Seit 1999 ist in der Welt viel passiert. Zu Beginn eben jenen Jahres wurde beispielsweise der EURO als Zahlungsmittel in elf europäischen Ländern eingeführt. Im August zog die totale Sonnenfinsternis nicht nur die Deutschen in ihren Bann und Lou Bega thronte mit seinem Hit „Mambo No. 5“ insgesamt 11 Wochen an der Spitze der deutschen Charts. Seither sind nunmehr 20 Jahre vergangen. Der Präsident des Landesfußballverbandes Mecklenburg-Vorpommern (LFV M.-V.) aber heißt seit Sommer 1999 damals wie heute: Joachim Masuch.
Der Verband ist mittlerweile nach diversen Reformen strukturell und auch wirtschaftlich gut aufgestellt. „Die positive Entwicklung trägt seine Handschrift. Dabei waren nicht alle zu fällenden Entscheidungen vergnügungssteuerpflichtig“, betonte Detlef Müller, 1. Vizepräsident des LFV M.-V.
Im Zuge des Jubiläums sprach lfvm-v.de mit dem langjährigen Oberhaupt des Landesfußballverbandes im Rahmen der Ehrungsfeier im kleinen Kreis in Rostock.
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Interview mit Joachim Masuch
Herr Masuch, welche drei Adjektive beschreiben den Fußball aus Ihrer Sicht am besten?
Er ist emotional, spannend und unberechenbar.
Ihrer Berufung zum Oberhaupt des LFV M.-V. ging mit dem plötzlichen Tod des Gründungspräsidenten Günter Waak ein tragischer Umstand voraus. Wie haben Sie die Entwicklung seinerzeit erlebt?
Günter Waak ist unerwartet und viel zu früh im Alter von 64 Jahren verstorben. Ich erfuhr hiervon zuerst am 19. Juli 1999 über eine Rundfunkmeldung. In diesem Zusammenhang wurde gleichzeitig darüber berichtet, dass ich nunmehr als bisheriger Vizepräsident den Landesfußballverband weiterführen werde. Das Datum hat sich bei mir deshalb so eingeprägt, weil es der Tag war, an dem ich mit meiner Frau die letzten Vorbereitungen für unsere Silberhochzeit zu erledigen hatte. Diese fand an eben jenem Tag im Kreise der Familie statt.
Welche Momente sind Ihnen in Bezug auf den Fußball generell und insbesondere seit Ihrem Amtsantritt im Jahre 1999 besonders in Erinnerung geblieben?
Da könnte ich eine Vielzahl nennen. Ganz oben stehen für mich die persönlichen Begegnungen mit einer Vielzahl von ganz unterschiedlichen Menschen, die sich rund um den Fußballsport engagieren. Dieses tun sie in unserem schönen Bundesland oder aber zum Teil auch weit darüber hinaus.
Dennoch möchte ich mit Blick auf die Frage noch einige prägende Ereignisse nennen, wohlwissend, dass diese Aufzählung nicht umfassend ist: Dazu gehört die Zugehörigkeit des F.C. Hansa Rostock über 11 Jahre zur Fußball-Bundesliga. In diesem Zeitraum konnte der Klub auch einmal bis in das Halbfinale des DFB-Pokals vordringen (2000 verlor der F.C. Hansa mit 2:3 beim späteren Pokalsieger FC Bayern München/d. Red.). Der FC Schönberg 95 gewann Anfang des Jahrtausends sechs Mal in Folge den Landespokal und spielte im Jahr 2000 in der ersten Runde des DFB-Pokals vor rund 16.000 Zuschauern gegen die Bayern.
Die TSG Neustrelitz schnupperte im Jahr 2014 am Aufstieg in die 3. Liga, verlor in der Relegation seinerzeit aber leider gegen Mainz II. Und im Strandfußball gewannen die Rostocker Robben erst kürzlich zum dritten Mal in Serie die Deutsche Beachsoccer-Meisterschaft. Ein Turnier, das wir seit 2013 bei uns in Mecklenburg-Vorpommern austragen dürfen.
Im Bereich der Junioren gab es mit der Deutschen Meisterschaft der A-Junioren des F.C. Hansa Rostock im Jahre 2010 ein echtes Highlight. Der Besuch der deutschen Nationalmannschaft in der Fritz-Reuter-Grundschule in Kühlungsborn vor der Heim-WM 2006 war ebenso bemerkenswert. Auch die bislang einzigen Länderspiele im Jahre 2002 gegen die USA (4:2) und 2006 gegen Georgien (2:0) im Rostocker Ostseestadion bleiben in Erinnerung.
Auf internationaler Ebene sind bei mir zudem zwei weitere Momente hängen geblieben. So konnte ich bei der WM 2010 in Südafrika Augenzeuge des ersten WM-Spiels von Toni Kroos sein. Mein persönlicher Höhepunkt ist der 13. Juli 2014: Hier durfte ich im berühmten Maracanã in Rio de Janeiro den WM-Gewinn der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hautnah miterleben.
Was sind – auf die gesamte Zeitspanne gesehen – aus Ihrer Sicht die größten inhaltlichen Veränderungen innerhalb des Verbandes seit 1999?
Die Aufgabe bzw. Schließung der Sportschule in Parchim im Jahr 2013 war für mich persönlich und meine Vorstandskollegen eine besondere Herausforderung. Die Zeit danach hat jedoch die Richtigkeit dieser Maßnahme bestätigt.
Der Landesfußballverband Mecklenburg-Vorpommern ist heute nach zwei Strukturreformen ein moderner und wirtschaftlich stabiler Verband. Wir sind bei der Gründung im Jahre 1990 mit knapp 34.000 Mitgliedern gestartet und hatten fünf hauptamtliche Mitarbeiter in der Geschäftsstelle in Güstrow. Heute hat der Verband etwa 59.000 Mitglieder und 20 hauptamtliche Mitarbeiter in einer modernen Verbandsgeschäftsstelle im Rostocker Sportforum sowie an den Außenstandorten in Neubrandenburg und Schwerin. Der Verband ist personell sowohl im Haupt- als auch im Ehrenamt und inhaltlich zukunftssicher aufgestellt.
Wir haben uns in den zurückliegenden Jahren Anerkennung in der Gesellschaft erarbeiten können und sind ein verlässlicher Partner für unsere Vereine und Sponsoren.
Der LFV M.-V. ist einer von bundesweit nur zwei Landesverbänden mit rechtlich eigenständigen Kreisen. Ist das für Sie ein Vor- oder ein Nachteil?
In allen 21 Landesfußballverbänden unter dem Dach des Deutschen Fußball-Bundes gibt es unterhalb der Verbandsebene Untergliederungen, überwiegend nur die der Kreisebene. Hierbei sind nur im Sächsischen Fußballverband und in unserem Verband die Kreisfußballverbände als juristisch eingetragene Vereine tätig. Diese Konstellation bedingt dann auch, dass sie eigenverantwortlich unter dem Dach ihres Landesverbandes agieren. Ich persönlich befürworte die Struktur der anderen 19 Landesverbände, weil hierdurch auch eine Verschlankung der gesamten Verbandsstrukturen möglich wird und damit einhergehend eine Vorhaltung von Doppelstrukturen entfallen kann.
Was sind neben der bereits genannten Voraussetzung der Eigenständigkeit der Kreisverbände die signifikantesten Unterschiede des LFV M.-V. im Vergleich zu anderen Verbänden?
Mecklenburg-Vorpommern ist und bleibt ein Flächenland. Zusätzlich müssen wir eine Bevölkerungsabnahme, besonders von jungen Einwohnern im ländlichen Raum, wahrnehmen. Auch die Wirtschaftskraft liegt deutlich unter dem Bundesschnitt. Diese Tatsachen machen es sowohl unseren Kreisfußballverbänden und uns als Landesverband schwerer, einen durchgehenden Spielbetrieb zu planen und zu realisieren. Gerade die Reisewege zu den Spielen und für die Verbandsarbeit sind mit viel Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Diese Faktoren sind natürlich auch die besonderen Herausforderungen, die unsere Vereine vor Ort tagtäglich zu bewältigen haben.
Worin sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen für den Landesfußballverband?
Wir – die Kreisfußballverbände und der Landesfußballverband – müssen wieder mit mehr Gemeinsamkeit als Interessenvertreter unserer rund 470 Vereine erkennbar sein. Das setzt z.T. auch voraus, dass persönliche Befindlichkeiten nicht vor objektiven Sachverhalten stehen dürfen. Eine der wichtigsten Aufgaben sehe ich darin, verstärkt die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir weiterhin Menschen finden, die wir für eine ehrenamtliche Tätigkeit im Verein und den Verbänden gewinnen können.
Besonders für Führungsaufgaben in unseren Verbänden auf Kreis- und Landesebene ist es dringend erforderlich, unter Berücksichtigung der sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, eine gezielte Personalplanung auch und besonders im Ehrenamt zu realisieren. Und selbstverständlich werden auch die Digitalisierung unserer Arbeitsprozesse und die Kommunikation ein wichtiges Themenfeld sein, um durch technischen Fortschritt Entlastung im Haupt- und Ehrenamt zu ermöglichen.
Persönlich lege ich Wert darauf, dass wir untereinander einen respektvollen Umgang pflegen. Dies gelingt im persönlichen Gespräch sehr viel häufiger als bei ausschließlicher Nutzung neuer Medien. Hierin haben mich auch die mehr als 60 Vereinsdialoge bestärkt, die wir seit 2013 durchführen.
Gab es in der Vergangenheit einen Zeitpunkt, an dem Sie ans Aufhören gedacht haben?
Das Thema des Aufhörens gab es mit dieser Deutlichkeit im Laufe der nunmehr 20 Jahre nicht. Ein sich aus der Verantwortung ziehen ohne geregelten Übergang stand ebenso nicht zur Debatte.
Mal im Nachgang betrachtet: Welche Entscheidung hätten Sie aus heutiger Sicht vielleicht anders gefällt?
In der zurückliegenden Zeit, in dem eine Vielzahl von Sach- aber Personalentscheidungen zu treffen waren, kann ich mit heutigem Wissen nicht ausschließen, auch mal anders zu entscheiden.
Blicken wir einmal über die Landesgrenzen hinaus: Wie bewerten Sie die aktuellen Entwicklungen im Fußballsport?
Der Fußball hat sich in den zurückliegenden 20 Jahren natürlich gravierend verändert. Es ist doch keinem mehr vermittelbar, welche Ablösesummen und Gehälter im Profifußball gezahlt werden. Demgegenüber steht der Amateurfußball, in dem mit geringen Ausnahmen kein Geld an Spieler gezahlt wird.
Was aber immer bleibt ist die Tatsache, dass sich Menschen aller Altersstufen, Religionen, Geschlechter und jeglicher Herkunft vereinen, um Fußball zu spielen. Und hierbei helfen ihnen tausende von ehrenamtlichen Helfern in den fast 26.000 Vereinen in Deutschland. Es ist doch eine schöne und verantwortungsvolle Aufgabe für Vereine mit ihren Trainern, für Mädchen und Jungen eine sinnvolle Freizeitmöglichkeit durch Sportreiben zu ermöglichen. Dies alles ist für das Gemeinwohl in den Städten und Gemeinden ein sehr hohes Gut.
Nach dem WM-Titel 2014 und dem EM-Halbfinale 2016 ist die Nationalmannschaft bei der letzten interkontinentalen Meisterschaft 2018 in Russland sang- und klanglos in der Vorrunde ausgeschieden. Welche Erwartungen verknüpfen Sie sportlich mit den nun folgenden Großereignissen, der paneuropäischen EM 2020 sowie der WM 2022 in Katar?
Sportlich wage ich das Abschneiden der Nationalmannschaft zum derzeitigen Zeitpunkt nicht abzuschätzen. Die EURO 2020 an sich wird mit ihrem Alleinstellungsmerkmal, in zwölf europäischen Städten zur Austragung zu kommen – in Deutschland wird in München gespielt -, sicherlich ein sportlicher Höhepunkt. Mit Unverständnis nehme ich weiterhin zur Kenntnis, dass die FIFA an Katar für die Austragung der WM 2022 festhält. Eine Fußball-WM im Dezember? Darauf muss man erst einmal kommen.
Toni Kroos wird immer wieder als prägendes Beispiel für die Talentförderung in Mecklenburg-Vorpommern genannt. Der gebürtige Greifswalder ist mittlerweile 29 Jahre alt, viele weitere Namen mit direktem Bezug zu Vereinen aus dem LFV M.-V. kursieren derzeit im Kreis der Nationalmannschaft nicht. Wurde Mecklenburg-Vorpommern im Bereich der Nachwuchsförderung abgehängt?
Diese Frage muss man deutlich bejahen. Allerdings gab und gibt es durchaus einige ambitionierte und hoffnungsvolle Talente, deren Ausbildung in Mecklenburg-Vorpommern begann, ehe sie ihren Weg dann aber schon frühzeitig bei anderen Vereinen fortgesetzt haben. Wir müssen uns aber auch eingestehen, dass wir nicht nur abgehängt wurden, weil es andere Regionen besser gemacht haben. Zur Wahrheit gehört auch, dass es in unserem Bundesland nicht umfassend gelungen ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, die mit denen anderer Bundesländer bzw. Leistungszentren konkurrenzfähig sind.
Zu guter Letzt: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Persönlich natürlich primär Gesundheit und Zufriedenheit in der eigenen Familie. Und im Fußballsport weiterhin Kraft und Freude, um ein so wichtiges Ehrenamt mit den damit verbundenen Erwartungen ausfüllen zu können.
Quelle: P.M. LFV MV