Als Olympia-Biber „Amik“ die Sportjugend der Welt rief

Vor mehr als vierzig Jahren: Die Olympischen Spielen 1976 in Montreal – insbesondere aus Rostocker Sicht

Vor mehr als 40 Jahren fanden die 21.Olympischen Spiele 1976 im kanadischen Montreal statt. Dabei wurden diese unter schwierigsten Bedingungen vorbereitet – Streiks und ein ungewöhnlich langer Winter sowie fehlende Fördergelder hatten die Fertigstellung der Olympiabauten erschwert.

Die Boykott-Serie begann…

Die Eröffnungszeremonie musste in einem provisorisch errichteten Stadion durchgeführt werden. Zudem gab es strengste Sicherheitsvorkehrungen – nach dem Terroranschlag von München allerdings auch unabdingbar. Sportlich überschattete der Boykott vieler afrikanischer Staaten die Sommerspiele:

22 Länder des schwarzen Kontinents zogen ihre Teilnahme zurück, da angeblich das IOC Neuseelands zuließ, dass die neuseeländische Rugby-Mannschaft – die allerdings gar nicht vom IOC Neuseelands vertreten wurde – eine Turnier-Reise durch den damaligen Apartheidstaat Südafrika unternahm.

Trotz aller Widrigkeiten präsentierten die kanadischen Gastgeber im „End-Effekt“ gelungene Spiele, wobei – sportlich betrachtet – auch die Olympionikinnen und Olympioniken mit Geburtsort oder Verein in der Region Mecklenburg sowie Vorpommern allen Grund zum Jubeln hatten.

Montreal 1976 aus Rostocker Sicht

Gebürtige Rostockerinnen bzw. Rostocker sowie Athletinnen bzw. Athleten Rostocker Sportvereine konnten sich vor vier Jahrzehnten ebenfalls für die Spiele 1976 qualifizieren und sogar Medaillen erkämpfen.

Bronze im Soling-Wettbewerb

Im Segeln erkämpfte der gebürtige Rostocker Dieter Below, der seine Karriere beim SC Empor Rostock begann und dann Mitte der 1960er Jahre nach Berlin wechselte, zusammen mit Olaf Engelhardt und Michael Zachries Bronze im Soling. Gold ging an Dänemark (Poul Jensen, Valdemar Bandolowski, Erik Hansen) und Silber an die USA (John Kolius, Walter Glasgow, Richard Hoepfner). 72 Segler, also 24 Teams, aus 24 Nationen nahmen an der olympischen Soling-Konkurrenz 1976 teil.

Im Bahn-Vierer zu Gold

Goldene Momente erlebte der gebürtige Rostocker Günther Schumacher im „Velodrome olympique“, dem Austragungsort der olympischen Bahn-Radsport-Wettbewerbe 1976. Wie 1972 in München erkämpfte Günther Schumacher mit dem bundesdeutschen Bahn-Vierer Gold. In der Besetzung Gregor Braun, Hans Lutz, Günther Schumacher bzw.  Peter Vonhof verwies das westdeutsche Quartett die UdSSR und Großbritannien auf die anderen Medaillen-Plätze.

Bisher einziges olympisches Gold für eine deutsche Herren-Fußball-Mannschaft

Mit der DDR und dem gebürtigen Wolgaster Hans-Ulrich Grapenthin (Ersatz-Torwart, FC Carl-Zeiss Jena) schaffte Gerd Kische, der gebürtige Teterower und Hansa-Spieler, auch Olympia-Gold 1976 in Montreal. Dabei spielte seinerzeit in der Vorrunde die DDR gegen Brasilien 0:0 bzw. gegen Spanien 1:0, setzte sich im Viertelfinale 4:0 gegen Frankreich dort, kickte die UdSSR mit 2:1 im Halbfinale aus dem Turnier und distanzierte Polen im Finale mit 3:1.

Am 31.Juli 1976, dem Tag des Endspiels im Fußball-Turnier, schossen Hartmut Schade (Dynamo Dresden) in der 7.Minute, Martin Hoffmann (1.FC Magedeburg) in der 14.Minute und Reinhard Häfner (Dynamo Dresden) in der 84.Minute die Tore für die DDR (Grzegorz Lato erzielte das einzige Tor für Polen in der 59.Minute.).

Silber im Frauen-Handball für ein Rostocker Quartett

In Montreal 1976  gab es nicht zuletzt das erste olympische Frauen-Handball-Turnier der Sportgeschichte im Juli 1976 in Montreal. 82 Handball-Spielerinnen aus sechs Ländern wetteiferten damals um den Olympiasieg und die Medaillen, wobei Ungarn und Japan (25:18) das erste olympische Spiel im Frauen-Handball in der Sportgeschichte bestritten.

Die Frauen-Hallenhandball-Auswahl der DDR, die ein Jahr vor Montreal 1976,  bei den sechsten WM in Kiew, Vilnius bzw. Rostow am Don 1975, Weltmeister vor der UdSSR, der Sowjetunion, Ungarn und Rumänien geworden war, reiste als Favorit in die Olympiastadt`76. So gewannen die ostdeutschen Handball-Frauen gegen Rumänien mit 18:12, gegen Japan mit 24:10, gegen Kanada mit 29:4, spielten gegen Ungarn 7:7 und verloren das entscheidende Spiel gegen die Sowjetunion mit 11:14, die sich damit für den ein Jahr zuvor entgangenen WM-Titel revanchierte.

Die UdSSR wurde damit vor der DDR, Ungarn, Rumänien, Japan und Kanada erster Olympiasieger im Frauen-Hallenhandball.

Im silbernen DDR-Team bei Olympia in Montreal 1976 waren seinerzeit auch Hannelore Burosch, Gabriele Badorek (auch in Rostock geboren und beim HC Empor Rostock), die gebürtige Dresdnerin Eva Paskuy und die gebürtige Perlebergerin Christina Voß (ebenfalls beide HC Empor Rostock) Leistungsträgerinnen.

Achter-Gold für fünf Rostocker Ruder-Recken

Drei Medaillen, darunter zei Goldene, gab es für Rostock 1976 im Rudern. Und die besagte Goldene schafften fünf Rostocker, zusammen mit vier Sachsen, in der Königs-Disziplin – im Herren-Achter. Werner Klatt, Hans-Joachim Lück, Ulrich Karnatz, Karl-Heinz Prudöhl und Karl-Heinz Danielowski (alle ASK Vorwärts Rostock) sowie Bernd Baumgart (SG DHfK Leipzig), Gottfried Döhn (SC Einheit Dresden), Dieter Wendisch (SC Einheit Dresden) und Roland Kostulski (SG DHfK Leipzig) triumphierten in 5:58,29 Minuten deutlich vor Großbritannien und Neuseeland.

Im Herren-Einer belegte Joachim Dreifke (ASK Vorwärts Rostock) Rang drei hinter Pertti Karppinen (Finnland) und Peter-Michael Kolbe (Westdeutschland).

Und das zweite Olympia-Gold seiner Kariere sicherte sich der gebürtige Rostocker Siegfried Brietzke in Montreal: Im Vierer ohne, mit Andreas Decker, Stefan Semmler bzw. Wolfgang Mager (alle SC DHfK Leipzig), setzte er sich vor Norwegen durch. In München 1972 hatte Siegfried Brietzke bereits Gold im Zweier ohne geholt, in Moskau 1980 wiederholte er dann den Gold-Triumph im Vierer ohne.

Zwischen Kanu, Leichtathletik, Schwimmen und Ringen

Mit dem Kanu in Montreal 1976 unterwegs war zudem Hans-Jürgen Tode (SC Empor Rostock), der zusammen mit Detlef Bothe (SC DHfK Leipzig) im Zweier-Canadier über 1000 Meter Platz fünf schaffte. Die Medaillen-Ränge erreichten dort Sergej Petrenko bzw. Alexander Winogradow (UdSSR, Gold), Gheorghe Danilov bzw. Gheorghe Simionov (Rumänien, Silber) und Tamas Buday bzw. Oszkar Frey (Ungarn).

In der Leichtathletik startete für Rostock 1976 ein Duo: Doris Gluth vom SC Empor Rostock wurde Siebente über die 800 Meter, die von der Russin Tatjana Kasankina (UdSSR) gewonnen wurden. Für Marita Koch, ebenfalls vom SC Empor Rostock, war über die 400 Meter gesundheitsbedingt leider im Halbfinale Endstationen. Dafür wurde Marita Koch vier Jahre später, bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau, Olympiasiegerin über diese Distanz. Die 400 Meter 1976 waren hingegen „eine Angelegenheit“ für Irena Szewinska (Polen).

Zwei „Rostocker“ waren in Montreal auch im olympischen Schwimm-Becken aktiv. Lutz Wanja, der bis 1971 für den ASK Vorwärts Rostock startete, wurde Fünfter über 100 Meter Rücken. Gold, Silber bzw. Bronze erkämpften John Naber (USA), Peter Rocca (USA) und Roland Matthes (DDR). Der gebürtige Rostocker Frank Pfütze schwamm mit der 4 x 200 Meter-Freistil-Staffel der DDR ebenfalls auf Platz fünf – Sieger dort die USA. In Moskau 1980 erkämpfte Frank Pfütze über die 4 x 200 Meter Freistil mit der DDR-Staffel dann Silber.

An die Rostocker Ringer-Tradition knüpfte 1976 Heinz-Helmut Wehling (ASK Vorwärts Rostock) erneut an. Nach Silber 1972 im Federgewicht folgte Bronze 1976 im Leichtgewicht.

Silber im Wasserspringen für eine Rostockerin

In einer weiteren Rostocker Traditionssportart, dem Wasserspringen, startete in Montreal 1976 ein Trio aus der Universitäts- und Hansestadt: Dieter Waskow, Heidi Ramlow und Christa Köhler (alle SC Empor Rostock). Viel Jubel gab es dann bei Christa Köhler, die im Kunstspringen hinter der Amerikanerin Jennifer Chandler und vor Cynthia McIngvale, ebenfalls aus den USA, Silber errang. Heidi Ramlow wurde in dieser Konkurrenz Vierte und im Turmspringen Elfte. Dieter Waskow kam im Kunstspringen auf Platz vierzehn und im Turmspringen auf Platz zehn. Die Goldmedaillen holten dort Philip Boggs (USA, Kunstspringen) und Klaus Dibiasi (Italien, Turmspringen).

Der frühere Nachwuchs-Trainer beim WSC Rostock, der Hallenser Falk Hoffmann, belegte vor 40 Jahren Rang vier im Kunstspringen und Rang sechs im Turmspringen. In Moskau 1980 war Falk Hoffmann letztendlich der Beste im Turmspringen und Vierter im Kunstspringen.

Beide Deutschländer zusammen vorn

Nach Abschluß der sportlichen Wettkämpfe (198 Entscheidungen in mehr als 20 Sportarten) erkämpften 1976 die beiden Deutschländer mit 50 x Gold, 37 x Silber, 42 x Bronze die meisten Medaillen, gefolgt von der „Union der fünfzehn sozialistischen Sowjetrepubliken“ mit 49 x Gold, 41 x Silber, 35 x Bronze und den USA mit ihren 50 Bundesstaaten (34 x Gold, 35 x Silber, 25 x Bronze). Den „Rest der damaligen olympischen Sportwelt“ führte Japan (9 x Gold, 6 x Silber, 10 x Bronze) vor Polen (7 x Gold, 6 x Silber, 13 x Bronze) an.

Viele Rekorde „purzelten“ zudem in Montreal: 84 olympische Rekorde und 38 Weltrekorde – nicht alle „sauber“ erzielt, wie wir heute bereits wissen. In Ost und in West…

Nun sind die (sommer-)olympischen Blicke jedoch auf  Tokyo 2020 gerichtet.

Marko Michels

 

 

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