Über Stimmung in der Halle, einen schweren Saisonstart, die Arbeit am Nachwuchsleistungsstützpunkt und Spieler des Monats
Ein Interview mit 1. TTC Greifswald Abteilungsleiter Andreas Weißenborn und Sportwart Karl Lüskow
Stimmung in der Halle ist das A und O beim 1. Tischtennisclub Greifswald. Das erklärte Ziel der Hanseaten: die Sporthalle am Jahn-Gymnasium, einigen besser bekannt als TTC-Arena, in einen regelrechten Hexenkessel zu verwandeln. Selbstbewusst ist man also. Und als einer der tonangebenden Vereine rund um den Tischtennissport in Mecklenburg-Vorpommern weiß man halt, wie das Spiel an und neben der Platte zelebriert wird. Ganz gemäß dem eigenen Motto: „Emotionen, Zusammenhalt, Leidenschaft“.
Mitten in der Saison angekommen haben sich alle sechs Mannschaften des TTC bereits mehr oder weniger in Szene setzen können. Während die Breitensportler in der Kreisliga Nord Vorpommern Greifswald aufschlagen, kämpfen die Cracks der 1. Mannschaft in der Verbandsoberliga um Punkte und Prestige.
Für MV-Sport.de haben sich der Vereinsvorsitzende Andreas Weißenborn und Sportwart Karl Lüskow ausgiebig Zeit genommen und standen bereitwillig Rede und Antwort.
Interview
Gleich einmal zu Ihrem Motto „Emotionen, Zusammenhalt, Leidenschaft“. Das zieht und passt offensichtlich zum 1. TTC Greifswald.
Andreas Weißenborn: Wir versuchen im Verein vor allem das Miteinander zu leben, wodurch immer wieder auch abseits des Tisches Freundschaften entstehen. Dadurch entsteht natürlich ein besonderer Zusammenhalt, der nicht nur in den jeweiligen Mannschaften, sondern vor allem auch mannschaftsübergreifend vom ganzen Verein getragen wird. So sind natürlich auch Spieler aller Mannschaften als Zuschauer beiden ersten Mannschaften in der Verbandsoberliga und Verbandsliga in der Halle, auf der anderen Seite kommen die Spieler der Ersten und Zweiten aber eben auch zu den Spielen der anderen Mannschaften und unterstützen diese. Außerdem versuchen wir natürlich auch außerhalb der Halle aktiv zu sein. So gibt es jährlich eine Vereinsradtour, man trifft sich im Sommer zum Beachvolleyball oder es gibt gemütliche abendliche Runden bei Pizza und Bier. Auch wird sich untereinander geholfen, z.B. wenn jemand umzieht oder sonstige Hilfe braucht.
Wie vermitteln Sie das an Ihren Nachwuchs?
AW: Auch im Nachwuchsbereich ist das Vermitteln des Miteinander natürlich eines unserer Hauptanliegen. Wir legen gerade in den Punktspielen oder auch auf Turnieren sehr viel Wert darauf, dass sich die Kids gegenseitig unterstützen und anfeuern. Besonders einige der Kinder, die jetzt schon länger bei uns sind, leben das dann den ganz Kleinen vor und nehmen sie emotional mit.
Geht denn das mit dem „Hexenkessel“, wenn bei Heimspielen nur 40 Zuschauer den Spielen beiwohnen? Wobei „nur“ wohl einen falschen Eindruck vermittelt. Für Tischtennispunktspiele in der VOL ist das ja enorm.
Karl Lüskow: In der Tischtennis Verbandsoberliga muss man wirklich nicht von „nur“ 40 reden. Wir haben soweit wir das einschätzen können (offizielle Zuschauerzahlen gibt es leider nicht) den höchsten Zuschauerschnitt der Liga und auch in MV sind wir immer wieder Spitze. Es kommt aber nicht nur auf die Anzahl der Zuschauer an. Wir hören auch immer wieder von Gästen, wie unbequem es ist vor unseren Fans zu spielen. Hier wird mit Trommeln und Klatschpappen jeder Punkt gefeiert, das ist teilweise ungewohnt für die Gegner, die ihrerseits bei Heimspielen teilweise gar keine Zuschauer haben.
Im September wünschten Sie sich einen siegreichen Saisostart. Ihr Wunsch „Es gäbe kaum was geileres als einen Heimsieg zum Auftakt in das neue Abenteuer VOL!!!“ ging dann nicht in Erfüllung.
KL: Ja das stimmt leider, aber da war es aufgrund des sehr starken Gegners aus Kiel auch ein sehr frommer Wunsch. Bereits im nächsten Heimspiel klappte es aber mit dem ersten Saisonsieg. Nach drei Anläufen in der Verbandsoberliga merken wir, dass uns die Jahre weitergebracht haben und wir inzwischen durchaus mithalten können. Leider hat uns dann die Verletzung unseres Spitzenspielers Mirco Koschei zurückgeworfen, er war und ist kaum zu ersetzen. In der Rückrunde greifen wir aber erneut an, noch geht etwas in Sachen Klassenerhalt.
Aber nicht nur die erste Mannschaft musste eine Niederlage hinnehmen. Auch die Zweite (Verbandsliga), die Dritte (Landesliga Ost) und die Vierte (Bezirksliga Südost) verloren ihre Auftaktspiele.
AW: Das stimmt zwar, aber nach dem im letzten Jahr von der ersten bis zur fünften Mannschaft alle Teams aufgestiegen sind, war es klar, dass es ein schweres Jahr für uns werden würde. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir überall gegen den Abstieg kämpfen, aber kämpfen können wir gut ;).
Wie sehen die aktuellen Bilanzen aus? Sind die Ziele noch zu erreichen?
AW: Auf jeden Fall JA!!! Nach dem nicht ganz perfekt verlaufenen Start sind alle Teams in den jeweils neuen Ligen angekommen und haben inzwischen wichtige Punkte sammeln können. Insbesondere die Zweite, die in der starken Verbandsliga, der höchsten Liga unseres Bundeslandes spielt, ging eher als Außenseiter in die Saison und in den Prognosen wurde die Mannschaft immer als Letzter gehandelt. Aktuell steht die Mannschaft nach 6 Spielen auf einem guten Mittelfeldplatz und hat den Klassenerhalt fest im Blick. Ein bisschen Sorgen macht uns noch die dritte Mannschaft in der Landesliga, aber auch da ist noch alles drin, da die Landesligateams gerade in der Abstiegszone sehr eng zusammen liegen. Alle anderen Mannschaften liegen im Soll.
Und im Rückblick auf das Lokalderby gegen den SC Parchim am 16. November? Die deutliche Niederlage gegen den einzigen MV-Konkurrenten in der Verbandsoberliga war bestimmt besonders bitter.
KL: Ja, das war bitter, kam aber leider nicht unerwartet. Wie schon erwähnt, fehlt uns aktuell immer noch unser Spitzenspieler und Publikumsliebling Mirco Koschei. Außerdem mussten wir in dem Spiel aus familiären Gründen auch noch auf Martin Unterseher verzichten. So etwas geht bei uns aber natürlich vor, Martin brauchte Zeit für Frau und Kinder, also hat ein Spieler der zweiten Mannschaft bei uns ausgeholfen. So hat es zwar gegen das topbesetzte Team aus Parchim nicht gereicht, aber das war einkalkuliert. Bei Parchim spielen in dieser Saison vier polnische Spieler, die ergänzt mit zwei weiteren Spielern aus Hamburg und Celle weit vorn in der Verbandsoberliga landen will. Das ist nicht unser Anspruch und nicht die Art wie wir Tischtennis im Verein leben wollen.
Frauen haben in MV aktuell keinen eigenen Punktspielbetrieb. Daher werden sie in die Herrenmannschaften integriert. Wie viele Damen sind in Ihren Mannschaften vertreten?
AW: Aktuell spielen bei uns 3 Damen. Wir finden es auch Schade, dass nicht mehr Frauen für den Tischtennissport zu begeistern sind. Der Trend ist aber nicht nur in MV zu beobachten, auch in anderen Bundesländern wird der Frauen- oder Mädchenbereich immer schwächer.
Seit der Saison 2014/15 ist Ihr Verein offizieller Nachwuchsleistungsstützpunkt des TTVMV. Das bedeutet sicherlich eine Menge Arbeit und Erfüllung von Auflagen.
AW: Eigentlich nicht wirklich. Für uns hat sich außer dem Titel nicht viel geändert. Zwar ist das Training seitdem einmal wöchentlich offen für Gäste, aber aufgrund der großen Entfernung kommen kaum mal Spieler aus anderen Vereinen. Einzelne Kontakte, die wir auch seit dieser Saison versuchen auszubauen bestehen zu den Vereinen in Stralsund und in Zinnowitz. Hier veranstalten wir regelmäßig am Wochenende kleinere Tageslehrgänge und tauschen uns so aus.
KL: Keine Verpflichtungen und Auflagen bedeutet aber eben leider auch, dass wir keine Vergünstigungen davon haben. Der Landesverband in Mecklenburg-Vorpommern ist leider finanziell so schwach, dass keinerlei organisierte Förderung mit dem Status des Stützpunktes einhergeht. Da Andreas und ich auch im Jugendausschuss des Landesverbandes vertreten sind, wissen wir leider ziemlich gut um die Probleme des Verbandes, eine gute Lösung ist aber leider aufgrund der fehlenden finanziellen Mittel nicht in Sicht.
Bastian Skopp ist eines Ihrer Aushängeschilder. Der 15-Jährige hat aktuell den Landesmeistertitel der Schüler inne, zudem ist er gleichzeitig Dritter in der Jugendkonkurrenz geworden.
KL: Bastian ist wohl aktuell der mit Abstand erfolgreichste Jugendspieler im Verein. Er wohnt mit seinen Eltern in Tribsees, was das regelmäßige Training schwer macht, da er zu den Trainingseinheiten gefahren werden muss. Im Sommer 2015 wollte Basti den nächsten „Karriereschritt“ machen und suchte einen neuen Verein. Seitdem erfreuen wir uns gemeinsam an Bastis Erfolgen und versuchen sofern es möglich ist, ihn auch schon seit mehreren Jahren im Erwachsenenbereich einzusetzen. Nur so sind im Land regelmäßig Spiele auf gutem Niveau überhaupt möglich. Das dies immer noch weit entfernt von der Talentförderung im Leistungssportbereich in anderen Bundesländern ist, sieht man immer wieder bei nationalen Wettkämpfen, bei denen Basti schon mehrmals das Land MV vertreten durfte. Zuletzt erreichte er beispielsweise einen fantastischen 40. Platz beim Top-48 Turnier der unter 15-Jährigen. Ein toller Erfolg, da fast alle anderen Teilnehmer im Turnier mehrmals täglich in den großen Leistungszentren der Republik trainieren.
Auch mit Dana Fereidouni haben Sie einen Landesmeister im Einzel. Wie sehen Sie seine Perspektiven?
AW: Dana hat im vergangenen Sommer sein Abitur erfolgreich abgeschlossen und studiert nun seit Oktober in Rostock. Trotzdem bleibt er uns aktuell, sofern es ihm seine Zeit erlaubt und er eine Transportmöglichkeit nach Greifswald findet, noch treu. Das freut uns und ist sicher in gewisser Hinsicht auch Lohn für den gelebten Zusammenhalt und die gute Stimmung im Verein. Wie es perspektivisch weitergeht, weiß wohl Dana aktuell selbst noch nicht, zumal zwischenzeitlich seine Familie in Wien lebt.
Der DTTB ist Ausrichter des „Girls-Team-Cup“, ein Angebot an Mädchen im Alter von 8-12 Jahren, die noch an keiner offiziellen TT-Veranstaltung teilgenommen haben. Ist das auch ein Thema für Sie?
AW: Damit haben wir uns zwar im Vorstand beschäftigt, es hat aus unserer Sicht aber keinen besonderen Mehrwert. Wir führen bereits einmal jährlich die Mini-Meisterschaften durch. Ein ähnliches Event unter der Schirmherrschaft des DTTB, dass sich an alle Kinder richtet, die an noch keiner offiziellen Veranstaltung teilgenommen haben. Und auch hier haben wir in den vergangenen Jahren sehr rückläufige Teilnehmerzahlen zu verzeichnen gehabt. Ein weiteres solches Angebot macht aus unserer Sicht aktuell keinen Sinn.
Wie sieht es derweil bei den Senioren aus? Zuletzt gewann ja Thomas Matzke einen 3. Platz bei den Norddeutsche Einzelmeisterschaften…
AW: Genau, seit einigen Jahren versuchen wir auch in diesem Bereich verstärkt Präsenz zu zeigen. Traditionell waren unsere Oldies schon immer recht erfolgreich, aber eben in den noch deutlich älteren Altersklassen Ü60 und älter (stellvertretend genannt seien hier: Heinz Spickermann, Klaus Beuster, Eckhard Zimmermann und Paul Kroll). Durch den Eintritt von beispielsweise Thomas Matzke und Martin Unterseher in das Seniorenalter (Ü40) haben wir inzwischen auch in diesen Klassen eine schlagkräftige Truppe und hoffen demnächst auf weitere Erfolge.
Bei Ihnen wird jeden Monat ein „Spieler des Monat“ geehrt. Das motiviert die Gekührten sicherlich noch einmal extra.
KL: Die Ehrung des Spielers des Monats war etwas, das Andreas und mir eingefallen ist. Wir wollten einen Anreiz oder eine Belohnung schaffen, die sich vor allem auch an Spieler abseits der ersten und zweiten Mannschaft richtet. Durch das TTR (Tischtennisranglisten)-Punkte System können vor allem Spieler der unteren Klassen, die auch mal in höheren Mannschaften als Ersatz aushelfen viele Punkte sammeln. Das wollten wir fördern und bisher kommt das auch bei den Mitgliedern gut an. Wir führen dies im Erwachsenen- und auch im Nachwuchsbereich durch. Gerade unser Nachwuchs freut sich ebenfalls über die monatliche Würdigung, übrigens bekommt der jeweilige Sieger einen kleinen Gutschein eines Tischtennismateriallieferanten.
Ein paar Blicke zum Fundamentalen: Löst das Thema Noppenspieler bei Ihnen auch Kontroversen aus?
AW: Eigentlich eher weniger. Wir haben einige Noppenspieler im Verein, aber ein kontroverses Thema war das für uns noch nie.
Eine der gravierendsten sportlichen Veränderungen der letzten Jahre war die Umstellung von Zelluloid auf Plastik. Ihr Nachwuchs hat sich sicherlich am schnellsten angepasst.
KL: Ich glaube einigen Nachwuchsspielern würde das gar nicht auffallen, wenn wir ab und zu nochmal einen alten Zelluloidball nehmen würden. Klar fällt das einem Spieler leichter, der nicht bereits 30 Jahre an den Zelluloidball gewöhnt war. Aber inzwischen kommen auch im Erwachsenenbereich alle damit klar, es gibt ja auch keine Alternative dazu.
Penholder oder Shakehand?
KL: Bei uns im Verein spielen alle bis auf eine Ausnahme Shakehand, nur zum Spaß am Ende des Trainings wird manchmal Penholder gespielt. Seit diesem Sommer haben wir aber einen Gaststudenten aus China, der mit seinem Penholdergriff so manchen Kreisligaspieler sehr verwirrt 😉
Zum Abschluss noch ein paar Worte zu Ihren vereinseigenen Projekten: Welche besonderen Vorhaben stehen in den kommenden Monaten an?
AW: Aktuell laufen die letzten Planungen für die Nachwuchs-Landesmeisterschaft. Mitte Dezember geht es dazu mit einer sehr großen Reisegruppe nach Parchim, wo die Meisterschaften in diesem Jahr stattfinden. Zuletzt fanden die Qualifikationen hierfür statt und glücklicherweise konnten sich viele der ins Rennen geschickten Spieler auch qualifizieren, sodass wir eine große Gruppe sind. Diese wird dann durch einige Eltern und sehr viele ehrenamtliche Trainer unterstützt. Eben ganz in unserem familiären Sinne, freuen wir uns sehr auf diese Veranstaltung und das ganze Wochenende, was damit einhergeht.
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für Sie und den 1. Tischtennisclub Greifswald
red