Nachgefragt bei Gerd May
Der Fechtsport hatte und hat in diesem Jahr zahlreiche herausragende Wettkämpfe im Angebot – ob regional, national oder international. Auch in M-V hat der Fechtsport dabei eine gute sportliche Heimat, ob im Hinblick auf das olympische Fechten oder das paralympische Rollstuhlfechten. Zuletzt standen international die Fecht-EM in Novi Sad im Juni und die Fecht-WM in Wuxi im Juli auf dem Programm.
Interview
Gerd May, ehemaliger Olympia-Fechter und gebürtiger Rostocker, über EM und WM 2018 und seine Rückblicke aus deutscher und internationaler Sicht
„Der Abstieg des deutschen Fechtsportes bei den WM `beeindruckte` in negativer Hinsicht…“
Frage: Rund acht fechtsportliche Monate liegen 2018 hinter uns. Wie lautet Ihr Resümee aus deutscher Sicht nach den EM in Novi Sad im Juni und den WM in Wuxi im Juli?
Gerd May: Bei den europäischen Titelkämpfen in Novi Sad dominierten vor allem die russischen Fechterinnen und Fechter, die elf Medaillen, darunter sechsmal Gold, gewannen. Auch Italien, Frankreich, Ungarn, Estland und Deutschland kamen zu EM-Titeln. Max Hartung, unser deutscher Säbel-Fechter, holte bei den EM Top-Ergebnisse – Gold im Einzel und Bronze mit der Mannschaft. Eine klasse Leistung. In den anderen Fecht-Disziplinen gab es einzelne Hoffnungsträger aus der deutschen Mannschaft, wobei auch Richard Schmidt mit Bronze im Degen-Einzel ein ausgezeichnetes Ergebnis erreichte.
Bei den WM wurde hingegen der Abwärtstrend des deutschen Fechtsportes deutlich. Es konnte keine Medaille errungen werden. Wie meinte ein Funktionär: Deutschland ist im Fechten im sportlichen Niemandsland verschwunden, hat sich im deutschen Leistungssport von einer einst führenden Sportart zu einer Randsportart entwickelt…
Dafür überzeugten andere Nationen. Vierzehn Länder schafften bei den Fecht-Weltmeisterschaften im Juli in Wuxu Medaillen. Ganz stark waren Italien und Südkorea mit jeweils siebenmal Edelmetall, wobei Italien viermal Gold und Südkorea zweimal Gold holten. Die Fechterinnen und Fechter der USA präsentierten sich ebenfalls in ausgezeichneter Form und erkämpften sechs Medaillen, darunter zweimal Gold. Goldene WM-Momente erlebten in Wuxu zudem Frankreich, Russland und die Schweiz.
Frage: Welche fechtsportlichen Leistungen beeindruckten Sie aus internationaler Sicht bei den WM 2018 insbesondere?
Gerd May: Der Abstieg des deutschen Fechtsportes „beeindruckte“ in negativer Hinsicht – diese Entwicklung ist einfach nur traurig. Dafür überraschten andere in positiver Hinsicht. Ich persönlich war sehr von den Leistungen der französischen Säbel-Damen Cecilia Berder, Manon Brunet, Charlotte Lembach und Caroline Queroli angetan, die Team-Gold errangen. Tolle Leistungen zeigten auch der italienische Florett-Fechter Alessio Foconi und der südkoreanische Säbelfechter Kim Jung-hwan – jeweils Doppel-WM-Gold im Einzel und mit der Mannschaft waren der verdiente sportliche Lohn. Überhaupt bleiben der Kampfgeist und die Leistungen der südkoreanischen Fecht-Sportlerinnen und -Sportler in Wuxu unvergesslich.
Frage: Im Juni feierten Sie Ihren „65.“. Bleiben Sie dem Fechtsport auch weiterhin treu?
Gerd May: Ja, natürlich! Beim Fechtzentrum Berlin, ehemals PSV Berlin, trainiere ich zweimal wöchentlich die Säbel-Fechter und zusammen mit Horst Dumke auch die Rollstuhl-Fechter.
Letzte Frage: Gibt es noch Kontakte zur alten familiären und sportlichen Heimat M-V?
Gerd May: Ich habe ja Verwandte in Greifswald und fahre dorthin regelmäßig zu Besuch.
Vielen Dank und weiterhin alles Gute!
M.Michels
[box]Zur Info: Der gebürtige Rostocker Gerd May, Jahrgang 1953, war 1980 bei den Olympischen Spielen in Moskau Mitglied des DDR-Säbel-Teams, das Platz sechs belegte.[/box]