„Auf dem Meer hat man ein ganz eigenes GefĂŒhl von Freiheit…“

Der Rostocker Kanusportler Gordan Harbrecht ĂŒber Vergangenes und Kommendes im Surfski 2018/19

Der gebĂŒrtige Schweriner Peter Kretschmer (SC DHfK Leipzig) hatte 2018 viel Grund zum Jubeln. Im Canadier-Zweier gewann er zusammen mit Yul Oeltze jeweils Gold bei den EM und WM  ĂŒber die 1.000 Meter. Nicht minder gut lief es fĂŒr Gordan Harbrecht vom Rostocker KC. Das ehemalige Mitglied der Kanurennsport-Nationalmannschaft hat derweil umgesattelt – vom Rennkajak auf den Surfski. Über die Faszination am Surfski, sein Wettkampfjahr 2018 und kommende Herausforderungen erzĂ€hlt er im Interview.

Gordan Harbrecht auf seinem Surfski. FOTO: © Mathias Rövensthal

Interview

„Auf dem Meer hat man ein ganz eigenes GefĂŒhl von Freiheit…“

Frage: Gordan, vom ambitionierten Kanu-Rennsportler hast Du Dich mittlerweile zum erfolgreichen Surf Ski-Athleten entwickelt… Was waren die BeweggrĂŒnde? Was fasziniert Dich am Surf Ski?

Gordan Harbrecht: Bis 2016 war ich Teil der deutschen Kanurennsport-Nationalmannschaft und habe mich als Sportsoldat quasi beruflich auf die olympischen 1000 Meter konzentriert. Nebenbei bin ich zu Hause in Rostock schon seit 2012 regelmĂ€ĂŸig im Surfski unterwegs und habe das ziemlich monotone Flachwassertraining durch Einheiten auf der Ostsee im Surfski aufgelockert. Auf dem Meer, in den Wellen, hat man ein ganz eigenes GefĂŒhl von Freiheit, das hat mich von Anfang an fasziniert.

Beim Oceansport gilt es, die Kraft des Meeres fĂŒr sich zu nutzen. Neben der reinen Physis kommt es also auf die Technik an. Die FĂ€higkeiten, das Wasser zu lesen und die Wellen fĂŒr sich zu nutzen, ja richtig zu surfen, sind rennentscheidend.

Nachdem sich der Vierer, in dem ich 2015 gepaddelt bin, nicht fĂŒr Olympia 2016 qualifizieren konnte, habe ich die Sportfördergruppe der Bundeswehr verlassen und mich zunĂ€chst einmal auf mein Maschinenbau-Studium konzentriert. Parallel verbrachte ich seit 2016 jedoch viel Zeit im Surfski auf dem Meer und feierte schnell Erfolge. Im Jahr 2017 konnte ich nicht nur mein Studium beenden, sondern auch den neunten Platz bei den WM in Hongkong und Weltranglisten-Platz sieben erreichen.

Mittlerweile bin ich in Europas Spitze etabliert und habe mit dem #TeamOceanRacingRostock ein regionales Sponsoren-Team gegrĂŒndet – optimale Voraussetzungen fĂŒr ein hoffentlich erfolgreiches 2019.

Zum Surfski allgemein: Der Surfskisport ist ein großer Trend innerhalb das Kanusports und wird mit stetig wachsenden Teilnehmerfeldern auf der ganzen Welt in Zukunft eine immer stĂ€rkere Rolle einnehmen.

Frage: Wie verlief das Wettkampfjahr 2018 fĂŒr Dich? Was waren die Highlights?

Gordan Harbrecht: Dieses Jahr war meine erfolgreichste Saison. Ich konnte bei den Weltcups in Frankreich, Holland und Portugal zwei zweite und einen fĂŒnften Platz erreichen.

Bei den Europameisterschaften in Spanien wurde ich mit knappen Acht-Sekunden- RĂŒckstand ĂŒber 20 Kilometer Vize-Europameister. Highlights waren noch ein dritter Platz in Irland, ein Rennen bei dem ich Hank McGregor, eine Legende des Sports, auf den vierten Platz verweisen konnte, und ein sechster Platz in Hongkong, mit Wellen so groß wie EinfamilienhĂ€user.

Frage: Welche Ziele hast Du fĂŒr 2019?

Gordan Harbrecht: FĂŒr 2019 sindmein Hauptziel die Weltmeisterschaften im September in Frankreich. Auf dem Weg dorthin gibt es wieder eine Reihe großer und wichtiger Rennen auf der ganzen Welt, mit Weltcup-Rennen in Portugal, Mauritius und Tahiti, um nur einige Wettkampf-Orte zu nennen. Ich werde 2019 bei mehr als fĂŒnfzehn Rennen am Start sein und möchte möglichst oft auf das Podest paddeln…

Frage: Wie beurteilst Du rĂŒckblickend das Wettkampfgeschehen im Kanurennsport 2018?

Gordan Harbrecht: Das Wettkampf-Geschehen im Kanurennsport verfolge ich natĂŒrlich nach wie vor sehr interessiert, schließlich habe ich dort auch einige Freunde, mit denen ich teilweise unzĂ€hlige Kilometer gemeinsam gepaddelt bin. Speziell fĂŒr die Kajak-Herren war es eine sehr erfolgreiche Saison und auch die jungen Wilden sind schon mit super Leistungen zur Stelle. Mit insgesamt sieben Gold-, vier Silber- und zwei Bronzemedaillen konnte der Deutsche Kanuverband bei den WM in Portugal als stĂ€rkster Verband den Medaillenspiegel gewinnen.

Sehr schön war, dass dieses Jahr mit Max Hoff und Max Rendschmidt auch zwei unserer Top-Kajak-Herren aus dem Flachwasser zur Deutschen Meisterschaft im Surfski an die Ostsee gekommen sind. Bei circa 1,5 Meter hohen Wellen hatten die beiden Olympiasieger von 2016 natĂŒrlich ziemlich zu kĂ€mpfen und kamen auf fĂŒr sie ungewohnte Platzierungen im Mittelfeld ins Ziel. Dieses verdeutlicht anschaulich, dass der Oceansport spezielle Athleten erfordert, die regelmĂ€ĂŸig auf dem Meer trainieren.

Letzte Frage: Was ist eigentlich Dein Ausgleich zum Kanu-Sport?

Gordan Harbrecht: Als Ausgleich zum Sport fallen mir unzĂ€hlige Dinge ein. Neben meiner Teilzeit-Arbeit als Laboringenieur verbringen meine Verlobte Katharina, unsere Bulldogge Bruce und Ich unsere Freizeit am liebsten draußen, an und auf dem Wasser. DafĂŒr bietet Rostock unzĂ€hlige Möglichkeiten, ein Grund, weshalb ich diese Stadt so liebe. Nach einem harten Trainingstag gibt es aber nichts Besseres als Couch, leckeres Essen und manchmal ein Glas Wein…

Vielen Dank, dann einen optimalen Jahreswechsel und maximale Erfolge 2019!


Symbolfoto – Kanusport

Exkurs

Blick in die Kanurennsport-Historie von M-V

In den letzten fĂŒnf Jahrzehnten war der Kanurennsport in M-V eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Kanutinnen und Kanuten aus unserem Bundesland konnten zwischen 1972 und 2012 15 olympische Goldmedaillen, 3 Silbermedaillen und 7 Bronzemedaillen gewinnen.

Bei Weltmeisterschaften erkĂ€mpften Kanu-Sportler aus M-V sogar fast 70 WM-Titel. Den Ersten errang dabei 1971 Alexander Slatnow. Aber auch Namen wie Carola Zirzow, Anke Nothnagel (verheiratete von Seck), Ramona Portwich, Roswitha Eberl, Bernd Olbricht, RĂŒdiger Helm, Olaf Winter, Andreas Dittmer oder Martin Hollstein sprechen fĂŒr sich.

Am erfolgreichsten waren indes Ramona Portwich (Rostock – 3 x Gold, 2 x Silber bei den Olympischen Spielen 1988/96; 13 x Gold, 2 x Silber, 1 x Bronze bei den WM 1987/1995), Andreas Dittmer (Neustrelitz/Neubrandenburg – Olympia 1996-2004: 3 x Gold, 1 x Silber, 1 x Bronze), Anke von Seck (Rostock – Olympia 1988/92: 3 x G / 1 x S)  und RĂŒdiger Helm (Neubrandenburg – Olympia 1976/80: 3 x G / 3 x B).

Martin Hollstein  – von Gold 2008 zu Bronze 2012

Erfolgskanuten des SC Neubrandenburg: Martin Hollstein, Andreas Dittmer und Thomas LĂŒck. Archiv-Foto: M.Michels

Mit Olympia-Gold 2008 setzte Martin Hollstein (SC Neubrandenburg) diese Erfolgstradition fort. In London 2012 konnte er noch einmal mit Partner Andreas Ihle (SC Magdeburg) im Kajak-Zweier ĂŒber 1000 Meter Bronze holen. In einer Zeit von 3:10,117 Minuten ließen Martin und Andreas auf dem Dorney Lake in Eton nur der Konkurrenz aus Ungarn (Rudolf Dombi/Roland Kökeny – 3:09,646 Minuten) und aus Portugal (Fernando Pimenta/Emanuel Silva – 3:09,699 Minuten) den Vortritt.

Diese Bronzemedaille ist damit die einzige Olympia-Medaille aus 2012, die eine Athletin oder ein Athlet fĂŒr MV erkĂ€mpfte. Die Goldmedaille, die der gebĂŒrtige Schweriner Peter Kretschmer im Canadier-Zweier (1000 Meter) zusammen mit Kurt Kuschela erkĂ€mpfte, ging hingegen nach Brandenburg. So startete Kretschmer seinerzeit fĂŒr den KC Potsdam. Die beiden DKV-Athleten distanzierten in London die Teams aus Weißrussland, Russland, Aserbaidschan, Tschechien, Kuba, RumĂ€nien und China.

M-V-Kanuten „mit anderen Flaggen“

FĂŒr andere LĂ€nder waren Mecklenburgerinnen und Vorpommern ebenfalls erfolgreich… Die 1969 in Waren/MĂŒritz geborene Katrin Borchert, die zunĂ€chst fĂŒr den SC Neubrandenburg startete und bei den Spielen 1992 Kanurennsport-Silber, mit Birgit Fischer, Anke von Seck und Ramona Portwich gewann, wanderte Mitte der 1990er Jahre nach Australien aus und startete danach fĂŒr „Down Under“ bei den Olympischen Spielen. So erkĂ€mpfte Katrin Bronze bei den Spielen 1996 mit Anna Wood mit dem Zweier-Kajak ĂŒber 500 Meter und bei den Spielen 2000 Bronze im Einer-Kajak ĂŒber 500 Meter.

Greifswalder fĂŒr U.S.-Team aktiv

Zwar nicht zu den „KĂ€ngurus“, dafĂŒr aber zu „Uncle Sam“ zog es einen Greifswalder 
 Bei den Olympischen Spielen in Mexiko-City 1968 nahm Peter Weigand (Jahrgang 1941) „unter dem Sternenbanner“ an den olympischen Wettbewerben teil. FĂŒr das US-Team startete Weigand mit seinem Sportkollegen Paul Beachum im K 2 ĂŒber 1.000 Meter.

Text und Interview: M. Michels

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