Olympisches Kalenderblatt: Zwischen 1908 und 1936

Mecklenburger und Pommern beim größten Multisportereignis der Welt

Es sind nunmehr noch knapp drei Jahre bis zum Beginn der 32.Olympischen Spiele der Neuzeit in Tokyo. Nach 1964 ist die japanische Hauptstadt zum zweiten Mal Ausrichter des Sportgroßereignisses. Da lohnt sich einmal mehr ein Blick in die olympische Historie aus Sicht Mecklenburg-Vorpommerns. Seit 1956 gewannen Athletinnen und Athleten, die hier geboren wurden oder aber einem hiesigen Verein angehörten, diverse Medaillen bei den Sommerspielen. Teilnehmer_innen aus Mecklenburg und Pommern gab es aber schon zwischen 1908 und 1936. Und weil die Region Pommern damals komplett innerhalb der deutschen Staatsgrenzen lag (der Teil östlich der Oder nach dem 2. WK zu Polen gehörend), wird sie in diesem Sinne hier auch entsprechend betrachtet.

London 1908: Usedomer macht den Anfang…

Die erste Medaille für MV erkämpfte am 30./31. Juli 1908 der Ruderer Bernhard von Gaza auf der Themse in London. Von Gaza wurde in Usedom geboren (1881) und kam 1917 im ersten Weltkrieg ums Leben.
In der britischen Hauptstadt startete er allerdings für die RG Wiking Berlin von 1896. Die Besonderheit für die Ruderer in London: pro Entscheidungsrunde starteten aufgrund der „Enge“ der Themse nur jeweils zwei Ruderer gegeneinander. In seinem Halbfinale unterlag Bernhard von Gaza dem Briten Harry Blackstaffe, dem späteren Olympiasieger im Einer, im anderen Halbfinale distanzierte ein weiterer Brite, Alexander McCulloch, den Ungarn Karoly Levitzky. Das Finale entschied dann Blackstaffe gegen McCulloch für sich. Zusammen mit Karoly Levitzky holte von Gaza Bronze. Insgesamt nahmen seinerzeit neun Ruderer aus sechs Ländern am olympischen Einer-Wettbewerb der Herren teil.

„Fieten“ Rahe in zwei Sportarten am Start

Friedrich Wilhelm „Fieten“ Rahe, der 1888 in Rostock geboren wurde und dort auch im Jahr 1949 starb, nahm 1908 ebenfalls an den Olympischen Spielen von London teil. Unter anderem  am Tennis-Turnier. Dort startete er im Einzel und im Doppel (zusammen mit Oscar Kreuzer). Gleichzeitig spielte „Fieten“ Rahe in der deutschen Hockey-Mannschaft, die den fünften Platz belegte. Fünf Jahre später nahm er sogar am Tennis-Turnier in Wimbledon teil.

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1908  wurde übrigens „eine tennissportliche Zweiteilung“ durchgeführt. Zum Einen gab es ein olympisches Hallen-Turnier im Mai. Zum Anderen ein olympisches Rasen-Turnier im Juli. Die Britinnen und Briten waren seinerzeit dominierend, gewannen 15 von 18 Medaillen und alle sechs olympischen Goldmedaillen.

So waren in der Halle Arthur Gore (Herren, Einzel), Arthur Gore bzw. Herbert Roper Barrett (Doppel) und Gwendoline Eastlake-Smith (Frauen, Einzel) erfolgreich. Auf dem Rasen Josiah Ritchie (Herren, Einzel), George Hillyard bzw. Reginald Doherty und Dorothea Douglass Lambert Chambers (Frauen, Einzel).[/box]

Antwerpen 1920: Anklamer Ringer mit Rang vier

Ganz knapp schrammte der gebürtige Anklamer John Roland Redman (Jahrgang 1898) bei den Spielen 1920 in Antwerpen an einer Medaille im Freistil vorbei. Für die USA startend  wurde er Vierter (Leichtschwergewicht) hinter dem Schweden Anders Larsson, dem Schweizer Charles Courant und „seinem Landsmann“, dem US-Amerikaner Walter Maurer. Dreizehn Ringer aus acht Ländern nahmen damals in dieser Gewichtsklasse  teil.

Amsterdam 1928: Zweimal Reitsport-Gold für einen Freiherrn aus Parow

Die erste olympische Goldmedaille überhaupt für das heutige Mecklenburg-Vorpommern gewann Carl Freiherr von Langen, der 1887 in Klein Belitz (Landkreis Rostock) zur Welt kam. In Amsterdam 1928 siegte von Langen sowohl im Einzel- als auch den Mannschafts-Wettkampf in der Dressur auf seinem Pferd „Draufgänger“. In der Einzel-Entscheidung verwies er Charles Marion (Frankreich) auf „Linon“ und Ragnar Olson (Schweden) auf „Günstling“ auf die hinteren Medaillen-Plätze. Zusammen mit der deutschen Equipe setzte er sich gegen Schweden, die Niederlande, Frankreich und Tschechoslowakei durch.

Acht Jahre später patzte Carl Freiherr von Langen im olympischen Springreitturnier – ausgerechnet mit seinem brillanten Pferd „Falkner“. Für den vielseitigen Reiter aus Parow blieb nur noch Platz 28 im Einzel sowie Platz 7 mit der deutschen Mannschaft. Als Gutsbesitzer starb von Langen 1934 an den Folgen eines Reitunfalles.

Ebenfalls in Amsterdam mit am Start waren eine Schwimmerin und ein Ruderer aus dem pommerschen Stettin: Irmintraut Schneider (Jahrgang 1911) und Alfred Krohn (Jahrgang 1903). Schneider belegte mit der deutschen 4 x 100 Meter Freistil-Staffel (Lotte Lehmann, Herta Wunder, Irmintraut Schneider und Reni Erkens) Rang vier hinter den USA, Großbritannien sowie Südafrika. Krohn war im deutschen Vierer aktiv, mit dem er eine Viertelfinal-Platzierung erreichte.

Los Angeles 1932: Zwischen Modernen Fünfkampf, Kunst und Leichtathletik

1932 in Los Angeles sorgte ein weiterer Mecklenburger für Furore. Der in Rostock geborene Willi Remer (Jahrgang 1909) wurde seinerzeit Fünfter im Modernen Fünfkampf – hinter Johan Gabriel Oxenstierna (Schweden), Bo Lindman (Schweden), Richard Mayo (USA) und Sven Alfred Thofelt (Schweden).

Der gleichaltrige Stettiner Erwin Wegner präsentierte sich derweil über die 110 Meter Hürden sowie im Zehnkampf, bei dem er sogar Neunter wurde (Sieger: James Bausch aus den USA). Als Teil der 4 x 100 Meter Staffel holte der Greifswalder Student Helmut Körnig indes Silber.

[box type=“bio“] Der gebürtige Schweriner Alfred Meyer (1882-1956) nahm 1932 ebenfalls in Los Angeles teil. Allerdings an den damals dazugehörigen „Kunstwettbewerben“ in der Rubrik „Literatur“. Meyer gewann damals zwar nicht, dafür aber der nordpfälzer Bergsteiger und Schriftsteller Paul Bauer (1896-1990) für dessen Buch „Am Kangehenzonga – Kampf um den Himalaya“ (1931). Ansonsten waren die USA bei den 1932er „Kunstwettbewerben“ mit 3 x Gold, 4 x Silber dominierend.[/box]

Berlin 1936: Auftritt von Gerhard Stöck, Ludwig Stubbendorff, Detlef Okrent und Werner Seelenbinder

Dann, vor nunmehr 81 Jahren, bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin, gewann ein Leichtathlet mit „MV-Bindungen“ Gold und Bronze. Gerhard Stöck (damals Philologie-Student an der Universität Greifswald) gelang es als erstem Nicht-Skandinavier die Speerwurf-Disziplin zu gewinnen. Mit 71,84 Metern setzte er sich gegen die Finnen Yrjö Nikkanen und Kalervo Toivonen durch. Zudem erkämpfte Stöck im Kugelstoßen Bronze – hinter seinem Landsmann Hans Woellke und Sulo Bärlund (Finnland).

Weiterer Gold-Jubel kam vom Reitsport. Ludwig Stubbendorff  (1906 im mecklenburgischen Turloff bei Dabel geboren) siegte auf „Nurmi“ vor dem Amerikaner Earl Foster Thomson und dem Dänen Hans Lunding. Auch die deutsche Mannschaft erkämpfte Gold vor Polen und Großbritannien.

Der gebürtige Rostocker Detlef Okrent (Jahrgang 1909) errang mit der deutschen Feldhockey-Auswahl Silber. In der Vorrunden-Gruppe B setzte sich das Team gegen Afghanistan (4:1) und gegen Dänemark (4:0) durch. Im Halbfinale folgte ein Sieg gegen die Niederlande (3:0). Erst im Finale musste man sich der Konkurrenz aus Indien klar mit 1:8 geschlagen geben. Damit errangen die Südasiaten den dritten seiner insgesamt acht Hockey-Olympiasiege (1928, 1932, 1936, 1948, 1952, 1956, 1964 und 1980).

Vor heimischem Publikum nahm auch Werner Seelenbinder teil, dessen Wiege 1904 im pommerschen Stettin stand. Der Halbschwergewichtler (griechisch-römischer Stil) hatte dabei beste Chancen auf einen Titel. So konnte er zuvor unter anderem jeweils den ersten Platz bei der Arbeiter-Olympiade 1925 in Frankfurt am Main und bei der Internationalen Arbeiter-Spartakiade 1928 in Moskau gewinnen.

In Berlin verpasste Seelenbinder mit Platz vier allerdings eine Medaille. Zwei Siegen (gegen Georg Argast aus der Schweiz und Franz Foidl aus Österreich) standen zwei Niederlagen (gegen Edvins Bietag aus Lettland und Axel Cadier aus Schweden) gegenüber. Das machte in der Endabrechnung einen Podstplatz unmöglich. Vor Seelenbinder platzierten sich Axel Cadier aus Schweden, Edwins Bietag aus Lettland und August Neo aus Estland.

[box type=“bio“]Aufgrund seines Widerstandes gegen das nationalsozialistische Regime wurde Werner Seelenbinder 1944 zum Tode verurteilt…[/box]

 


Bekannte Danziger Olympia-Teilnehmer vor 1945

Aus dem pommerschen Danzig, dem heutigen polnischen Gdansk, stammen ebenfalls einige Olympia-Teilnehmer. So unter anderem Emil Hirschfeld (Jahrgang 1903) der 1928 Bronze im Kugelstoßen errang und 1932 Platz vier sowie Platz vierzehn im Kugelstoßen bzw. im Diskuswerfen belegte. Auch war er später Trainer der Kugelstoßerin Renate Garisch-Culmberger (SC Empor Rostock), die 1964 Silber holte.

Danziger Olympioniken waren außerdem:

  • Alfred Flatow. Er gewann bei den Turn-Wettkämpfen der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896 in Athen insgesamt 3 x Gold, 1 x Silber.
  • Arthur Hoffmann  (Jahrgang 1887): 1908 Silber mit der „Olympischen Staffel“ über 2 x 200 Meter, 400 Meter und 800 Meter
  • Karl Bechler (Jahrgang 1886; zeitweise Student der Universität Greifswald): startete 1908 auf 100 Meter und im Speerwerfen
  • Max Herrmann (Jahrgang 1885): lief 1912 die 100 Meter, 200 Meter, 400 Meter, 4 x 100 Meter und 4 x 400 Meter
  • Benno Wandolleck (Jahrgang 1864): Teilnehmer 1912 in den Disziplinen Schnellfeuer-Pistole, 30 Meter und Mannschaft
  • Helmuth Naude (Jahrgang 1904) startete 1932 im Modernen Fünfkampf (Platz 17 im Einzel)

 

1964 ein Jahr wichtiger Sport-Ereignisse

Das Jahr 1964… da war sportlich eigentlich los. Zumal, da die Olympischen Winter- und sommerspiele im gleichen Jahr stattfanden. Innsbruck war das Turnier der vierfachen Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Lydia Skoblikowa aus der Sowjetunion. Aber auch Mecklenburger waren in Österreich am Start. Die ehemalige Wahl-Schwerinerin Helga Haase, die bei der BSG Empor Schwerin bis 1952 Handball spielte, wurde in Innsbruck 1964 im Eisschnelllaufen Vierte über 1000 Meter und Fünfte über 1500 Meter.  Vier Jahre zuvor, bei den Winterspielen in Squaw Valley, holte sie noch Gold (500 Meter) und Silber (1000 Meter).
Der Rostocker Ralph Borghard belegte im Eiskunstlaufen indes  einen ausgezeichneten 11. Rang.

Die traditionsreiche „Internationale Friedensfahrt“ fand 1964 im Mai statt. Das DDR-Team konnte hier in der Mannschaftswertung jubelten. Auf der „Tour de France“ empfahl sich der Deutsche Rudi Altig, der die 4. Etappe gewann.  Die Gesamt-Wertung gewann damals Jacques Anquetil aus Frankreich.

Vom 10.-24. Oktober dann standen die 18. Olympischen Sommerspiele in Toky auf der Agenda. Und die Sportregionen Mecklenburg mit Vorpommern wurden nicht enttäuscht. So gab es in der japanischen Hauptstadt einmal Gold und einmal Silber im Wasserspringen für die Wahl-Rostockerin Ingrid Krämer.
Im Achter ruderten der Tutower Klaus-Heinrich von Groddeck, der Neubrandenburger Hans-Jürgen Wallbrecht und der Neustrelitzer Klaus Aeffke zu Silber.
In der segelsportlichen Drachen-Klasse kamen Ulrich Mense, Wilfred Lorenz und Peter Ahrendt aus Rostock ebenfalls zu Silber.

Silberne Momente erlebten zudem die aus Malliß stammende Diskuswerferin Ingrid Lotz, die Rostocker Kugelstoßerin Renate Garisch sowie die Rostocker Schwimmer Frank Wiegand (dreimal Silber) und Egon Henninger (einmal Silber). Bronze holten sich noch dazu die späteren Rostocker Hansa-Spieler Klaus-Dieter Seehaus, Herbert Pankau, Jürgen Heinsch und Wolfgang Bartels mit der DDR-Auswahl. Im Ringen jubelte der Rostocker Lothar Metz ebenfalls über Bronze.

Mal schauen, wie die olympische Olympia-Ausbeute 2020 aus MV-Sicht sein wird…

Text: Marko Michels

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