Im Gespräch mit Kati Köster, erste Vorsitzende des Rostocker Ruderclubs von 1885
Das rudersportliche 2018 wird ereignisreich. Die Jahreshöhepunkte sind klar die Elite-EM in Glasgow und die Elite-WM in Plowdiw. Nach mehreren Monaten im Trocken-Dock war nun wieder Anrudern angesagt. Auch für die Vereine in Mecklenburg-Vorpommern. Welche Herausforderungen speziell für die Ruderinnen und Ruderer des Rostocker Ruderclubs von 1885 zu meistern sind, welches die kommenden sportlichen Höhepunkte sind und wie es um den Stellenwert der Sportart in MV und Deutschland bestellt ist, erzählt RRC-Vorsitzende Kati Köster im Gesräch.
Interview
„Das Schöne am Rudern ist, dass für jede Altersklasse etwas geboten wird…“
Frage: Was waren die ersten Highlights im Rudern 2018, speziell im Ergometer-Rudern? Wie lief es aus Sicht des RRC?
Kati Köster: Unsere Mitglieder waren in den ersten Monaten des Jahres schon viel unterwegs – und gerade im Winter, wenn unser Steg nicht im Wasser ist, müssen wir zum Leidwesen der meisten Ruderinnen und Ruderer auf das Ergometer umsteigen.
Gleich im Januar fanden in Lübeck die Norddeutschen Ergo-Meisterschaften statt. Dort holte einer unseren jüngsten Sportler, Marten Gehring, in seiner Altersklasse den Meistertitel. Ebenso sicherte sich Axel Zimmermann den Norddeutschen Meistertitel, der bei den Masters der Altersklasse 50- 54 Jahre an den Start ging. Axel lieferte außerdem auf den Deutschen Meisterschaften in Kettwig ein spannendes Rennen und holte dort die Silbermedaille.
Am vergangenen Wochenende fand dann die erste nationale Überprüfung der Kader-Athleten statt. Sie trafen sich in Leipzig, um zunächst auf dem Ergometer und am nächsten Tag auf dem Wasser ihre Resultate des harten Wintertrainings unter Beweis zu stellen. Dort startete Julia Leiding für den Rostocker Ruderclub. Auf dem Ergometer fuhr sie persönliche Bestzeit und über den „harten Kanten“ – die 6000 Meter Langstrecke, die es auf dem Wasser zu rudern gilt – fuhr sie die sechstschnellste Zeit.
Frage: Wie verlief das Anrudern 2018? Wann gab bzw. gibt es die ersten größen Freiluft-Wettkämpfe?
Kati Köster: Der Steg ist nun seit drei Wochen wieder im Wasser. Unsere Mitglieder haben diesen Moment lange herbeigesehnt, denn über den Winter zogen neue Boote in unserer Halle ein, die auf ihren ersten Einsatz auf der Warnow warteten.
Noch am gleichen Wochenende gingen die ersten Sportler beim 50 Kilometer-Langstrecken- Cup an den Start und holten sich die ersten wohlbekannten Blasen an den Händen. Das Schöne an dieser Auftakt-Veranstaltung war, dass alle Altersklassen (über 18Jahren) an den Start gehen konnten.
Am vergangenen Wochenende fand, wie bereits angesprochen, die Langstrecke in Leipzig für die Kader-Sportler statt. Dort war M-V neben unserer Sportlerin Julia Leiding (sechster Platz) mit Stephan Krüger, Marie-Louise Dräger (jeweils zweite Plätze), Frauke Hacker (dritter Platz), Malte Daberkow (sechster Platz), Hannes Ocik (siebenter Platz), Carolin Dold (achter Platz) und Felix Drahotta (neunter Platz) wieder äußerst erfolgreich vertreten.
Zeitgleich fand auf unserem Vereinsgelände das traditionelle Anrudern statt, bei dem immer alle Vereinsmitglieder eingeladen sind, miteinander die erste große Ausfahrt zu unternehmen und anschließend bei Kaffee und Kuchen beisammen zu sein.
Am kommenden Wochenende (14./15.April 2018) findet für die Kinder die Langstrecken-Regatta in Kessin und zwei Wochen später (28./29.April 2018) die Lübecker Ruderregatta statt. Für Julia geht es dann schon zu den Deutschen Kleinbootmeisterschaften auf den Essener Baldeneysee. Und damit ist dann die Wettkampfsaison auch schon in vollem Gange.
Frage: Welche Ziele hat der RRC für die kommenden Monate? Welche Ruderinnen und Ruderer des RRC haben das Potenzial, um bei den kommenden EM und WM dabei zu sein?
Kati Köster: Mit Julia Leiding geht eine der erfolgreichsten Ruderinnen aus M-V für den Rostocker Ruderclub an den Start. Bereits in Leipzig hat sie unter Beweis gestellt, dass sie auch in dieser Saison in die Nationalmannschaft gehört.
Wir hoffen, dass sie ihre derzeitige Erkältung bis zu den Kleinbootmeisterschaften in Essen überwindet und dort an ihre Erfolge anknüpfen kann. Dann denke ich, steht auch 2018 der Teilnahme an den Weltcups in Belgrad, Linz und Luzern, der EM in Schottland und der WM in Plowdiw nichts im Wege. Wir drücken Julia fest die Daumen, dass es eine medaillenreiche Saison für sie wird.
Frage: Wie ist ansonsten die rudersportliche Entwicklung des RRC einzuschätzen? Wie viele aktive Ruderinnen und Ruderer hat der Verein? Wie ist die Altersspanne?
Kati Köster: Das Schöne am Rudern ist, dass für jede Altersklasse etwas geboten wird. Und das zeigt sich auch in unseren Mitgliederzahlen. Wir haben derzeit 183 Mitglieder, davon allein 43 Sportler um U18-Bereich aber auch 28 Sportler über 60 Jahre.
Bereits im Kindesalter kann man nämlich – mit der Voraussetzung, dass man schwimmen kann – ins Boot steigen. Unsere Kids haben sich auf Regatten in M-V und auch über die Grenzen unseres Bundeslandes hinaus einen guten Ruf erarbeitet. Dieses wurde gerade in den letzten Jahren durch die hauptamtliche Stadttrainerstelle ermöglicht. Ich bedanke mich hier vor allem bei der Hansestadt für die Finanzierung dieser Stelle.
Aber auch für Erwachsene bringt der Rudersport einiges mit sich. Je nach Interesse besteht die Möglichkeit, an Wettkämpfen oder auch dem Wanderrudern teilzunehmen. Aber man kann natürlich auch in den Verein kommen, um sich einfach nur mal zu bewegen – bei den vielen sitzenden Tätigkeiten heutzutage kommt die Bewegung leider oft viel zu kurz.
In den vergangenen Jahren ist es uns außerdem gelungen, die Lücke zwischen Kindern und Erwachsenen mit dem Aufbau einer Studenten-Trainingsgruppe etwas zu schließen. Damit haben wir für Sportinteressierte zwischen zwanzig und dreißig Jahren deutlich an Attraktivität gewonnen.
In den nächsten Jahren besteht für uns, wie für eigentlich alle Vereine, weiterhin die Aufgabe, für Kinder und Jugendliche ein möglichst flexibles Angebot aufzubereiten, dass es ihnen ermöglicht, neben dem Schritt von der Schule in die Ausbildung den Sport (weiter) zu betreiben.
Letzte Frage: Wie beurteilen Sie den Stellenwert des Rudersportes mittlerweile in Deutschland und speziell in M-V?
Kati Köster: Der Rudersport ist mit seinen über 80.000 Mitgliedern bundesweit einer der international erfolgreichsten Verbände im deutschen Sport. Hannes Ocik ist zurzeit mit seinen Olympia- und WM-Erfolgen zudem der erfolgreichste Ruderer in M-V. Durch die Unterstützung des Bundes, des Landes und der Hansestadt bestehen im Landesleistungszentrum in Rostock für den Nachwuchs aus M-V tolle Trainingsbedingungen.
Es ist in den letzten Jahren schwieriger geworden, den Nachwuchs dauerhaft für den Leistungssport zu begeistern. Rudern als Ausdauersportart erfordert erhebliche Trainingsumfänge, wenn man langfristig erfolgreich sein will. Dazu kommt, wie bereits angesprochen, dass die Ausbildung oder das Studium mit dem Sport vereinbart werden muss. Neben dem Leistungssport existiert ein breites Angebot an Wettkämpfen für verschiedene Altersgruppen und Leistungsvermögen. Für die Durchführung von Wanderfahrten stehen in keinem Bundesland mehr Gewässer zur Verfügung als in M-V.
Leider gibt es auch in unserem Bundesland zunehmend Beschränkungen beim Befahren von Wasserstraßen. Diese entstehen teilweise durch Umweltschutzauflagen, teilweise aber auch durch die Wasserstraßen-Reform, nach der nur touristisch genutzte Wasserstraßen, aber nicht mehr ihre Bauwerke im bisherigen Umfang unterhalten werden sollen. Speziell hier bei uns auf der Warnow sind wir enorm durch die Schließung der Mühlendammschleuse seit 2011 eingeschränkt. Wir fordern weiterhin, dass die Beteiligten endlich zu einer Lösung kommen, damit wir den Bereich der Schleuse wieder passieren können.
Vielen Dank und weiterhin bestes Engagement für den Rudersport!
Rudersportliche Erfolgsmomente für M-V – eine Auswahl
Bei der vorerst letzten olympischen Ruder-Regatta 2016 in Rio war ein Quartett aus M-V am Start, mit Marie-Louise Dräger (Olympischer Ruder-Club von 1956 Rostock, inzwischen Schweriner Rudergesellschaft von 1874-75, Leichtgewichts-Doppelzweier), Stephan Krüger (Olympischer Ruder-Club von 1956 Rostock, Doppelzweier), Hannes Ocik (gebürtiger Rostocker, Schweriner Rudergesellschaft von 1874-75, Achter) und Felix Drahotta (gebürtiger Bad Doberaner, früher Rostocker Ruder-Club von 1885, jetzt Leverkusen). Für Hannes Ocik und Felix Drahotta gab es vor zwei Jahren Olympia-Silber mit dem Deutschland-Achter.
Olympische Achter-Tradition für M-V wurde fortgesetzt
Insgesamt waren deutsche Herren-Achter bei Olympia übrigens sechsmal auf Rang eins (Bundesrepublik 1960, 1968, 1988, DDR 1976 und 1980, vereint 2012). Im goldenen DDR-Achter in Montreal 1976 ruderten auch fünf Ruderer vom ASK Vorwärts Rostock mit Werner Klatt, Joachim Lück, Ulrich Karnatz, Karl-Heinz Prudöhl und Karl-Heinz Danielowski. In Moskau 1980 jubelten ebenfalls zwei Ruderer vom ASK Vorwärts Rostock über Olympia-Gold, erneut Ulrich Karnatz und Ulrich Kons.
Hans Sennewald 1992 mit Bronze
Bei den Spielen 1992 in Barcelona war auch Hans Sennewald (bis 1990 ASK Vorwärts Rostock, nach 1990 Olympischer Ruder-Club Rostock) Mitglied des bronzenen Deutschland-Achters und der gebürtige Ueckermünder Peter Thiede, vor 1990 ASK Vorwärts Rostock, nach 1990 Olympischer Ruder-Club Rostock sowie Ruder-Club Hansa Dortmund, erkämpfte in Atlanta 1996 Silber mit dem Deutschland-Achter.
Weitere Höhepunkte im Herren-Achter für M-V
Das erste olympische Achter-Gold aus M-V-Sicht erkämpfte Karl-Heinrich von Groddeck, der in Tutow (Landkreis Vorpommern-Greifswald) geboren wurde. Er sicherte sich Olympia-Gold mit dem Deutschland-Achter 1960 in Rom und zudem Olympia-Silber 1964 in Tokyo. In Tokyo waren unter anderem auch der gebürtige Neustrelitzer Klaus Aeffke und der gebürtige Neubrandenburger Hans-Jürgen Wallberg mit „an Bord“.
Des Weiteren errang Karl-Heinrich von Groddeck Olympia-Silber 1956 in Melbourne mit dem „Zweier mit“, 1962 schaffte er auch WM-Gold im Achter sowie 1959, 1963 und 1964 jeweils EM-Gold im Achter.
Eine olympische Bronzemedaille errang vor 46 Jahren bei den Olympischen Spielen 1972 in München der Schweriner Manfred Schneider im DDR-Achter.
Olympisches Frauen-Rudern auch mit Erfolgen für M-V
Und auch im olympischen Frauen-Rudern erlebte M-V oft erfolgreiche Momente. Seit den Olympischen Spielen 1976 in Montreal, dort fand erstmals eine olympische Ruder-Regatta für Damen statt, gehörten Ruderinnen aus Mecklenburg und Vorpommern, die hier zumindest „ihre Wiege“ oder ihren Verein hatten, regelmäßig zu den erfolgreichen Olympionikinnen.
Bereits in Montreal 1976 gab es durch die 1956 in Stralsund geborene Monika Kallies Olympia-Gold im Achter und durch die 1954 in Neukalen zur Welt gekommenen Anke Borchmann ebenfalls Olympia-Gold im Doppelzweier. Die heutige Wahl-Schwerinerin Petra Boesler (verheiratete Wach) holte Silber im Doppelzweier.
In Moskau 1980 konnten Cornelia Linse aus Greifswald und Heidi Westphal aus Gnoien über Silber im Doppelzweier jubeln. Die in Strasburg geborene Ramona Kapheim schaffte dort Gold mit dem Vierer mit.
Vier Jahre später folgte dann der Olympia-Boykott vieler real-sozialistischer Länder in Los Angeles, so dass auch potentielle rudersportliche Olympionikinnen aus M-V um ihre Teilnahme-Chance 1984 gebracht wurden.
Goldene Momente in Seoul
Dafür sorgten dann Kathrin, Silvia und Jana 1988 in Seoul für Furore. Die gebürtige Wismarerin Kathrin Haacker gewann Gold im Achter, Silvia Rose, aus Barth stammend, erkämpfte Gold im Vierer mit und Jana Sorgers, in Neubrandenburg geboren, errang Gold im Doppelzweier.
Kathrin Haacker war dank einer Talente-Sichtung in Mecklenburg zum Rudersport gekommen. So wuchs Kathrin im kleinen mecklenburgischen Dorf Passee bei Wismar auf und im Jugend-Alter erfolgte eine sportliche Sichtung in der Schule und Kathrin wurde als Ruderin „erwählt“. Da im Ruder-Leistungszentrum des ASK Vorwärts in Rostock nur Männer ruderten, wurde die 1967 in Wismar geborene Athletin weiter nach Berlin zur Kinder- und Jugendsportschule bzw. zum SC Dynamo delegiert. Dort begann letztendlich ihr rudersportlicher Aufstieg.
Das Olympia-Gold in Seoul war für Kathrin Haacker letztendlich „die Erfüllung eines Lebenstraumes“. Nachdem ihr 1986 der internationale sportliche Durchbruch gelang, wollte sie es unbedingt wissen: Olympia nicht nur erleben, sondern – möglichst siegreich – zu genießen. Kurz vor den Olympischen Spielen in Seoul stieg Kathrin, auf Anraten der Trainer, vom Zweier ohne in den Achter um – eine goldrichtige Entscheidung. Es war für die Mecklenburgerin dann „ein super Gefühl, ganz oben auf dem olympischen Podest zu stehen“. Ihre mecklenburgische Heimat besucht Kathrin aber immer noch.
Erfolge und Medaillen auch nach 1996
Sehr erfolgreich bei olympischen Ruder-Regatten war ebenfalls die aus Waren-Müritz stammende Katrin Rutschow-Stomporowski – Gold im Doppelvierer 1996, Einer-Bronze 2000 und Einer-Gold 2004.
Bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona hatten erneut einige „M-V-Frauen“ die rudersportliche Erfolgsspur gefunden. Einerseits holte Kathrin Haacker mit Olympia-Bronze im Achter, zusammen mit der gebürtigen Kühlungsbornerin Dana Pyritz (Zwillingsschwester Jana war auch eine erfolgreiche Ruderin…) eine weitere Olympia-Medaille, andererseits war die mit Schwerin verbundene Sybille Schmidt mit Gold im Doppelvierer vorne dabei. Die gebürtige Schwerinerin Annette Hohn belegte mit dem Vierer ohne Rang drei.
Und die Neubrandenburgerin Jana Sorgers konnte sich hingegen 1996 in Atlanta erneut über Gold freuen – wieder im Doppelvierer. Ganz knapp verpasste Marie-Louise Dräger 2008 im leichten Doppelzweier mit Platz vier eine Medaille…
Text und Interview: Marko Michels