahrunderts werden auch – zumindest inoffiziell – im Frauen-Boxen „Weltmeisterinnen aller Klassen“ ermittelt. Polly Fairclough war dabei ein der ersten von ihnen. Einen kleinen Aufschwung nahm der Frauen-Boxsport nach Ende des ersten Weltkrieges, auch in Deutschland. Aber weder Nazis noch Sozialisten und auch Demokraten, zumindest solche, die sich dafür hielten, konnten sich für den Frauen-Boxsport begeistern. Erst nach 1990 nahm der Faustkampf für Frauen weltweit eine positive Entwicklung – sowohl im Profi- als auch im Amateur-Bereich.

Verschläft man in Deutschland die Entwicklung?!

Obwohl der Frauen-Boxsport weltweit viel Zuspruch erfährt, Länder, wie Russland, die USA, Großbritannien, die Niederlande, Frankreich, Bulgarien, China, Indien, Japan, Kanada, Irland oder die Ukraine, diesen massiv fördern und der Frauen-Boxsport  eine sehr positive Entwicklung  erfuhr, scheint man in Deutschland diesen Trend zu verschlafen.

Eigentlich müsste der Queens-Cup in Stralsund, der zwischen 2012 und 2016, zu einer global einzigartigen Boxveranstaltung aufstieg, jegliche Unterstützung erfahren. Ist dem aber so? Nein. Großartiger Frauen-Boxsport wurde dort stets geboten. Kämpferinnen aus vier Kontinenten waren dort vertreten, der Queens-Cup gilt wie ein inoffizieller „Weltcup“ im Frauen-Boxsport.

Es ist ein Turnier, bei dem sich die boxsportlichen Frauen beweisen können, ihren Sport präsentieren und sich für höhere Weihen empfehlen können. Etwas, was bei den Entscheidungsträgern in Sachen Leistungssport in Deutschland, wohl noch nicht angekommen ist…

Dass die EM in Sofia 2016 ohne deutsche Beteiligung ausgetragen wurde, ist dabei verwerflich. Mit solcher Ignoranz wird eine aufstrebende Sportart kaputt gemacht.

Frauen-Boxsport gehört dazu

Deutschland will im olympischen Sommersport wieder zu einer großen Sportnation aufsteigen, wenn man dann Sportarten wie das Frauen-Boxen ignoriert, wird es nichts, mit dem erhofften Aufstieg. Da sind andere Nationen weiter… Aber das gilt nicht nur für den Sport. Wie hieß es mal bei Loriot: „Früher hatten wir (in den Führungsetagen) Fachleute, aber heutzutage…“

Bleibt nur zu hoffen, dass die deutschen Boxsportlerinnen dennoch motiviert bleiben – insbesondere mit Blickrichtung Tokyo 2020.

Wie attraktiv der Frauen-Boxsport sein kann bewiesen die Erfolgsboxerin Sarah Scheuruch, die Dritte der U 17/U 19-EM 2017 in Albena bzw. Deutsche Meisterin Sophie Alisch und die Deutsche Meisterin Ornella Wahner beim Vergleichskampf (mit Frauen- und Herren-Kämpfen) zwischen dem BC Traktor Schwerin und der finnischen Nationalmannschaft am 4.November 2017 in der Palmberg-Arena in Schwerin.

Vielleicht sehen es die großen Box-Verantwortlichen in Deutschland ja ähnlich?! Ein weiterer Queens-Cup 2017 in Stralsund wäre ein gutes Signal, dass der Frauen-Boxsport auch in Deutschland willkommen ist. Übrigens: Zwei große deutsche Boxerinnen erhielten dort 2012 herausragende Auszeichnungen: die unvergessene Cindy Rogge wurde als beste Kämpferin geehrt und Sarah Scheurich als beste Technikerin.

Eventuell könnte sich auch MV-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig für die ambitionierten Box-Frauen stark machen… Die „Macht“ dazu hätte sie. …Denn starke Frauen gehören auch in den Box-Ring, wenn sie es denn wollen. Und eine sportive Macht im Frauen-Boxsport ist M-V längst. Hoffentlich bleibt es so.

Marko Michels

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