Nachgefragt beim Präsidenten des Handballverbandes M-V, Peter Rauch
Deutschland ist nicht nur ein Land der Fußballspieler, sondern auch solcher Akteurinnen bzw. Akteure, die den Ball lieber mit der Hand spielen. Vor mehr als 100 Jahren, im Oktober 1917, wurde ja zudem der Handballsport auch in Deutschland „erfunden“.
M-V und die Handball-Historie
Die ersten WM-Medaillen für M-V im Hallenhandball wurden dabei vor 60 Jahren erspielt. 1958 gab es Bronze für Hans Beier, Hans-Jürgen Hinrichs, Klaus-Dieter Matz, Günter Mundt und Wolfgang Niescher, der zeitweise bei Wissenschaft Greifswald bzw. beim SC Empor Rostock spielte.
Fünf Jahre später, 1963 bei den Feldhandball-WM in der Schweiz, gab es Gold für die DDR-Auswahl mit MV-Beteiligung: Klaus Prüsse vom SC Empor Rostock und der gebürtige Rostocker Klaus Langhoff waren im goldenen DDR-Team aktiv. Außerdem war der spätere DDR-Nationaltrainer Paul Tiedemann, der die Olympiasieger-Mannschaft von 1980 mit den Rostockern Frank-Michael Wahl und Hans-Georg Jaunich, Mitglied des 1963er Teams.
Bereits 1959 Feldhandball-WM-Gold für M-V
Zwei ehemalige Empor-Spieler, Wolfgang Niescher und Klaus-Dieter Matz, hatten weltmeisterliche Feldhandball-Momente zudem bereits 1959 mit der gesamtdeutschen Auswahl in Österreich erlebt. Für einen internationalen Titel im Handballsport im Elite-Bereich sorgte zuletzt der gebürtige Wolgaster Johannes Sellin bei den EM der Herren 2016 in Polen, der mit der DHB-Auswahl seinerzeit Europameister wurde.
An den WM-Goldenen beteiligt
Ansonsten waren mecklenburgische bzw. vorpommersche Handballspielerinnen bzw. -spieler auch an den WM-Erfolgen der Frauen 1971, 1975, 1978 bzw. 1993 und dem WM-Erfolg der Herren 2007 – hier zumindest „latent“ durch Stefan Schröder aus Schwerin – beteiligt.
… Zuletzt lief es für die DHB-Elite-Mannschaften weder bei den Frauen-Heim-WM 2017 (nur Achtelfinale) noch bei den Herren-WM 2017 (ebenfalls nur Achtelfinale) bzw. Herren-EM 2018 (nur Rang neun) sonderlich gut.
M-V mit Teams in Liga drei und vier
In M-V warten die Handball-Fans wieder auf einen Verein bei den Frauen und/oder den Herren, der wieder in der ersten oder zumindest zweiten Bundesliga spielt. Zurzeit sind mit den Mecklenburger Stieren Schwerin bzw. dem HC Empor Rostock bei den Herren und dem SV Grün-Weiß Schwerin bei den Frauen drei Vereine in der dritten Liga aktiv. In der Oberliga Ostsee-Spree ist M-V bei den Herren durch den Stralsunder HV, den HSV Insel Usedom, den Doberaner SV von 1990 bzw. der SG Uni Greifswald/Loitz und bei den Damen durch den Rostocker HC bzw. die TSG Wismar vertreten.
Wie beurteilt nun aber Peter Rauch, Präsident des Handballverbandes M-V, das aktuelle Handball-Geschehen in M-V und darüber hinaus?!
Peter Rauch über die Handball-EM der Herren 2018 aus nationaler bzw. internationaler Perspektive, die gegenwärtige Entwicklung des Handballsportes in M-V, die MV-Teams in den Ligen drei bzw. vier, den Zuspruch zum Handball in M-V bei den Sport-Talenten und weitere Ziele des Handballverbandes M-V
„Die gute Ausbildung in den Vereinen wird Früchte tragen…“
Frage: Wie beurteilen Sie die EM in Kroatien im Hinblick auf die deutsche Mannschaft?
Peter Rauch: Sowohl die Handball-Fans allgemein wie auch der Dach- bzw. Landesverband sind vom Gesamt-Ergebnis der deutschen Mannschaft schon enttäuscht. Gerade im Vergleich zu 2016 mit dem überraschenden EM-Gold.
Allerdings sollte man dabei berücksichtigen, dass die Ausgangssituationen 2016 bzw. 2018 völlig andere waren. Vor zwei Jahren galten wir als Außenseiter. Aus dieser Position heraus spielt es sich ja bekanntlich auch immer einfacher. Das damalige Team hatte dann schnell einen „flow“, feierte Erfolge, spielte sich teilweise in einen Rausch, der mit einem eindrucksvollen Finalsieg gegen Spanien endete.
Bei der EM 2018 in Kroatien wurde nun dem deutschen Team die Favoritenrolle aufgebürdet, welche die Mannschaft auch annahm. Als Minimalziel galt das Erreichen des Halbfinales…
Diese Favoritenstellung bekam dem deutschen Team aber überhaupt nicht. Man kann der Mannschaft aber nicht vorwerfen, dass sie nicht kämpfte, aber spielerisch ließ die DHB-Auswahl doch viele Wünsche offen. Das wurde ganz besonders im Spiel gegen Spanien deutlich, das mit einer unerwartet bitteren Niederlage von 27:31 endete.
Frage: Wie ist Ihre Meinung zum Niveau der EM und einzelnen Teams aus internationalem Blickwinkel?
Peter Rauch: Die EM hatte schon ein recht hohes Niveau, wobei festzustellen ist, dass die Breite an der Spitze deutlich zunahm. Von den ersten acht Teams blieb keines ohne Niederlage bzw. Niederlagen. Selbst die spanischen Europameister unterlagen in der Vorrunde den Olympiasieger von 2016 Dänemark mit 22:25, die ihrerseits gegen Tschechien mit 27:28 verloren.
Frankreich wurde dann im Halbfinale von Spanien klar mit 27:23 bezwungen, wobei die erste Halbzeit für die Franzosen relativ katastrophal war. Trotz der wohl besten Individual-Spieler des Turnieres erreichte damit Frankreich als amtierender Weltmeister das Endspiel nicht. Es zeigt sich, dass immer mehr die Tagesform entscheidet, ob Schlüsselspieler verletzt sind oder andere unvorhergesehene Widrigkeiten auftreten.
Frage: Von der EM nach M-V: Wie bewerten Sie die Entwicklung des Frauen- und Herren-Handballsportes in M-V in den letzten Jahren?
Peter Rauch: Da muß man resümierend feststellen, dass die Entwicklung rückläufig ist. Nur drei Teams aus M-V in den dritten Ligen, keines in der zweiten oder gar ersten Bundesliga. Das kann nicht zufrieden stellen.
Die Mecklenburger Stiere spielen zwar in der dritten Liga oben mit, aber der HC Empor Rostock ist dort sogar abstiegsgefährdet. Ich hoffe für das Rostocker Team sehr, dass es wieder erfolgreich „die Kurve“ bekommen wird.
Als einziges Frauen-Team spielt Grün-Weiß Schwerin in der dritten Liga. Das Ziel ist dabei auch der Klassenerhalt, was schwer genug wird.
In der vierten Liga, der Oberliga Ostsee-Spree, ist M-V mit vier Mannschaften in der Breite gut vertreten, aber es fehlt auch hier an der „Spitze“, an der spielerischen Konstanz.
Ähnlich ist es in der vierten Liga der Frauen, in der unser Bundesland mit zwei Mannschaften mitspielt. Ich hoffe, dass zumindest einem Team schnell der Aufstieg in Liga drei gelingen möge….
Frage: Wie ist der Zuspruch der jungen Sporttalente zum Handball in M-V?
Peter Rauch: Der Zuspruch der jungen Sporttalente zum Handball ist in M-V ungebrochen gut. Es gibt viele Projekte insbesondere mit Kindertagesstätten und Grundschulen.
Zudem werden junge Handball-Spielerinnen und -Spieler immer wieder zu Lehrgängen oder sogar in die Teams der Nachwuchs-Auswahlmannschaften berufen.
Glücklicherweise ist der HC Empor Rostock mit einem Team in der Jugend-Bundesliga aktiv, auch dank der Talente aus anderen M-V-Vereinen ist Grün-Weiß Schwerin ebenfalls in der weiblichen Jugend-Bundesliga dabei.
Es ist bedauerlicherweise noch immer so, dass viele Handball-Talente M-V verlassen, weil hier die sportlichen Perspektiven fehlen. Im letzten Jahr verließen uns zehn Spielerinnen und Spieler aus unseren HVMV-Nachwuchsteams, die nun unter anderem in Berlin, Magdeburg oder sogar Dortmund ihren Weg suchen.
Leider gibt es in M-V außerdem nicht den „Leuchtturm-Verein“ in Liga eins oder zwei, bei dem die hiesigen Nachwuchs-Talente mit Auswahl-Ambitionen spielen könnten.
Unsere Bestrebungen sind jedoch, Spielerinnen und Spieler aus anderen Leistungszentren wieder zurück zu holen, wenn sie dort nicht den Sprung zum Beispiel in die Bundesliga-Teams schaffen und dann unsere Vereine hier verstärken können. Wir haben konkrete Ideen und hoffen so, dass unsere gute Ausbildung in den Vereinen auch vermehrt für unsere Frauen-und Männer-Mannschaften Früchte tragen wird.
Vielen Dank, weiterhin eine erfolgreiche handballsportliche Arbeit und beste Erfolge für die MV-Handball-Teams!
M.Michels