Das mecklenburgische Diskus-Ass Klaus Kulla über seine paralympischen Wettkämpfe und die Winter-Paralympics 2018
Die XXII. Paralympischen Winterspiele (9.-18. März 2018) in Pyeongchang waren aus deutscher Sicht bislang überaus erfolgreich. Die Alpine Anna Schaffelhuber ist weiterhin in der Erfolgsspur – ebenso wie ihre Team-Kolleginnen Anna-Lena Forster und Andrea Rothfuss sowie die Biathletin und Skilangläuferin Andrea Eskau.
Die vier Goldenen aus deutscher Sicht erkämpften bislang Anna Schaffelhuber in der Abfahrt sowie im Super-G mit dem Monoski, Anna-Lena Forster in der Super-Kombination mit dem Monoski und Andrea Eskau im Biathlon über 10 Kilometer (sitzend). Vier Silberne schaffte bis dato Andrea Rothfuss in der stehenden Klasse. Nach 53 von 80 Entscheidungen in sechs Sportarten rangiert das deutsche Team mit 12 Medaillen auf Rang sechs der Medaillenwertung. Die USA führen mit 21 Medaillen, darunter 8 x Gold, vor Russland mit 17 Medaillen, darunter 6 x Gold), bzw. der Ukraine und Kanada mit jeweils 16 Medaillen, darunter 5 x Gold.
Mecklenburg-Vorpommern stellt in Pyeongchang zwar keine Sportlerinnen bzw. Sportler, kann jedoch seit mehr als einem Vierteljahrhundert auf sehr erfolgreiche Paralympionikinnen und Paralympioniken zurückblicken. Der frühere Diskuswerfer Klaus Kulla (Jahrgang 1954) aus Grabow gehört dazu. 1996, bei den Paralympics in Atlanta gewann er Bronze.
Für MV-SPORT nachgefragt
Klaus Kulla über seine paralympischen Wettkämpfe, die Entwicklung des Sportes für Athleten mit Handicaps seit 1996, das mediale Interesse und eigene aktuelle Ziele bzw. Ambitionen
„Die Erinnerungen an Atlanta sind unvergeßlich…“
Frage: Herr Kulla, vor 22 Jahren gewannen Sie Bronze bei den Paralympics. Wie war das damals? Welche Erinnerungen verbinden Sie mit Atlanta 1996?
Klaus Kulla: Die Erinnerungen an Atlanta sind unvergesslich. Es war die erste Medaille bei einer internationalen Großveranstaltung und dieses Glücksgefühl gibt es nur einmal. Ich gehörte zum erweiterten Kreis der Medaillenkandidaten, mehr aber auch nicht. Auch insgesamt war alles sehr aufregend mit Eröffnungs-und Abschlussveranstaltung, dem paralympischen Dorf usw. Der Empfang in Grabow war einmalig und emotional. Die Organisation und Durchführung der Paralympics verlief dann in Sydney 2000 und in Athen 2004 allerdings besser als in Atlanta 1996.
Die Zuschauer-Resonanz war damals auch schon gut. Das galt aber nur bei den Paralympics, nicht bei EM und WM. Resümierend kann man sagen, dass das Interesse an den Paralympics seinerzeit zumindest damals in anderen Ländern größer war als in Deutschland. In Peking 2008 hatte ich Einsätze als Radiomoderator vor Ort. Bei der Leichtathletik-Wettkämpfen der Paralympics 2008 war das Olympiastadion immer bestens gefüllt.
Frage: Was machen Sie eigentlich zurzeit? Sind Sie noch sportlich aktiv?
Klaus Kulla: Ich bin jetzt Rentner und habe erst im letzten Jahr nach 52 Jahren mit der Leichtathletik aufgehört. Ich startete zwar bis 2015 noch international, aber nicht mehr bei großen Titelkämpfen. So war ich zuletzt nicht nur bei den Senioren mit Handicaps, sondern auch noch bei den Senioren ohne Handicaps aktiv. Seit fast 50 Jahren widme ich mich zudem dem Kegeln, auch in den Bereichen für Sportler mit und ohne Handicaps. Dort geht es für mich auch noch weiter. Nicht zuletzt treibe ich ebenfalls Sport im Fitnessstudio.
Natürlich trainiere ich nicht mehr zweimal am Tag wie früher. Jetzt müssen vier- bis fünfmal die Woche reichen. Ohne Sport geht es nicht und sich fit zu halten, ist im Alter unglaublich wichtig, was selbst mit regelmäßigem Training nicht einfach ist.
Frage: Wie bewerten Sie die Entwicklung des paralympischen Sportes in Deutschland, speziell in M-V? Bekommt aus Ihrer Sicht der Sport für Athletinnen und Athleten mit Handicaps, die dieser verdient?
Klaus Kulla: Die Wahrnehmung des Behindertensportes in der Öffentlichkeit hat sich verbessert. Da darf man allerdings nicht zu viel erwarten. Auch bei den Sportlern ohne Handicaps stehen viele Sportarten im Schatten anderer. Die Berichterstattung in den Medien ist eine ganz andere als noch vor 20 Jahren.
Zu meiner paralympischen Zeit steckte der Sport für Athletinnen bzw. Athleten mit Handicaps in M-V noch in den Kinderschuhen, wie insgesamt in den damals neuen Bundesländern. Da haben der Landesverband und die Vereine in M-V so einiges geschafft. Das gilt nicht nur für den Leistungssport. Vom Leistungssport der Sportler mit Handicaps hatte man damals bei uns im Land kaum Vorstellungen und Teilnehmer bei Paralympics gab es auch kaum. Es erfolgte keine Unterstützung. Deshalb bin ich damals zum TuS Jena und später zum PSC Berlin gegangen. Das sieht jetzt ganz anders aus. In anderen Bundesländern, in denen man damals weiter war als in M-V, ist die Entwicklung zum Teil stagniert.
Es läuft in Deutschland im Bereich des Handicap-Sportes insgesamt schon besser als früher, aber nicht flächendeckend. In der Sichtung und bei der Förderung der Athletinnen und Athleten auf dem Weg an die Spitze – nicht erst wenn sie oben angekommen sind – gibt es aber schon noch einiges zu tun. Die Vereinbarkeit von Leistungssport und Beruf ist auch ein Problem, da das Trainingspensum von Spitzen-Athleten mit Handicaps dem von Spitzen-Athleten ohne Handicaps entspricht. In einer medaillenintensiven Sportart wie der Leichtathletik ist der Kreis der deutschen Athleten, die in der Weltspitze sind, zurückgegangen. Die Kader-Decke aktuell im Nachwuchs ist dünn. Das ist von Sportart zu Sportart natürlich unterschiedlich.
Eine positive Entwicklung hat es bei der Integration von Sportlern mit Handicaps in leistungssportorientierte Abteilungen der Sportler ohne Handicaps gegeben. Das geht nicht überall, hat sich aber als unglaublich leistungsfördernd erwiesen. Trotzdem haben viele andere Nationen im Leistungssport für Sportler mit Handicaps professioneller gearbeitet, haben aufgeholt oder sind vorbei gezogen. Wenn man in Deutschland nicht aufpasst, werden die internationalen Erfolge in Zukunft weniger werden.
Frage: Die Paralympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang sind „in vollem Gange“. Welche Leistungen dort beeindruckten Sie bis dato am meisten?
Klaus Kulla: Bei den Winterspielen aktuell in Pyeongchang beeindruckt mich die Körperbeherrschung der Alpinen mit dem Monoski. Ich sehe auch gerne Sledge Hockey. Imponierend auch die Wettkämpfe im Nordischen Skisport: Die Rollis im Langlauf und Biathlon spulen ihre Kilometer nur mit der Kraft aus Oberkörper und Armen herunter. Dazu gehört ungeheure Ausdauer.
Letzte Frage: Was sind die nächsten Herausforderungen für Sie?
Klaus Kulla: Die ganz großen sportlichen Herausforderungen gibt es nicht mehr. Beim Kegeln ist jeder Wettkampf gegen Sportler ohne Handicaps aber eine Herausforderung.
Bei den Leichtathletik Europameisterschaften im Berliner Jahn-Sportpark in diesem Jahr werde ich dabei sein, am liebsten als Kampfrichter. Ich habe bereits mit dem Veranstalter Kontakt aufgenommen. In Berlin, allerdings im Olympiastadion, war meine erste Teilnahme an einer Weltmeisterschaft. Da schließt sich der Kreis.
Vielen Dank, dann weiterhin alles erdenklich Gute und sportliches Aktiv sein!
M.Michels