„Es gab eine grandiose Stimmung im Stadion…“

Interview mit Ute Hascher-Brückner, Schwimm-Weltmeisterin von 1975

Vor 43 Jahren, 1975 in Cali, fanden die zweiten Schwimm-WM statt und eine gebürtige Leipzigerin war dort außerordentlich erfolgreich: Ute Hascher-Brückner, Jahrgang 1959, holte dort Gold mit der 4 x 100 Meter Freistilstaffel der DDR. Heute lebt Hascher-Brückner in Zinnowitz/Usedom und promotet mit Ihrer Agentur Athletinnen und Athleten aller Sportarten.

Ute Hascher-Brückner. Foto: Gerd Hascher/privat

Frage: Frau Hascher-Brückner, Sie wurden 1975 Staffel-Weltmeisterin mit der DDR. Wie war die Stimmung bei den zweiten Schwimm-WM der Sportgeschichte? Hatten Sie damals mit dem Erfolg „gerechnet“? Und wie war das Verhältnis zur Konkurrenz?

Ute Hascher-Brückner: Mit diesem Erfolg hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte mich bei den DDR Meisterschaften 1975 über 400 Meter Freistil für die WM In Kolumbien qualifiziert und dann  in Cali im Finale den siebenten  Platz belegt. Da ich jedoch Freistilsprinterin war, wurde ich in der 4 x 100 Meter Staffel eingesetzt. Ich war die jüngste Schwimmerin in dem Quartett. Zu den WM an sich: In Cali gab es eine grandiose Stimmung im Stadion. Alle Plätze waren zu den Wettkämpfen immer besetzt. Man darf nicht vergessen, dass Kolumbien keine Schwimm-Nation zu dieser Zeit war und auch jetzt nicht ist. Das mediale Interesse war gewaltig.

Ich wurde als letzte Schwimmerin eingesetzt und musste mich gegen die stärkste Amerikanerin, Shirley Babashoff, beweisen und habe sie auch auf Abstand halten können.  Wir unterboten den alten Weltrekord mit erstmals unter 3:50 Minuten und besiegten zum allerersten Mal  in der Geschichte des Schwimmens die favorisierten US-Amerikanerinnen. Damals schwamm Kornelia Ender als Startschwimmerin übrigens Weltrekord, also wurden zwei Weltrekorde in einer Freistilstaffel geschwommen. Das hat es bis jetzt nicht wieder gegeben.

Frage: Wie verlief Ihre Karriere als Leistungsschwimmerin nach den WM? Bereits 2 Jahre später beendeten Sie diese ja bereits.

Ute Hascher-Brückner: Bis zum Karriereende 1977 nahm ich noch an zahlreichen internationalen Wettkämpfen und Meisterschaften teil, bei denen ich Titel erringen konnte. Man galt in dieser Zeit, mit 18 Jahren, als „Schwimm-Oma“. Ich schwamm aber bereits mit sieben Jahren schon intensiv!

Frage: Wie kamen Sie dann nach Usedom?

Ute Hascher-Brückner: Mein Mann, damals Schwimmtrainer beim SC DHfK Leipzig, fand schon immer  die Ostsee toll und wir wollten aus der durch Umwelteinflüsse belasteten Leipziger Gegend raus. Auch weil die Verschmutzung durch Industrie und Braunkohle sehr groß war…  Also suchten wir uns einen Wohnort am Meer. Heute ist die Stadt Leipzig auch für uns auf jeden Fall wieder eine Reise wert. Diese Stadt und das Umland haben sich hervorragend entwickelt.

Frage: Mittlerweile leiten Sie eine Sport-Promotion-Agentur. Welche Aufgaben und Aktivitäten sind mit dieser verbunden?

Ute Hascher-Brückner: Ich organisiere Trainingslager und suche Sponsoren für junge Sportlerinnen bzw. Sportler, vertrete aber auch den Schwimmsport auf internationalem Parkett.

Frage: Sie gehörtenzu den goldenen Jahrgängen im Schwimmsport, schwammen „gemeinsam“ mit Roland Matthes oder Kornelia Ender. Gibt es noch Kontakte zu den früheren Team-Kolleginnen und –Kollegen? Und: Verfolgen Sie das aktuelle Schwimm-Geschehen noch bzw. sind gar noch selbst aktiv?

Ute Hascher-Brückner: Wir treffen uns noch regelmäßig zu organisierten Veranstaltungen. Ich werde auch zu zahlreichen Charity- bzw. Champion-Galas eingeladen und bin hier und da auch Schirmherrin von Schwimm-Events.

Ich pflege meine Sportfreundschaften und bin sehr stolz, ein Teil davon sein zu dürfen. Die letzten Europameisterschaften (Im August 2018 fanden die Schwimm-EM für Athleten ohne Handicaps in Glasgow statt und für Athleten mit Handicaps in Dublin.  – red. Anm.) im Schwimmen habe ich intensiv verfolgt und mich über die guten Leistungen der deutschen Schwimmerinnen und Schwimmer sehr gefreut. Den Leistungen der Schweriner Para-Schwimmerin Denise Grahl (für Rostock startend) mit dreimal Gold, einmal Silber sowie der Greifswalder Para-Schwimmerin Verena Schott (für Cottbus startend) mit einmal Gold und dreimal Bronze kann ich nur Hochachtung zollen.

Was das eigene Aktiv sein betrifft: Persönlich gehe ich noch gern schwimmen, fahre den Sommer über mit dem Rad und im Winter Abfahrtski mit meinem Mann. Außerdem trainiere ich die Wettkampf-Gruppe des Wolgaster Schwimm-Vereins der Insel Usedom mit Erfolg.

Vielen Dank und weiterhin maximale Erfolge – sportiv, persönlich und beruflich!

 

Symbolbild

 

Historisches zum Schwimmsport 

Cali und die WM 1975

An den zweiten Schwimm-WM 1975 nahmen 682 Athletinnen und Athleten aus 39 Ländern teil. Diese wetteiferten um 37 Titel in den Sportarten Becken-Schwimmen (29 Entscheidungen), Wasserspringen (vier Entscheidungen), Synchron-Schwimmen (drei Entscheidungen) und Wasserball (eine Entscheidung). Während die USA und die DDR im Becken-Schwimmen dominierten, waren die USA auch im Synchron-Schwimmen (dreimal Gold) und im Wasserspringen (zweimal Gold) am erfolgreichsten. Im Wasserball setzte sich die Sowjetunion vor Ungarn, Italien und Kuba durch.

M-V im weltmeisterlichen Schwimmbecken 1973 und 1975

Blickt man auf die ersten beiden Schwimm-WM (1973 in Belgrad und 1975 in Cali) zurück, so waren auch Becken-Schwimmerinnen und -Schwimmer aus Mecklenburg-Vorpommern erfolgreiche WM-Pioniere. Die gebürtige Schwerinerin Rosemarie Kother (verheiratete Gabriel) wurde in beiden Jahren Weltmeisterin sowohl über die 200 Meter Schmetterling als auch mit der 4 x 100 Meter-Lagen-Staffel der DDR. Über 100 Meter Schmetterling holte sie jeweils silber, hinter Kornelia Ender.
Lutz Wanja (bis 1971 ASK Vorwärts Rostock) erschwamm sich 1973 Bronze über die 100 Meter Rücken (Sieger Roland Matthes). Der gebürtige Rostocker Frank Pfütze belegte 1975 Rang drei über 400 Meter Freistil (Sieger Tim Shaw/USA).

Schwimm-Duelle DDR-USA

Im weltmeisterlichen Schwimmbecken gelang der DDR 1973 mit 12:11 Weltmeister-Titeln ein knapper Erfolg über die USA (Westdeutschland erreichte dreimal Bronze). 1975 stand es im Hinblick auf die WM-Titel 11:11, wobei die Amerikanerinnen bzw. Amerikaner aber mehr Silber und Bronze holten (DDR: 23 Medaillen, USA: 37 Medaillen / Westdeutschland kam seinerzeit auf einmal Gold, zweimal Silber, einmal Bronze).

Schwimmen – eine olympische Kernsportart. M.M.

Schwimm-Asse aus M-V regelmäßig erfolgreich im olympischen Becken 

Erfolgreiche Schwimmerinnen und Schwimmer aus dem Nordosten Deutschlands gab es in der Vergangenheit außerdem bei Olympia.

Vor 38 Jahren sorgte eine Greifswalderin, die für den SC Empor Rostock startete, für viel Furore. Caren Metschuck-Mahn, die 1963 in Greifswald geboren wurde, feierte sowohl als aktive Schwimmerin wie auch als Trainerin zahlreiche Erfolge. In Moskau, bei den Olympischen Spielen 1980, erkämpfte sie über 100 m-Schmetterling Olympia-Gold. Außerdem gewann sie mit der 4×100 m Freistil-Staffel und der 4×100 m Lagen-Staffel ebenfalls Goldmedaillen. Damit wurde sie die erfolgreichste Teilnehmerin dieser Olympischen Spiele. Ein Jahr später wurde sie in Split Europameisterin über 100 m Freistil und siegte wiederum mit der 4×100 m Freistil-Staffel und der 4×100 m-Lagen Staffel. Nach den Weltmeisterschaften 1982 und dem Weltmeistertitel mit der 4×100 m-Freistil Staffel beendete sie ihre sportliche Karriere und arbeitete als Lehrerin sowie als Trainerin, wobei sie unter anderem auch den Wahl-Rostocker Thomas Rupprath betreute.

Neben Caren Metschuck mit dreimal Gold und einmal Silber in Moskau 1980, gehören auch die gebürtige Schwerinerin Andrea Pollack mit dreimal Gold und dreimal Silber in Montreal 1976 sowie in Moskau 1980 und die gebürtige Rostockerin Sarina Hülsenbeck mit einmal Gold in Moskau 1980 zu den erfolgreichsten Schwimmerinnen bei Olympia aus M-V.

Medaillenerfolge bei Olympia hatten weiterhin Bärbel Fuhrmann (Rostock) mit Bronze 1960 und Rosemarie Gabriel (gebürtige Schwerinerin) mit Bronze in Montreal 1976.

Medaillen-Power zeigten auch die Männer – zwischen 1964 und 1988. Die Rostocker Frank Wiegand (4 x Silber von 1964 bis 1968), Egon Henninger (2 x Silber von 1964 bis 1968), Lars Hinneburg (1 x Silber, 1 x Bronze 1988), Klaus Katzur (1 x Silber 1972) und Frank Pfütze (1 x Silber 1976, 1980) und der gebürtige Güstrower Patrick Kühl (1 x Silber 1988) gehörten zu den eifrigsten Edelmetall-Sammlern im Schwimmbecken.

Bekannte Olympia-Teilnehmer aus M-V waren auch Udo Poser (ASK Vorwärts Rostock 1968/1972), der gebürtige Rostocker Nils Rudolph (1992) und der Wahl-Rostocker Thomas Rupprath (Olympia-Teilnehmer 2008 als Mitglied des Vereines SC Empor Rostock).

Und bei den Paralympics waren hiesige Schwimmerinnen und Schwimmer nicht minder erfolgreich:  Bei den Wettkämpfen in Athen 2004 gewann die Greifswalderin Natalie Ball  vier Medaillen und der gebürtige Schweriner Torben Schmidtke erkämpfte in London 2012 einmal Silber sowie in Rio 2016 einmal Bronze. Zwei Weitere konnten 2012/2016 jubeln: Die für Rostock startende und in Schwerin geborene Denise Grahl schaffte in Rio 2016 einmal Silber. Silber holte vier Jahre zuvor, in London 2012,  auch die gebürtige Greifswalderin Verena Schott.

 

Die Landeshauptstadt Schwerin – seit 100 Jahren mit schwimmsportlicher Tradition

Rostock, Greifswald und Schwerin gehören zu den Städten in M-V, die bislang die meisten olympischen und paralympischen Medaillen-Gewinner im Schwimmsport in ihren Reihen hatten. Die erfolgreichste Olympionikin des Landes im Schwimmbecken kommt derweil aus der Landeshauptstadt: Andrea Pollack. Doch wie begann es eigentlich mit dem Schwimmsport in Schwerin?

Schwimmen war stets eine beliebte Freizeitbetätigung der Schweriner. Doch erst um 1910 begannen sich am Schwimmen begeisterte Schweriner zu gemeinsamen, ungezwungenen Wettschwimmen zu treffen. Und es dauerte noch weitere drei Jahre, ehe sich in der Landeshauptstadt ein Schwimmklub herausbildete. Dieser konstituierte sich im Jahr 1913 – kurz vor dem ersten internationalen Schweriner Schwimmfest im August 1913. Dieses Schwimmfest fand im Medeweger See statt, in dessen Programm ein Dauer-Schwimmen, ein Kürspringen, Wasserballspiele, Rettungsvorführungen und ein Damen-Wettschwimmen aufgenommen wurden.

In der Schweriner Schwimmer-Mannschaft konnte der 14-jährige Henry Leuckefeldt überzeugen, der vordere Platzierungen erreichte. Bis 1918 nutzte der Schweriner Schwimm-Verein die Hovemannsche Badeanstalt für die Trainingsstunden. 1921 zählte der Verein 250 Mitglieder und zählte damit zu den größten Sportgemeinschaften der Stadt.

Ab 1924 organisierte der SSV auch jährlich das “Pfaffenteich-Schwimmen”, eine der damals beliebtesten Veranstaltungen der Stadt. Und 52 Jahre später gab es dank Andrea Pollack das erste olympische Schwimm-Gold für Schwerin…

Text und Interview: M. Michels

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