Mecklenburg und Vorpommern im gesamtdeutschen Team 1964 üppig vertreten
Die sportlichen Blicke sind bereits auf die XXIII. Olympischen Winterspiele im Februar 2018 in Pyeongchang gerichtet, aber auch die Sommer-Sportlerinnen bzw. -Sportler streben bereits zu ihren Spielen in Asien, den XXXII. Olympischen Spiele der Neuzeit im Juli/August 2020 in Tokyo.
Tokyo, da gab es bereits vor 53 Jahren Olympische Spiele, die XVIII. Olympischen Spiele der Neuzeit.
Überschaubares Programm mit ebenso überschaubarem Teilnehmer-Feld
Damals, im Oktober 1964, war das Programm noch überschaubar, 163 Entscheidungen in 21 Sportarten, und auch die Teilnehmerzahl hielt sich im Rahmen, fast 5200 Athletinnen bzw. Athleten aus 93 Ländern. Dazu kamen noch olympische Demonstrations-Wettbewerbe im Baseball und im Budo. Die seinerzeit politisch noch getrennten Deutschen aus Ost und West starteten olympisch in einer gemeinsamen deutschen Mannschaft, die letztendlich 50 Medaillen erkämpfte, darunter zehn Goldene (10 x Gold, 22 x Silber, 18 x Bronze.) Das bedeutete im Medaillenspiegel Rang vier hinter den USA (36 x Gold, 26 x Silber, 28 x Bronze), der Sowjetunion (30 x Gold, 31 x Silber, 35 x Bronze) und Japan (16 x Gold, 5 x Silber, 8 x Bronze).
Ein Amerikaner und eine Tschechin am besten
Erfolgreichster Sportler war in Tokyo der amerikanische Schwimmer Donald Schollander. Zur besten Sportlerin 1964 avancierte die Turnerin Vera Caslavska aus der Tschechoslowakei mit dreimal Gold. Die Turnerin Larissa Latynina aus der Sowjetunion komplettierte ihre imposante Olympia-Medaillen-Sammlung (1956-1964) auch 1964 weiter (in Tokyo 1964: zweimal Gold, zweimal Silber, zweimal Bronze) auf neunmal Gold, fünfmal Silber, viermal Bronze.
Zehnmal Gold für das gesamtdeutsche Team
Die deutschen Goldenen 1964 erkämpften im Kanusport Roswitha Esser/Annemarie Zimmermann (Holzheimer SG Neuss) im Zweier-Kajak über 500 Meter bzw. Jürgen Eschert (ASK Vorwärts Berlin) im Einer-Canadier über 1000 Meter, in der Leichtathletik Karin Balzer (SC DHfK Leipzig) über 80 Meter Hürden bzw. Willi Holdorf (Bayer Leverkusen) im Zehnkampf, im Bahn-Radsport Lothar Claesges (RC Schmitter Köln), Karl-Heinz Henrichs (RV Radlerfreunde 1924 Bocholt), Karl Link (Stuttgarter SC) bzw. Ernst Streng (RC Schmitter Köln) mit dem Bahn-Vierer, im Reitsport Harry Boldt (RV Iserlohn) auf „Remus“, Dr. Reiner Klimke (RuF Gustav Rau, Telgte / RV St. Georg Münster) auf „Dux“ bzw. Dr. Josef Neckermann (RV Gravenbruch, Neu-Isenburg) auf „Antoinette“ mit der Dressur-Mannschaft bzw. Hermann Schridde (Celle) auf „Dozent“, Kurt Jarasinski (RuFV Ziethen) auf „Torro“ bzw. Hans Günter Winkler (RFV Warendorf) auf „Fidelitas“, im Rudern Peter Neusel, Bernhard Britting, Joachim Werner, Egbert Hirschfelder bzw. Jürgen Oelke (alle Berliner Ruder-Club) mit dem Vierer mit, im Segeln Wilhelm Kuhweide (Verein Segler-Verein am Wannsee, Berlin) im Finn Dinghi und im Wasserspringen Ingrid Engel-Krämer (SC Empor Rostock) im Kunstspringen.
Zwölf Medaillen 1964 „für M-V“
Ja, es gab 1964 aus MV-Sicht auch Olympia-Gold und insgesamt sogar zehn Medaillen (einmal Gold, neunmal Silber, zweimal Bronze) für Sportlerinnen und Sportler mit Geburtsort und/oder einem Verein im heutigen M-V.
So starteten in Tokyo 1964 Sportlerinnen und Sportler aus Mecklenburg und Vorpommern im Schwimmen, in der Leichtathletik, im Boxen, im Kanu-Rennsport, im Rudern, im Wasserspringen, im Fußball, im Segeln, im Fechten, im Wasserball und im Ringen.
Gold für Ingrid Engel-Krämer im Kunstspringen
Im Wasserspringen bestimmten damals die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den USA das Geschehen, erkämpften dreimal Gold (Lesley Bush im Damen-Turmspringen, Kenneth Sitzberger im Herren-Kunstspringen bzw. Robert Webster im Herren-Turmspringen), zweimal Silber, dreimal Bronze. Die Doppel-Olympiasiegerin von Rom 1960, die gebürtige Dresdnerin Ingrid Engel-Krämer, die 1964 für den SC Empor Rostock startete, wurde in der japanischen Hauptstadt Erste im Kunstspringen bzw. Zweite im Turmspringen. Christiane Lanzke, ebenfalls vom SC Empor Rostock, belegte im Turmspringen Rang fünf und im Kunstspringen Rang zehn.
Rostocker Quartett „kickte“ sich zu Bronze
Im Fußball kam das Rostocker Quartett Jürgen Heinsch, Herbert Pankau, Klaus-Dieter Seehaus bzw. Wolfgang Barthels (alles SC Empor Rostock / Anm.: Der FC Hansa Rostock gründete sich erst im Dezember 1965!) mit der (ost-)deutschen Olympia-Auswahl Dritte vor der Vereinigten Arabischen Republik und hinter Ungarn bzw. der Tschechoslowakei.
In der Olympia-Qualifikation 1963/64 war Heino Kleiminger ebenfalls vom SC Empor Rostock ein Leistungsträger in der (ost-)deutschen Fußball-Mannschaft. In Warschau, im Juni 1964, erzielte er beim sensationell hohen 4:1-Erfolg der DDR im Entscheidungsspiel der Olympia-Qualifikation gegen die damalige UdSSR auch ein Tor. Leider verletzte sich Heino Kleiminger im Vorfeld der Spiele und konnte somit leider nicht nominiert werden.
Zwei boxsportliche „Traktoristen“ mit guten Auftritten
Zwei Boxsportler des SC Traktor Schwerin waren in Tokyo 1964 ebenfalls im Ring. Die Ausscheidungskämpfe für die olympische Nominierung im gesamtdeutschen Box-Team 1964 wurden seinerzeit (Ende Mai 1964) im Sportpalast im Westteil Berlins und auf der Schweriner Freilichtbühne ausgetragen. Beim Olympia-Turnier unterlagen beide SCT-Faustkämpfer umstritten: Bruno Guse im Achtelfinale des Weltergewichts gegen Richardas Tamulis (Sowjetunion) und Jürgen Schlegel im Viertelfinale des Halbschwergewichts gegen Cosimo Pinto (Italien).
Das Weltergewicht entschied letztendlich Marian Kasprzyk aus Polen) vor Tamulis für sich. Im Halbschwergewicht triumphierte dann Schlegel-Bezwinger Cosimo Pinto.
Aus deutscher Sicht wurde Emil Schulz (1.FC Kaiserslautern/Boxen) Zweiter im Mittelgewicht, Hans Huber (BC Heros Regensburg) ebenfalls Zweiter aber im Schwergewicht und Heinz Schulz (ASK Vorwärts Berlin) Dritter im Federgewicht. Erfolgreichste Box-Staffel 1964 war die Sowjetunion mit dreimal Gold, viermal Silber, zweimal Bronze.
Von Seehof nach Tokyo auf die Fecht-Planche
Im Fechten überzeugte in der japanischen Metropole 1964 der gebürtige Seehofer Franz Rompza. Seehof gehört heute zum Amt Lützow-Lübstorf. Franz Rompza war damals Mitglied des TSB Heidenheim und nahm am olympischen Fecht-Turnier in den Degen-Entscheidungen teil. Dort wurde er mit dem deutschen Team Sechster und im Einzel Siebenter. Die Degen-Wettkämpfe in Tokyo endeten mit Erfolgen für Ungarn im Einzel durch Grigori Kriss und in der Mannschaft durch Gyözö Kulcsar, Istvan Kausz, Zoltan Nemere, Tamas Gabor und Arpad Barany. Auch im fechtsportlichen Medaillenspiegel 1964 war Ungarn mit viermal Gold am erfolgreichsten.
Zweimal Leichtathletik-Silber für Mecklenburgerinnen
Auch in der Leichtathletik ging es 1964 hochklassig und spannend zu. Die USA (vierzehnmal Gold, siebenmal Silber, dreimal Bronze), die Sowjetunion (fünfmal Gold, zweimal Silber, elfmal Bronze) und Großbritannien (viermal Gold, siebenmal Silber, einmal Bronze) bestimmten das Geschehen im Laufen, Werfen, Stoßen und Springen. Ein Äthiopier schrieb hingegen Marathon-Geschichte.
Als erstem Marathonläufer der Welt gelang es Abebe Bikila seinen Olympiasieg zu wiederholen. Bereits 1960 hatte er Gold geholt. Sechzehn Jahre später gelang dieses „olympische Marathon-Kunststück“ erneut einem Läufer. Waldemar Cierpinski (SC Chemie Halle) siegte sowohl in Montreal 1976 als auch in Moskau 1980.
Beim denkwürdigen olympischen Marathonlauf 1964 war indes ebenfalls ein Rostocker am Start. Heinrich Hagen vom SC Empor Rostock wurde 24.. Den 3000 Meter-Hindernislauf war hingegen eine Angelegenheit für den Belgier Gaston Roelants, wobei Rainer Dörner vom SC Empor Rostock in seinem Vorlauf Rang sechs belegte und leider nicht den Final-Lauf schaffte. Eine Läuferin vom SC Traktor Schwerin durfte sich jedoch über den Final-Einzug freuen: Gertrud Schmidt wurde dort Siebente – Olympia-Gold errang die Australierin Betty Cuthbert.
Fünfter wurde der gebürtige Sundhagener Hans-Ulrich Schulz (zeitweise SV „Wissenschaft“ Greifswald, zusammen mit Jörg Jüttner, Johannes Schmitt bzw. Manfred Kinder) über die 4 x 400 Meter.
Auf Platz sechs sprang Dr. Manfred Hinze ebenfalls vom SC Empor Rostock – in der Disziplin Dreisprung, die vom Polen Jozef Szmidt gewonnen wurde. Sogar eine Medaille gab es 1964 in der Leichtathletik für den SC Empor Rostock: Renate Garisch-Culmberger erreichte Silber im Kugelstoßen, hinter Tamara Press aus der Sowjetunion. Christian Voigt, 1943 in Stolpe geboren und für den SC Dynamo Berlin startend, nahm in Tokyo 1964 hingegen über die 110 Meter Hürden teil.
Für eine weitere Medaille aus „M-V-Sicht“ sorgte Ingrid Lotz mit Silber im Frauen-Diskuswerfen. Auch Ingrid Lotz rangierte hinter der leichtathletischen „Multi-Technikerin“ Tamara Press aus der SU… Der Geburtsort von Ingrid Lotz ist übrigens Malliß im heutigen Landkreis Ludwigslust-Parchim.
Rostocker Ringer-Duo mit einmal Bronze
Im Klassik-Ringen startete 1964 auch ein Duo vom ASK Vorwärts Rostock: Rudolf Vesper im Weltergewicht und Lothar Metz im Mittelgewicht. Lothar Metz holte nach Silber 1960 in Tokyo 1964 Bronze. Rudolf Vesper verpasste leider eine Medaille. Dafür hatten die beiden Ringer 1968 in Mexico-City olympische Goldmedaille. Beide erkämpften in der mexikanischen Metropole 1968 den Olympiasieg in ihren Gewichtsklassen. Die meisten Goldmedaillen im Ringen 1964 erkämpfte Japan mit fünf.
Schwimmsportliche Silber-Momente für Frank Wiegand und Egon Henninger
Im Schwimmen qualifizierten sich drei Sportlerinnen vom SC Empor Rostock, eine Sportlerin vom ASK Vorwärts Rostock und vier Sportler vom ASK Vorwärts Rostock für Olympia 1964: Helga Zimmermann, Rita Schumacher, Jutta Wanke (alle SC Empor Rostock) bzw. Bärbel Grimmer und Frank Wiegand, Klaus Katzur, Egon Henninger bzw. Peter Sommer (Ersatz-Schwimmer, alle ASK Vorwärts Rostock).
Die Ausbeute konnte sich dabei sehen lassen. Frank Wiegand kam zu dreimal Silber über die 400 Meter Freistil, die 4 x 100 Meter Freistil (zusammen mit Horst Löffler, Uwe Jacobsen sowie Hans-Joachim Klein) bzw. die 4 x 200 Meter Freistil (zusammen mit Horst-Günther Gregor, Gerhard Hetz sowie Hans-Joachim Klein) und Egon Henninger erschwamm Silber über die 4 x 100 Meter Lagen (zusammen mit Ernst-Joachim Küppers, Horst-Günther Gregor sowie Hans-Joachim Klein).
Es siegten in den drei Herren-Schwimm-Staffeln jeweils die USA. Beste Schwimm-Nation 1964 war die USA mit dreizehnmal Gold, achtmal Silber, achtmal Bronze.
„M-V“-Trio im silbernen Deutschland-Achter
Im Rudern dominierten 1964 dagegen drei Länder: die USA mit zweimal Gold, einmal Silber, einmal Bronze, die Sowjetunion mit zweimal Gold und das gesamtdeutsche Team mit einmal Gold, zweimal Silber, einmal Bronze.
Ein Trio vom ASK Vorwärts Rostock war dabei im Zweier mit aktiv: Günter Bergau, Peter Gorny und Karl-Heinz Danielowski belegten 1964 Rang sieben. Zum Olympiasieg im Zweier mit ruderten Edward Ferry, Conn Findley bzw. Henry Mitchell aus den USA.
Rudersportliche Silber-Momente gab es allerdings für drei andere Ruderer mit „Mecklenburg-Vorpommern-Hintergrund“, für den gebürtigen Neustrelitzer Klaus Aeffke (Ratzeburger RC), den gebürtigen Tutower Karl-Heinrich von Groddeck (RG Wiesbaden-Biebrich 1888) und für den gebürtigen Neubrandenburger Hans-Jürgen Wallbrecht (Ratzeburger RC), die mit dem Deutschland-Achter die Silbermedaille hinter den USA erkämpften.
Ein Rostocker in Düsseldorfer „Kanu-Diensten“
Im Kanu-Rennsport stellten 1964 die Sowjetunion (dreimal Gold, einmal Bronze), die gesamtdeutsche Mannschaft (zweimal Gold, einmal Silber, einmal Bronze) und Schweden (zweimal Gold) die besten Sportlerinnen bzw. Sportler. Der gebürtige Rostock Erich Suhrbier (WSV Rheintreue Düsseldorf) wurde beim Sieg des Schweden Rolf Peterson im Einer-Kajak über 1000 Meter Vierter.
Silberner Drache vom SC Empor Rostock
Olympisch gesegelt wurde 1964 außerdem, wobei das Segelrevier in der Bucht von Enoshima auch „Besuch“ aus Rostock hatte. In der Drachen-Klasse belegten Peter Ahrendt, Wilfried Lorenz bzw. Ulrich Mense (SC Empor Rostock) Rang zwei hinter Ole Berntsen, Christian von Bülow bzw. Ole Poulsen aus Dänemark. Eberhard Reschwamm bzw. Dietmar Gedde (ASK Vorwärts Rostock) erreichten in der Klasse Flying Dutchman Rang dreizehn – Gold errangen dort Helmer Pedersen und Earle Wells aus Neuseeland. Des Weiteren war der gebürtige Schweriner Herbert Hüttner (ASK Vorwärts Rostock) olympischer Ersatz-Segler 1964.
Rostock 1964 auch im Wasserball aktiv
Im olympischen Wasserball-Turnier von Tokyo 1964 hatte Rostock ebenfalls einen Sportler: Peter Schmidt vom ASK Vorwärts Rostock. Das Turnier gewann Ungarn vor Jugoslawien, der Sowjetunion, Italien, Rumänien und der gesamtdeutschen Auswahl.
… Mal schauen, wie viele Sportlerinnen und Sportler aus Mecklenburg-Vorpommern dann 2020 die Qualifikation für Tokyo schaffen werden? Große Chancen gibt es dafür, wie bereits 1964, im Segeln, im Rudern, in der Leichtathletik, im Boxen und im Kanu-Rennsport. Vielleicht ist sogar 2020 auch Edelmetall für M-V möglich…
Marko Michels