Die Taekwondoka Helena Stanek über den Weg zu „Ihrer“ Sportart und neue Herausforderungen
Taekwondo hat in Mecklenburg-Vorpommern zwar noch längst nicht die Bedeutung bzw. den Stellenwert wie andere Kampfsportarten, zum Beispiel Boxen, Ringen oder Judo, erfreut sich jedoch auch im deutschen Nordosten zunehmender Beliebtheit. So sind Rostock, Greifswald, Güstrow, Bergen, Stralsund, Parchim, Wismar und Anklam als die hiesigen Hochburgen in dieser so traditionsreichen Sportart anzusehen. Eine bekannte und erfolgreiche Taekwondoka ist Zahra Soltani vom Budo-Verein Anklam.
Seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten, seit 2000 in Sydney, ist Taekwondo olympisch. Für deutsche Athletinnen und Athleten gab es bei den Spielen allerdings erst zwei Medaillen. Silber durch Faissal Ebnoutalib im Mittelgewicht der Herren (2000) und Bronze durch Helena Fromm (verheiratete Stanek) im Mittelgewicht der Frauen (2012).
Insbesondere der olympische Medaillen-Erfolg von Helena Stanek, heutige Referentin für Medien und Marketing bei der Deutschen Taekwondo Union, pushte den Taekwondo-Sport in Deutschland. Die 31-Jährige ist zudem Autorin des Buches „Ready to fight: Füße, Hände, Geist – Taekwondo leben und fühlen“, in dem sie dem Leser ihre Leidenschaft für Taekwondo erklärt und zugleich ihre Sportart näher vorstellt.
Interview
Helena Stanek über ihren Weg zum Taekwondo, das Ende ihrer leistungssportlichen Karriere, die Bedeutung Olympias, die WM 2019 und ihre neuen Herausforderungen als Mutter und Referentin bei der DTU
„Das wollte ich auch können…“
Frage: Sie sind eine leidenschaftliche Taekwondoka. 2017 beendeten Sie Ihre sportliche Karriere. Vermissen Sie nicht ein wenig die leistungssportlichen Herausforderungen?
Helena Stanek: Ich hatte eine wirklich schöne Zeit im Leistungssport. Allerdings bin ich aber jetzt froh, ein „neues“ Leben zu haben, in dem der Leistungsgedanke nicht mehr vorrangig ist. Ich setze mir andere Herausforderungen, die das alltägliche Leben – mit zwei Kindern und einem Beruf – jeden Tag mit sich bringt.
Frage: Zurückgeblickt… Wann gab es den Moment für Sie, als Sie wußten: „Taekwondo ist mein Sport!“…?
Helena Stanek: Eigentlich war ich von Beginn an begeistert von der Sportart. Ich sah als kleines Mädchen die älteren Sportler so schnell und hoch kicken, da habe ich mir gesagt: „Das will ich auch können!“. Anfangs habe ich nebenher noch Fußball und Klavier gespielt, was immer ein guter Ausgleich war. Aber irgendwann war das zu viel und ich musste mich für einen Sport entscheiden. Letztlich war ich im Taekwondo am erfolgreichsten, darum fiel die Entscheidung leicht.
Frage: Sie erlebten ja viele Highlights in Ihrer Karriere, so unter anderem im Elite-Bereich einmal Olympia-Bronze (2012), zweimal WM-Bronze (2007 und 2011) und EM-Gold 2008. Was war für Sie der schönste und nachhaltigste Erfolg?
Helena Stanek: Der nachhaltigste Erfolg ist ohne Zweifel die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in London. Erst mit einer olympischen Medaille schafft man national, in Deutschland, ein wenig Aufmerksamkeit, wo doch so sehr der Fußball vorherrscht. Auch nachdem der erste Trubel vorbei war, blieb das Interesse an mir, als Medaillengewinnerin bei Olympischen Spielen, hoch.
Der schönste Erfolg war für mich persönlich jedoch der Gewinn der Goldmedaille bei der EM 2008, weil ich hier im Finale meiner Gegnerin Glawdys Epangue aus Frankreich gegenüber stand, gegen die ich mir sieben Monate zuvor das Kreuzband gerissen hatte. Emotional war dieser Kampf zu überbieten. Außerdem brachte mir der Sieg seinerzeit die Nominierung für die Olympischen Spielen 2008 in Peking, die nach der schweren Verletzung 2007 anfangs in weite Ferne gerückt waren.
Frage: Olympia ist zwar noch immer das sportliche Nonplusultra, hat aber an Strahlkraft eingebüßt. „Die Jugend von heute“ versucht sich eher in immer neuen „Fun-Sportarten“, widmet sich PC-Games oder „daddelt“ mit dem Smartphone. Welche Bedeutung, welche Perspektiven hat Olympia für Sie?
Helena Stanek: Für mich war es ganz enttäuschend zu sehen, dass die deutsche Bevölkerung bereits zweimal gegen eine Ausrichtung von Olympischen Spielen in Deutschland gestimmt hat. Aus Sportler- bzw. Ehemaligen-Sicht kann ich das natürlich überhaupt nicht verstehen, wie man gegen Olympia im eigenen Land votieren kann. Olympische Spiele im eigenen Land zu haben, ist für Sportler das größte Erlebnis und setzt zugleich ungeahnte Kräfte frei – bei den Sportlern und bei der Bevölkerung. In Großbritannien, zum Beispiel, sieht man es im Taekwondo ganz deutlich, welche positiven Auswirkungen die Olympischen Spiele in London 2012 auf das Leistungsniveau der Athleten hatte bzw. haben.
Diese sind aktuell mit drei Goldmedaillen bei den Welttitelkämpfen 2019 in Manchester zur besten europäischen Nation aufgestiegen. Das hätte vor zehn Jahren niemand gedacht. Was ich damit sagen will, ist, dass Olympische Spiele für Sportler, Funktionäre und auch die Bevölkerung eine enorme Chance sein können, neue Ressourcen für den sportlichen Erfolg zu akquirieren und einen Weg in die Öffentlichkeit zu finden.
Frage: Was erwarten und erhoffen Sie sich von den olympischen Wettkämpfen 2020 in Tokyo?
Olympische Spiele in Asien sind immer etwas Besonderes, gerade in einer asiatischen Sportart wie Taekwondo. Die Planungen versprechen viel und ich wünsche mir so sehr für unsere Athleten, dass sie das Olympische Feuer in Tokyo brennen lassen.
Frage: Im Mai fanden die Taekwondo-WM in Manchester statt. Wie beurteilen Sie die dortigen Resultate?
Helena Stanek: Aus deutscher Sicht können wir mit einer Medaille zufrieden sein. In der Vergangenheit erkämpften wir häufig auch nur eine Medaille bei einer WM. Das war – bis auf die erfolgreiche Ausnahme-WM 2013 mit drei Medaillen – die Regel. Natürlich wünscht man sich immer mehr Medaillen. Das ist klar. Aber: Ich kann gut nachvollziehen, wie es ist, da unten auf der Fläche zu stehen und wie groß die Enttäuschung ist, an der Medaille knapp vorbei gerutscht zu sein.
Es sind Nuancen, die über Siege oder Niederlagen entscheiden. Im Achtelfinale, beispielsweise, hat Iordanis es geschafft, in 1,7 Sekunden 4 Punkte zu machen. Das schien fast unmöglich, aber er hat es geschafft. Und so liegen bei deutschen Kämpfern häufig Sieg und Niederlage beieinander. In Manchester gab es einige knappe Entscheidungen, die auch anders hätten ausgehen können. Dann wären wir vielleicht mit einer zweiten Medaille nach Deutschland zurückgekehrt. Die nun so laut werdenden Kritiker wären vielleicht dann etwas leiser… Oft sind die Leute am lautesten und kritisieren das gesamte System am heftigsten, die nie wirklich auf solch einem Niveau gekämpft haben.
Das ist schade für alle, die ihr Bestmöglichstes tun, damit im Taekwondo überhaupt Medaillen erkämpft werden können. Vieles ist auch einfach Ansichtssache bzw. Auslegungssache. Natürlich kann man Deutschland mit Platz 18 als Schlusslicht des Medaillenspiegels der WM 2019 bezeichnen. Doch man kann auch erwähnen, dass 125 weitere Nationen bei dieser WM gar nicht im Medaillenspiegel aufgeführt werden, da sie keine Medaille gewannen. Sogar europäische Nationen wie Serbien, die Olympiasiegerinnen und Weltmeisterinnen in ihren aktiven Reihen haben, konnten in Manchester nicht aufs Treppchen klettern.
[box] Bei den 24. Weltmeisterschaften in Manchester starteten Athletinnen und Athleten aus 150 Ländern. 16 Entscheidungen standen auf dem Programm, wobei Südkorea (vier Titel), Großbritannien (drei Titel) sowie China und Thailand (jeweils zwei Titel) am erfolgreichsten waren. Das deutsche Taekwondo-Team schaffte durch Iordanis Konstantinidis einmal Bronze im Bantamgewicht.[/box]
Es wird sicherlich eine intensive interne Aufarbeitung der WM geben, damit wir gestärkt in die nächste Etappe „Tokyo 2020“ gehen können.
Frage: Zurück zu Ihrer Karriere… Sie waren Sportsoldatin, schlossen erfolgreich ein Management-Studium ab, sind inzwischen Mutter, Trainerin und arbeiten für die DTU. Was machte und macht Ihnen davon am meisten Spaß?
Helena Stanek: Der Mix aus vielen Aktivitäten hat schon immer mein Leben begleitet. Damals hat das Studium – zusätzlich zum Leistungssport – für mich einen positiven Ausgleich geschaffen. Ich lernte viele Sportler kennen und saß mit Athleten wie Michi Greis oder Kati Wilhelm (beide erfolgreich im Biathlon) in der Vorlesung.
Das alles machte neben dem Uni- und Trainings-Stress auch Spaß und war einfach eine schöne Zeit. Jetzt, auch als Mutter zu arbeiten, schafft nun ebenfalls eine gute Kombination. Ich liebe es Mutter zu sein, aber ebenso freue ich mich auf meine Arbeit bei der Deutschen Taekwondo-Union. Es tut gut, kurzzeitig auch an anderen Stellen gebraucht zu werden, als nur im Haushalt. Das ist anstrengend und erfordert viel Organisation, aber das bin ich aus meiner Leistungssport-Karriere gewohnt. Darum funktioniert es auch so gut. Ich glaube, nur eine Sache zu machen, wäre mir zu langweilig.
Frage: In M-V hat Taekwondo inzwischen auch eine gute sportliche Heimat. Waren Sie schon einmal zu Wettkämpfen, zu einem Trainingslager oder nur zum Relaxen in MeckPomm?
Helena Stanek: Zu Wettkämpfen oder Trainingslagern war ich noch nicht in MeckPomm. Aber ich kenne einige Leistungssportler bzw. ehemalige Leistungssportler aus Mecklenburg-Vorpommern, wie unter anderem den Kanu-Rennsportler Andreas Dittmer (SC Neubrandenburg), und habe sie auch schon mal dort besucht.
Letzte Frage: Vom 21. bis 30. Juni finden die zweiten Europaspiele in Minsk statt, mit Wettbewerben in 15 Sportarten. Was halten Sie von diesem zusätzlichen Multisport-Event?
Helena Stanek: Ich persönlich finde solche Events, wie auch die Europaspiele, klasse und es ist wirklich schade, dass Taekwondo in diesem Jahr nicht dabei ist. Positiv ist nicht nur, dass man Teil der großen Sportfamilie ist und dadurch auch die Sportart ein wenig bekannter wird. Es ist zugleich eine gute Vorbereitung für die Olympischen Spiele. Die Europaspiele laufen meist in einem ähnlichen, wenn auch etwas kleineren Rahmen statt. Von daher finde ich solche Events gerade für unsere Sportart nützlich.
Vielen Dank, weiterhin bestes Engagement für den Taekwondo-Sport und auch persönlich alles Gute!