Im Blickfeld: Stabhochspringerin Carolin Hingst

Carolin Hingst über die vergangene Leichtathletik-WM, ihre sportliche Karriere und neue Herausforderungen

Im Berliner Olympiastadion werden 2018 die Leichtathletik-Europameisterschaften stattfinden – natürlich auch mit den Entscheidungen im Stabhochspringen. Foto: Michels

Nun sind die 16.IAAF-Welt-Titelkämpfe in der Leichtathletik auch schon wieder Historie. Zehn Tage lang wurde um die 47 Goldmedaillen gewetteifert, wobei diesbezüglich auch 72 deutsche Athletinnen und Athleten aktiv waren. Letztendlich gewannen diese fünf Medaillen: Gold durch Speerwerfer Johannes Vetter, jeweils Silber durch Siebenkämpferin Carolin Schäfer bzw. Rico Freimuth und jeweils Bronze durch 100 Meter-Hürdenläuferin Pamela Dutkiewicz bzw. Zehnkämpfer Kai Kazmirek. Sehr erfolgreich waren hingegen die USA, welche 30 Medaillen, darunter 10 x Gold, erkämpften.

In der Disziplin Stabhochspringen kamen die Medaillen-Gewinnerinnen und Gewinner bei den Herren aus den USA (Erster: Sam Kendricks), Polen (Zweiter: Piotr Lisek) bzw. Frankreich (Dritter: Renaud Lavillenie) und bei den Frauen aus Griechenland (Erste: Ekaterini Stefanidi) , den USA (Zweite: Sandi Morris) bzw. Venezuela (Dritte: Robeilys Peinado) und Kuba (ebenfalls Dritte: Yarisley Silva).

Aus deutscher Sicht verliefen die Stabhochsprung-Konkurrenzen in London nicht besonders erfolgreich. Raphael Holzdeppe erreichte zwar das Finale der besten 12 Stabhochspringer, blieb dort aber ohne gültigen Versuch. Bei den Stabhochspringerinnen belegte Lisa Ryzih immerhin Rang fünf. Dagegen wurden Silke Spiegelburg und Friedelinde Petershofen nur Vierzehnte und Zwanzigste.

Insgesamt waren die 16.Leichtathletik-WM 2017 aus deutschen Blickwinkel alles andere als ein Erfolg. Es zeigte sich wieder einmal, dass Deutschland in vielen olympischen Kernsportarten den Anschluß an die absolute Weltspitze verloren hat. Positive Ausnahmen gibt es zwar, die bestätigen allerdings einen gewissen negativen Trend.

Eine der erfolgreichsten deutschen Stabhochspringerinnen der jüngeren Sportgeschichte ist Carolin Hingst…

Carolin Hingst in Aktion (Foto: © Robert Skarupke)

Geboren wurde Carolin Hingst im Olympia-Jahr 1980, als Wladislaw Kozakiewicz aus Polen, der später nach Deutschland übersiedelte, Olympia-Gold im Stabhochspringen der Männer gewann, und Maxi Gnauck, Olympiasiegerin am Stufenbarren wurde.

Stabhochspringen und Turnen – das waren auch die Sportarten, die es Carolin Hingst angetan hatten. Ihre sportliche Karriere begann sie zunächst als Turnerin, Tennisspielerin und Langstreckenläuferin, wechselte 1998 schließlich zum Stabhochspringen. In jenem Jahr, in welchem diese Disziplin auch für Frauen Bestandteil der Leichtathletik-EM  wurde (Siegerin: die Ukrainerin Anschela Balachonowa). 1999 war das Stabhochspringen für Frauen erstmals weltmeisterlich und 2000 zum ersten Mal olympisch. Sowohl 1999 als auch 2000 siegte die Amerikanerin Stacy Dragila.

Fünfmal an einer WM und zweimal bei Olympia (2004 in Athen und 2008 in Peking) nahm auch Carolin Hingst teil, die mit 37 Jahren eine der ältesten aktiven Stabhochspringerinnen ist.

Carolin Hingst im Interview

Die Ausnahmeathletin über die Resultate der WM in London, über Vergangenes und Kommendes in der Leichtathletik und darüber hinaus

„Ich vergesse keinen Wettkampf…“

Frage: Die 16.IAAF-Leichtathletik-WM in London sind auch schon wieder Geschichte. Schauten Sie mit etwas Wehmut auf diese Meisterschaften? Kribbelte es beim Zusehen noch ein wenig in Ihren Beinen und Armen ;)?

Carolin Hingst: Nein, das ist schon so okay. Ich hatte ja meine großen Wettkämpfe bei Olympia, Welt- und Europameisterschaften, internationalen Meetings und deutschen Meisterschaften, da schaue ich gern den anderen zu, fiebere mit und drücke ihnen natürlich auch die Daumen. Viele kenne ich persönlich.

Frage: Wie beurteilen Sie die Resultate des deutschen Teams? Speziell auch im Stabhochsprung…

Carolin Hingst: Schade, dass viele unter ihren Möglichkeiten geblieben sind und zum Saison-Höhepunkt nicht ihr bestmögliches Leistungspotenzial abrufen konnten. Es ist aber nicht so, dass bei mir irgendeine Erwartungshaltung vorhanden war. Ich weiß ja um die Defizite im deutschen Förderungssystem, das ja sehr zentralistisch seitens des Deutschen Leichtathletik-Verbandes und des Deutschen Olympischen Sportbundes durchgesetzt wird. Das wird nicht allen Athletinnen und Athleten gerecht.

Mittlerweile gibt esjainnerhalb des Kaders eine spezielle Besten-Förderung, auf die man sich konzentriert. Leider passiert es dann immer wieder mal, dass auch die vermeintlich Besten am Tag der Entscheidung ihr Potenzial nicht ausschöpfen können. Die Resultate bei dieser WM im Stabhochspringen der Frauen und Herren sind – auch im Vergleich zu früheren WM – nicht besonders gut gewesen.

Frage: Was begeisterte Sie und begeistert Sie noch immer am Stabhochspringen, das bekanntlich nicht ungefährlich ist?

Carolin Hingst: Ich bin relativ spät und als Kunstturnerin zum Stabhochspringen gelangt. Ich wollte ohnehin als Achtzehnjährige mit dem Turnen aufhören. Da kamen dann, kurz vor meinem achtzehnten Geburtstag, einige Leichtathleten zu mir in die Turnhalle und meinten, dass ich durch meine turnerischen Fähigkeiten für das Stabhochspringen bestens geeignet sei. Ich versuchte mich dort, hatte viel Spaß und eine Woche vor meinem achtzehnten Geburtstag wurde ich dann Stabhochspringerin.

Frage: Wie sieht Ihr Leben ohne das Stabhochspringen aus? Was sind Ihre beruflichen Perspektiven, Ihre Hobbys? Sie sind ja sozial auch sehr engagiert…

Carolin Hingst: Es stimmt. Ich engagiere mich unter anderem im gemeinnützigen Verein „Sporthilfe für Togo“ und in der „Tour der Hoffnung“ für krebskranke Kinder. Beruflich bin ich als Personal-, Fitness- und Gesundheits-Trainerin aktiv, mache Coaching in Unternehmen und halte Vorträge zu meinen Erfahrungen als Leistungssportlerin im Bereich Ernährung, Gesundheitstraining und im mentalem Training, die auch für Nicht-Leistungssportler und Führungskräfte in Unternehmen wichtig sind.

Carolin Hingst in Aktion (Foto: © Robert Skarupke)

Letzte Frage: Für Sie persönlich… Was waren Ihre schönsten Momente in Ihrer sportlichen Karriere?

Carolin Hingst: Da gibt es einige. Sehr gern erinnere ich mich an meinen olympischen Wettkampf 2008 in Peking, als ich Sechste wurde. Oder an meine deutschen Meistertitel! Oder auch an meine drei deutschen Rekorde! Es gab seit 2001 eine Vielzahl von Wettkämpfen, die mich prägten. Keinen davon werde ich vergessen.

Die allerletzte Frage: Und beim dritten Internationalen Stabhochsprung-Meeting 2018 in Schwerin, das ja maßgeblich von der Schweriner Stabhochspringerin Martina Strutz organisiert wird, sind Sie doch dabei…?

Carolin Hingst: Auf jeden Fall! Ich freue mich schon darauf, 2018 bei Strutzis Meeting dabei sein zu können!

Vielen Dank, weiterhin alles erdenklich Gute und maximale Erfolge!
Marko Michels

 

 

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