Ein Blick in die Reitsport-Historie des Landes und auf Carl Friedrich Freiherr von Langen, zweifacher Olympiasieger im Dressurreiten
Es ist einmal wieder so weit. Vom 5. bis 7. August geht es im Galopp zur Rennbahn bei Bad Doberan. Dort heißt es nämlich „25 Jahre Ostsee-Meeting nach der Wiedereröffnung 1993“. Natürlich werden dort wie gewohnt die diversen Preise über die Distanzen zwischen 1300 Meter und 2600 Meter vergeben. Damit gibt es wieder einmal traditionsreichen Pferdesport in MV.
Mecklenburg-Vorpommern ist zweifellos ein Reitsportland, besitzt bekannte, ja berühmte pferdesportliche Wettkampf-Stätten. Sei es das Landesgestüt in Redefin, das 1812 gegründet wurde, oder die besagte Rennbahn bei Bad Doberan, auf der es 1822 die ersten Galopp-Rennen gab.
Und MV hat mit Carl-Friedrich von Langen, den zweifachen Dressur-Olympiasieger von 1928 aus Parow bei Stralsund, und Ludwig Stubbendorff, dem zweifachen Vielseitigkeits-Olympiasieger von 1936 aus Turloff bei Dabel, nicht nur zwei ganz herausragende Reitsportler hervor gebracht, sondern auch weitere Reitsportler mit olympischen Ehren.
Olympisches Dressur Gold geht nach Vorpommern – Freiherr von Langen siegte vor fast 90 Jahren
Die erste Goldmedaille bei Olympischen Spielen für die Region des heutigen Mecklenburg-Vorpommern gewann am 11. August 1928 in Amsterdam der Dressur-Reiter Carl Friedrich Freiherr von Langen. 1887 in Klein Belitz zur Welt gekommen, wirkte er vorwiegend im vorpommerschen Ort Parow (bei Stralsund/Provinz Pommern).
In einem der hochklassigsten Dressur-Wettbewerbe der olympischen Geschichte verwies von Langen mit seinem Pferd “Draufgänger” mit 237,42 Punkten den Franzosen Charles Marion auf “Linon” (231 Punkte) und den Schweden Ragnar Olson auf “Günstling” (229,78 Punkte) auf die Ehrenplätze. Von Langen beherrschte dabei die zweitägige Dressur-Entscheidung (am 10. und 11. August 1928) – deutlicher als alle seine Vorgänger seit 1912.
Die Team-Wertung, die bei den Spielen 1928 in Amsterdam olympische Premiere feierte, wurde ebenfalls von der deutschen Mannschaft mit von Langen an der Spitze vor Schweden und den Niederlanden gewonnen. Errechnet wurde diese aus den Punktzahlen der drei teilnehmenden Reiter jedes Landes. Von Langen war mit seinen beiden olympischen Goldmedaillen einer der erfolgreichsten Athleten. Er war ein ausgezeichneter Reitsportler, der in den Folgejahren sehr viel nationale und internationale Anerkennung genoss.
[box type=“bio“]Fast 3000 Athleten in Amsterdam
Insgesamt 2971 Sportlerinnen und Sportler (Frauen: 288) starteten 1928 in Amsterdam. In 17 Sportarten, die 120 Wettbewerbe beinhalteten, wurde um Plätze und Medaillen gewetteifert. “Team Germany” belegte hinter den USA mit 10 x Gold, 7 x Silber und 14 x Bronze Platz zwei in der Gesamtwertung. Erstmals starteten Frauen in der Leichtathletik. Im Schwimmen war “Tarzan” Johnny Weissmuller über 100 Meter-Kraul und in der 4 x 200 Meter-Kraul-Staffel der Konkurrenz überlegen.[/box]
Entwicklung nach Amsterdam 1928
Nach Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde versucht, den im ersten Weltkrieg verwundeten deutschen Patrioten von Langen zu vereinnahmen. In dem NS-Propagandafilm “Reitet für Deutschland” spielte er zwar eine Hauptrolle: Gleichwohl nahm er auch weiterhin an internationalen Wettbewerben im Dressurreiten, Jagdspringen und sogar in der Military teil; zu seinen olympischen Konkurrenten von 1928 pflegte von Langen freundschaftliche Kontakte.
Alle weiteren reitsportlichen Ambitionen wurden jäh am 15. Juli 1934 gestoppt. Bei einem Military-Wettkampf in Döberitz verunglückte von Langen schwer. Wenige Tage später – am 3. August 1934 – erlag der herausragende Reiter seinen Verletzungen.
[box]Lieblingspferd Hanko
Der Wallach Hanko, anglo-arabischer Abstammung, kam während des ersten Weltkrieges nach Deutschland und fand einen Eigentümer in Pommern, der ihn vor allem für Freizeit- und Geländeritte nutzte. Da sich Hanko jedoch verletzte, wollte ihn der damalige Besitzer veräußern. Von Langen sah das talentierte, aber gesundheitlich gehandicapede Pferd, kaufte es und “päppelte” es auf seinem Gut in Parow wieder auf. Trotz seiner Kriegsverletzung schaffte es von Langen, den Wallach reitsportlich zu trainieren und auf ihm Turniere zu bestreiten. Der begnadete Reiter von Langen erkämpfte nach dem ersten Weltkrieg zahlreiche internationale Triumphe auf Hanko, seinem bevorzugten Pferd, unter anderem bei den internationalen Reiterspielen in Malmö bzw. vor allem beim deutschen Spring-Derby.[/box]
Military-Gold für Ludwig Stubbendorff 1936
Aber nicht nur im Dressur-, sondern auch im Vielseitigkeitsreiten hat Mecklenburg und Vorpommern eine gute olympische Tradition. Die ersten olympischen Goldmedaillen erkämpften die deutschen Vielseitigkeitsreiter übrigens 1936 in Berlin – dank eines gebürtigen Mecklenburgers. Ludwig Stubbendorff, 1906 in Turloff/Dabel geboren, siegte auf „Nurmi“ vor dem Amerikaner Earl Foster Thomson und dem Dänen Hans Lunding. Auch die deutsche Mannschaft erkämpfte Gold vor Polen und Großbritannien.
Unter den fünf olympischen Ringen – weitere Reiter aus MV
Und es gibt weitere Reitsportler aus MV, die unter den fünf olympischen Ringen starteten. Der 1938 in Röbel geborene Horst Köhler wurde 1968 Olympia-Fünfter im Einzel und Olympia-Vierter mit der DDR-Dressur-Equipe. In München 1972 konnte er mit dem DDR-Dressur-Team dann Rang fünf belegen. Unter anderem war er auch Vize-Europameister 1969 und WM-Dritter 1970 mit dem DDR-Team.
Die Goldmedaille in der Dressur 1968 sicherte sich Iwan Kissimow (Sowjetunion) vor Josef Neckermann bzw. Reiner Klimke (beide Westdeutschland). In der Mannschaftswertung siegte Westdeutschland. In München hingegen gab es für Westdeutschland den Erfolg im Einzel durch Liselott Linsenhoff vor Jelena Petuschkowa (Sowjetunion). Die Dressur-Team-Wertung ging an die Sowjetunion vor Westdeutschland.
Aus Willershausen/Grimmen stammt hingegen Rudolf Beerbohm, Jahrgang 1941, der zum Beispiel 1972 in München in der Military mit seinem Pferd „Ingolf“ Elfter im Einzel und Fünfter mit dem DDR-Team wurde. Beide olympischen Goldmedaillen erkämpfte in der Military 1972 Großbritannien, wobei Richard Meade die Einzelwertung als Erster abschloss. Das westdeutsche Military-Team, unter anderem mit Harry Klugmann, 1940 in Stolpe (Vorpommern) geboren, schaffte 1972 Bronze.
Ein weiterer Olympia-Reitsportler ist Gerhard Brockmüller aus Darchau, der folgende Resultate bei Olympischen Spielen vorweisen kann: in Mexico-City 1968 im Dressur-Einzel Zwölfter bzw. mit dem Dressur-Team der DDR Vierter sowie in München 1972 im Dressur-Einzel Dreizehnter und mit dem Dressur-Team der DDR Fünfter.
Nominiert und dann leider nicht dabei
Zur nominierten deutschen Vielseitigkeits-Mannschaft für die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona gehörte auch der Mecklenburger Christian Zehe aus Sanitz. Leider starb sein Pferd Gallus nach dem letzten Training kurz vor den Spielen… In Barcelona war dann Matthew Ryan (Australien) vor Herbert Blöcker vom deutschen Team bzw. Blyth Tait (Neuseeland) erfolgreich. In der Team-Wertung belegte Australien vor Neuseeland und Deutschland Rang eins.
Rio 2016
Mit den Entscheidungen im Vielseitigkeits-, Dressur- und Springreiten überzeugten auch die deutschen Reitsportlerinnen und Reitsportler bei den Olympischen Spielen 2016. Sie gehörten sogar wieder einmal zu den „Medaillenbringern“ innerhalb der deutschen Mannschaft. Dressur-Reiterin Isabell Werth komplettierte ihre umfangreiche olympische Medaillen-Sammlung auf nunmehr 6 x Gold, 4 x Silber. Damit ist sie die erfolgreichste olympische Reiterin. Michael Jung wurde wie bereits 2012 in London Einzel-Olympiasieger im Vielseitigkeitsreiten (dazu Team-Gold 2012 und Team-Silber 2016).
Aktuelles
Reitsportliche Höhepunkte im Sportsommer 2017
- die EM im Voltigieren vom 2. bis 6. August in Ebreichsdorf
- die EM im Reining vom 9. bis 12. August in Givrins
- die EM im Distanzreiten am 17. August in Brüssel
- die EM im Vielseitigkeitsreiten vom 17. bis 20.August in Strzegom
- die EM in der Dressur, im Springreiten, im Vierspännerfahren und im Para-Reiten in Göteborg
Marko Michels