WM im Gewichtheben 2017 fast „im Winter“/Traditionsreich: Das Gewichtheben in M-V
Weltmeisterlich ziemlich spät dran sind in diesem nacholympischen 2017 die Gewichtheberinnen und Gewichtheber. Deren Welt-Titelkämpfe, mithin die 83.Auflage, werden erst vom 28.November 2017 bis 5.Dezember 2017 stattfinden.
Ursprünglich war das malaysische Penang als Austragungsort vorgesehen, dass sich jedoch 14 Monate vor den WM 2017 außerstande sah, die WM durchzuführen.
Seit 1891 weltmeisterlich
Bereits seit 1891 werden offizielle Weltmeisterschaften im Gewichtheben veranstaltet. Damals, in London, stand nur eine Entscheidung auf dem Programm – der Achtkampf. Der Brite Edward Levy erkämpfte seinerzeit den ersten offiziellen WM-Titel im Gewichtheben.
Die Gewichtheberinnen mußten auf weltmeisterliche Ehren noch weitere 96 Jahre warten. Erst 1987 in Daytona Beach wurden die ersten Weltmeisterinnen im Gewichtheben ermittelt. Olympisch ist das Gewichtheben seit den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit, seit 1896 in Athen – allerdings zunächst nur für die Herren. Erst seit den Olympischen Spielen 2000 in Sydney dürfen sich auch die Frauen im olympischen Gewichtheben beweisen.
Erfolgreichste Länder in der WM-Historie des Gewichthebens (Mehrkämpfe) zwischen 1891 und 2015 sind Russland (mit SU) mit 393 Medaillen (188 x Gold), China mit 277 Medaillen (165 x Gold), Bulgarien mit 224 Medaillen (79 x Gold), Deutschland mit 148 Medaillen (31 x Gold) und die USA mit 117 Medaillen (39 x Gold) bzw. Polen mit ebenfalls 117 Medaillen (29 x Gold).
In den letzten mehr als vier Jahrzehnten litt der Ruf des Gewichthebens, wie auch anderer olympischer Sportarten, aufgrund der Vielzahl der Dopingfälle. Das Interesse bei Sportfans und Zuschauern an dieser traditionsreichen Sportart ging spürbar zurück. Inzwischen gibt es ein gewisses „Gegensteuern“ der internationalen und nationalen Fachverbände. Es wird sich in den nächsten Jahren zeigen, ob das Gewichtheben die negativen Schlagzeilen hinter sich lassen kann.
EM 2017 mit russischer Dominanz
Bei den vorerst letzten Europameisterschaften im April 2017 in Split dominierte im olympischen Zweikampf der Frauen bzw. Herren Russland mit 5 x Gold, 4 x Silber, 2 x Bronze vor Rumänien mit 2 x Gold, 2 x Silber, 3 x Bronze, Frankreich mit 2 x Gold, der Ukraine mit 1 x Gold, 4 x Silber und Armenien mit 1 x Gold, 1 x Silber, 3 x Bronze. Die 48 EM-Medaillen verteilten sich insgesamt auf 18 Länder, die 16 Titel auf 10 Staaten.
Für das deutsche Team in Split gab es im olympischen Zweikampf Bronze durch Robert Joachim in der Gewichtsklasse bis 69 Kilogramm. Weitere Top Acht-Platzierungen im olympischen Zweikampf erreichten bei den EM 2017 aus deutscher Sicht Max Lang (Fünfter, bis 77 Kilogramm), Tom Schwarzbach (Fünfter, bis 85 Kilogramm), Michael Müller (Siebenter, auch bis 85 Kilogramm), Jürgen Spieß (Fünfter, bis 94 Kilogramm) und Nina Schroth (Sechste, bis 90 Kilogramm).
Das olympische Gewichtheben 2016 im Rückspiegel
Vor genau 12 Monaten, im August 2016, fanden übrigens noch die olympischen Konkurrenzen im Gewichtheben in Rio statt. Die olympische Medaillen-Wertung im Gewichtheben 2016 gewann China mit sieben Medaillen (5 x Gold) vor Kasachstan mit fünf Medaillen (1 x Gold), Thailand mit vier Medaillen (2 x Gold) und Nordkorea mit vier Medaillen (2 x Gold). Bei den Frauen waren China (3 x Gold) bzw. Thailand (2 x Gold, 1 x Silber) am besten und bei den Herren hatten ebenfalls China (2 x Gold, 2 x Silber) bzw. der Iran (2 x Gold) die führende Position inne.
Aus deutscher Sicht belegten in Rio Sabine Kusterer (bis 58 Kilogramm), Nico Müller (bis 77 Kilogramm) sowie Jürgen Spieß (bis 105 Kilogramm) jeweils zehnte Ränge. In der Gewichtsklasse über 105 Kilogramm schafften Alexej Prochorow und Almir Velagic die Ränge sechzehn bzw. neun. 260 Gewichtheberinnen und Gewichtheber aus 94 Ländern waren in Rio am Start, 21 Nationen holten Medaillen, darunter neun Staaten eine oder mehrere Goldmedaillen.
Die vorerst letzten WM in Houston 2015: Starkes China auch dort
China war auch schon bei den vorerst letzten WM im Gewichtheben, 2015 in Houston, am besten. Das Duell Europa gegen Asien endete bei diesen WM in den höchsten Gewichtsklassen der Damen und Herren zudem mit 1:3 aus europäischer Sicht. Die Chinesin Kang Yue triumphierte in der Gewichtsklasse bis 75 Kilogramm und die Russin Tatjana Kaschirina war in der Gewichtsklasse über 75 Kilogramm die Beste. Bei den Herren jubelte der Kasache Alexander Zaichikow in der Gewichtsklasse bis 105 Kilogramm und „der Stärkste der Starken“ wurde der Georgier Lasha Talakhadze in der Gewichtsklasse über 105 Kilogramm.
Asien am besten
Ansonsten war jedoch der asiatische Kontinent bei den WM im Gewichtheben 2015 wieder einmal dominierend. In den fünfzehn Entscheidungen im olympischen Zweikampf avancierte China mit 6 x Gold, 4 x Silber zur Top-Nation vor Russland mit 2 x Gold, 3 x Silber, 3 x Bronze, Kasachstan mit 2 x Gold, 1 x Silber, 1 x Bronze, Nordkorea mit 1 x Gold, 1 x Silber, 2 x Bronze und Taiwan mit 1 x Gold, 1 x Bronze, wobei es bei diesen WM auch wieder einige Dopingfälle gab.
Asien erkämpfte dabei 29 der 45 Medaillen im olympischen Zweikampf, gefolgt von Europa mit 13 Medaillen, dem amerikanischen Doppelkontinent mit 2 Medaillen (Silber durch Francisco Mosquera und Bronze durch Oscar Figueroa jeweils in der Gewichtsklasse bis 62 Kilogramm) und Afrika mit einer Medaille (Silber durch Mohamed Ihab aus Ägypten in der Gewichtsklasse bis 77 Kilogramm). Zwölf der fünfzehn WM-Titel im olympischen Zweikampf gingen ebenfalls an asiatische Sportlerinnen und Sportler.
Europa mit nur dreimal Gold
Für Europa gab es „goldene Momente“ nur durch Artem Okulow aus Russland (bis 85 Kilogramm), Vadzim Straltsou aus Weissrussland (bis 94 Kilogramm) und Tatjana Kaschirina aus Russland (über 75 Kilogramm).
Deutsches Team ohne Medaille
Die deutschen Athletinnen und Athleten konnten leider nicht in die Medaillen-Entscheidungen eingreifen. Der gebürtige Stralsunder Robby Behm wurde Sechzehnter in der Gewichtsklasse bis 105 Kilogramm mit der Leistungen von 375 Kilogramm im olympischen Zweikampf (persönliche Bestleistung).
Gewichtheben und M-V
Gewichtheben und MV – das waren zwischen 1970 und 1996 auch oftmals sportliche Erfolgsgeschichten.
Insbesondere aus den Reihen der Stralsunder Gewichtheber (Motor / TSV 1860) gingen bereits eine Reihe von Weltklasse-Athleten hervor, so unter anderem Helmut Losch, Jürgen Heuser und Andreas Behm. Losch, 1947 in Barth geboren und 1963 mit dem Gewichtheben in Stralsund beginnend, war bereits 1971 WM-Erster im Stoßen. Bei Olympia 1972 in München wurde er Vierter. Seinen größten Erfolg – Helmut Losch wurde 1972/73 auch Vize-Europameister – feierte der Wahl-Stralsunder bei Olympia 1976 in Montreal: Helmut Losch holte dort Bronze!
Jürgen Heuser, auch BSG Motor Stralsund, Jahrgang 1953, in Barth, wie Losch, geboren, feierte seinen größten Triumph in Moskau 1980. Dort erkämpfte er die olympische Silbermedaille. 1974 war er bereits WM-Dritter, 1975 WM-Vierter und 1978 gar Zweikampf-Weltmeister.
Vier Jahre später sorgte dann ein weiterer Stralsunder für viel internationale Furore: Der 1962 in der Weltkulturerbe-Stadt geborene Andreas Behm errang sowohl bei den EM als auch bei den WM anno 1982 die Silbermedaillen.
Im Leichtgewicht gab es als “Zugabe” 1985/86 die europäischen Titel. Ein Jahr später, 1987, gewann Behm erneut die Vize-Weltmeisterschaft. Höhepunkt seiner sportlichen Karriere ist aber die Bronzemedaille bei Olympia 1992. Bei den Spielen 1996 in Atlanta wurde er dann Zehnter im Leichtgewicht. Udo Guse (Motor Stralsund / TSV 1860 Stralsund) konnte hingegen bei den 1992er Spielen Platz sieben im ersten Schwergewicht belegen.
Eine Troika aus Rostock und Schwerin konnte zudem bei den olympischen Gewichtheber-Wettkämpfen beachtliche Erfolge vorweisen. Der gebürtige Schweriner Jürgen Ciezki wurde in Montreal 1976 Fünfter, dessen „Stadtkollege“ Marco Spanehl kam 16 Jahre später, 1992 in Barcelona, auf Rang dreizehn und auch ein gebürtiger Rostocker soll in dieser „Auflistung“ nicht fehlen: Mario Kalinke war 1996 in Atlanta aktiv und wurde Neunter.
Das alles ist jedoch Gewichtheber-Historie – Ende November 2017 beginnen die aktuellen WM.
Marko Michels