„Du wirst immer wohin kommen, wenn du nur lange genug gehst.“
Alice im Wunderland
100 km in 24 Stunden, zu Fuß. – Diese Herausforderung nahmen meine Lauffreundin Stefanie Gewiese und ich an. Pünktlich um 17 Uhr startete am 16.09.2017 das Ostseeweg-Team den Wanderrundkurs mit einer Länge von 100 Kilometern auf dem Bad Doberaner Sportplatz. Zuvor galt es Materialtests nach Feierabend und Trainingswanderungen zu absolvieren sowie viele Meinungen anzuhören. Da die Wetterprognosen auf „gut“ standen, blieben meine dicken Wanderschuhe letztlich im Begleitfahrzeug des Saunateams Boddentherme. Ein Luxus, den wir als Boddentherme-Support an der Strecke mit nutzen durften.
Schnell noch ein Tipp von der 1. Frau 2016 eingeholt, „Wenn`s läuft, lass Schuhe und Socken wie es ist!“, und nach einer Ehrenrunde im Stadion führte uns der Rundkurs über die Strecke des Pilgerweges zwischen Bad Doberan und Rostock. Wiesen und Felder durchquerten wir in einem für mich zügigen Tempo und kleinere Steigungen nahmen wir im Hütter Wohld geschickt und schnell. Der erste Teamstopp bei Kilometerpunkt 15 bescherte die erste Wiener Wurst und die erste Einsicht, dass mein Zehgelenk sehr schmerzt. Erste Hilfe mit Spray und Pflaster gab es vom Teamkollegen Dirk. Anders als meine Wandertruppe entschied ich mich mit meiner Schwester im geringeren Tempo weiterzumachen. Zum Glück ließ der Schmerz nach und seit langem hatten meine Schwester und ich Zeit alles auszuquatschen, was sonst schnell besprochen wird. Die Nacht kam, den ersten Versorgungspunkt am Platz der Freundschaft. Den Rostocker Hauptbahnhof und den Stadthafen bei Abendstimmung passierten wir frohen Mutes und ließen die schöne Hansestadt hinter uns. In der Rostocker Heide kam dann überraschend das Aus für meine Schwester. Bei Stuthof bestanden einige ihrer Zehen nur noch aus Blasen.
Alleine ging es nun für mich weiter, neue Wanderpartner ließen sich nicht finden, da entweder das Tempo zu schnell oder zu langsam war. Dafür war die Strecke eindeutig und gut gekennzeichnet. In der Rostocker Heide aufgewachsen, war mir dieser Waldabschnitt zudem bekannt. Zwischendurch kam ein Zeichen von meiner Lauffreundin Steffi. Sie war bereits an der Fähre in Hohe Düne kurz vorm nächsten Versorgungspunkt – wie ich später feststellte bereits eine knappe Stunde vor mir. Auf der Fähre wartete ich aufs Übersetzen – ein Fehler. Die Wartezeit war zu lang, mein Körper schaltete auf Pause und der Kreislauf sackte ab. Beschwerlich schleppte ich mich zum Versorgungspunkt, an dem sich Torsten Dunkelmann, Mitorganisator des Ostseeweges, aufhielt und ich teilte ihm meine Feststellung mit: „Die Fähre ist der Burner!“.
Dann nachts allein im Küstenwald – ja, es war dunkel, aber hier und da war eine Stirnlampe oder Knicklichter zu sehen und es war das Ostseerauschen zu hören. Die Kilometer vergingen und ich wurde mit einem schönen Sonnenaufgang belohnt. Zu der Zeit war Steffi bereits in Kühlungsborn. Das Wetter war zum Wandern ideal, die Septemberstimmung der Maisfelder saugte ich beim Wandern förmlich auf. Motivierend wirkten sich für mich, an den Versorgungspunkten, bekannte Gesichter aus der Laufgemeinschaft aus. Zusätzliche Teamversorgungen, kurze Gespräche mit anderen Wanderern und natürlich die witzigen Streckenbezeichnungen am Wegesrand spornten mich an .Meine Füße entwickelten unterdessen klumpenartige Gefühlsregungen, die ich noch eine Weile gut ignorieren konnte. Immerhin warteten Brötchen und heißer Kaffee bei Kilometer 60 in Rethwisch auf mich. Ab diesem Punkt spulte ich immer häufiger ein Finish in meinem Kopf ab, um mich zu motivieren. Andere Wanderlustige machten längere Pausen. Mit meiner Fähren-Erfahrung zog ich es vor, kurz die Muskeln zu dehnen, Flaschen aufzufüllen, zu essen und nach kurzen Gesprächen lieber schnell weiter zu wandern. Kurz hinter Heiligendamm ließen sich Füße und Knie nicht mehr ignorieren und die Zeit verging inzwischen viel zu schnell. So entschied ich mich, dass ich im Versorgungspunkt in Kühlungsborn-West rausgehe. Hier zog ich nun meine Schuhe bei den Sanitätern aus. Meine Füße waren super versorgt, zwei Mini-Blasen und mir ging es wunderbar. Dafür zeigte sich eine allergische Reaktion an beiden Füßen. Ballen, Zehe, Fußsohlen geschwollen und krebsrot. In meinem Kopf gab es nur ein Finish und die Tränen kullerten auch noch zwei Tage später, das ich es doch nicht geschafft hatte. Dennoch… …Ich war lange genug gegangen und angekommen sowieso.
Ein herzlichen Dank geht an das Team des Ostseeweges und alle helfenden Hände, den SC Laage, allen Wanderlustigen des Saunateams Boddentherme, Jens Radermacher für die fürsorgliche und zusätzliche Teamverpflegung und -begleitung, meine Schwester Carolin und Kollege Fabian, die vor dem Start meine Anspannung zu Hause aushielten und meiner Laager Lauffreundin Steffi, die sich mit mir darauf eingelassen hat, und die die 100 Kilometer in 20 Stunden und 40 Minuten absolvierte.
Beim Ostseeweg 2017 über 100 Kilometer starteten 550 Männer und Frauen, knapp 200 erreichten die Ziellinie am 17.09.2017.
Christina Fink
Das Foto zeigt Stefanie Gewiese (li.) und Christina Fink.
Foto: privat