Para Segel-WM in Kiel: Alles fĂŒr die Paralympics 2024
Ein Titelverteidiger, viele Neuerungen und ĂŒber allem der groĂe Wunsch nach der RĂŒckkehr zu den Paralympics â fĂŒr die deutschen Segler wird die Weltmeisterschaft wĂ€hrend der Kieler Woche nicht nur wegen des bekannten Reviers besonders

Frechen, 16. Juni 2017. âIn erster Linie geht es bei der WM darum, prĂ€sent zu sein und zu zeigen, dass Segeln wieder paralympisch werden mussâ, sagt Lasse Klötzing, der bei den Weltmeisterschaften im vergangenen Jahr im Dreimann-Kielboot Sonar mit Jens Kroker und Siegmund Mainka FĂŒnfter geworden war. Damals folgten wenige Monate spĂ€ter die Paralympics â und die WettkĂ€mpfe am Zuckerhut waren die vorerst letzten der Para Segler bei den Spielen. In diesem Jahr findet die WM vom 20. bis 25. Juni wĂ€hrend der Kieler Woche in Deutschland statt â und im Fokus steht neben dem Kampf um Medaillen besonders die Zukunft der Sportart.
Nachdem Para Segeln fĂŒr 2020 aus dem paralympischen Programm gestrichen worden war, legte der Internationale Segel-Verband einen Strategieplan 2017-2020 vor, wie die Wiedereingliederung gelingen kann. Der Hauptpunkt: Mindestens 32 Nationen aus drei Kontinenten sollen am Wettbewerb teilnehmen â das war in der Vergangenheit nicht gegeben. Wenn Lasse Klötzing sich die Meldeliste anschaut, ist er positiv ĂŒberrascht: â47 Teilnehmer sind es in meiner Klasse, das ist ein groĂes, normales Feld.â Die Veranstalter der Kieler Woche teilten mit, dass mehr als 80 Sportler aus ĂŒber 40 Nationen kommen, darunter auch viele LĂ€nder, die bislang kaum Bezug zum paralympischen Segeln hatten.
Lasse Klötzing: Die Mona Lisa ins Wasser gemalt
Klötzing war vier Monate vor Rio aufgrund eines Krankheitsfalls in den Sonar gewechselt und ist nun wieder zurĂŒck im Einer: âIch habe mich sofort wieder wohlgefĂŒhlt. Ich will nicht sagen, dass es entspannter war, aber in dem Boot habe ich einfach viel mehr Trainingsstunden.â Ein Top-Ten-Platz wĂ€re fĂŒr ihn wĂŒnschenswert, nachdem der 25-JĂ€hrige 2015 bei seiner letzten Teilnahme im 2.4mR Achter geworden war. âMit diesem Ergebnis wĂ€re ich bei ihm sehr zufrieden, weil Lasse in letzter Zeit sehr stark ins Studium eingebunden warâ, sagt Nationaltrainer Bernd Zirkelbach ĂŒber den Maschinenbau-Studenten, der schon mit sechs Jahren im Opti mit dem Segeln begonnen hatte.
Wie alle anderen deutschen Segler kennt Klötzing die Kieler Förde gut â vor allem, weil er dort oft mit dem Nationalteam trainiert und 2014 medienwirksam eine bislang einmalige Aktion gebracht hat. Der gebĂŒrtige Berliner verband in rund 60 Kilometern und 88 Etappen mit einem Katamaran insgesamt 271 Navigationspunkte, sodass diese Ă€hnlich wie bei Malen-nach-Zahlen am Ende virtuell die weltberĂŒhmte Mona Lisa darstellten. Das GemĂ€lde von Leonardo da Vinci hatte er damals mit drei nichtbehinderten Crew-Mitgliedern absolviert, ein Beweis, dass Segeln wie kaum eine andere Sportart fĂŒr Inklusion steht. âVon auĂen sieht man auch nicht, ob ein Segler eine Behinderung hat oder nicht. Theoretisch kann sich jeder in das Boot reinsetzen und segeln, ich habe durch meine Behinderung nur ein paar Adaptionen oder Gimmicks, die mir das Ganze erleichternâ, sagt Klötzing, der mit 25 Jahren der jĂŒngste deutsche Teilnehmer ist.
Heiko Krögers Hoffnung auf die Titelverteidigung, Jens Kroker will ĂŒberraschen
Nationaltrainer Zirkelbach, der das Team mit Christian Bittner betreut, erwartet von seinen Seglern gute Ergebnisse, sagt aber auch: âEs wird sehr spannend werden, wie die anderen Nationen drauf sind, vor allem, weil nach den Paralympics viele aufgehört haben.â Bei Heiko Kröger, aktueller Weltmeister im 2.4mR, hofft Zirkelbach auf einen Platz auf dem Treppchen, wenngleich der Paralympics-Sieger von 2000 und Silbermedaillengewinner von 2012 nach den mit einem sechsten Platz enttĂ€uschend verlaufenden Paralympics in Rio bekanntgegeben hatte, kĂŒnftig weniger Wassertage haben zu wollen. In seinem Heimat-Revier Kiel wird er auf die gesamte Welt-Elite treffen.
Bernd Leopold KĂ€ther und Mathias Kortke malt Zirkelbach ebenfalls gute Chancen aus: âMathias Kortke ist schon lange dabei und hat das Zeug fĂŒr das vordere Drittel. Bernd Leopold KĂ€ther ist ein sehr erfahrener Segler und hat jetzt nach einem Schlaganfall wieder die Freude am Segelsport entdeckt.â
Die groĂe Ăberraschung in Kiel dĂŒrfte aus deutscher Sicht Jens Kroker werden, der 2008 Paralympics-Sieger im Sonar war und 2000 und 2012 Silber geholt hatte. Er wird bei der WM in der Hansa303 starten, neben der Weta eine von zwei neuen Bootsklassen im Strategieplan, nachdem der Sonar möglicherweise nicht mehr zukunftsfĂ€hig sein wird im Wettkampfprogramm. âWir haben extra spontan ein Boot angemietet, nachdem wir erst die Weta wolltenâ, erklĂ€rt Zirkelbach die plötzliche Umstellung, âJens Kroker ist schon viele Boote gesegelt, daher setzen wir da voll auf seine Erfahrung, ohne zu wissen, was andere Nationen fĂŒr Performances liefern können und was uns erwartet.â

Denn auch wenn Segeln 2020 erstmal nicht mehr im Paralympics-Programm ist, sieht Zirkelbach die WM schon als erste Möglichkeit, fĂŒr 2024 neue Dinge auszuprobieren. âDiese Testphase brauchen wir auch, da wir wissen mĂŒssen, welche zwei Bootsklassen fĂŒr Deutschland kĂŒnftig relevant sind. Drei erachte ich finanziell gesehen als nicht möglich.â Es dĂŒrfte also gleich aus mehreren GrĂŒnden spannend werden bei den Weltmeisterschaften im Para Segeln wĂ€hrend der Kieler Woche.
Quelle: Nico FeiĂt