Ist M-V ein Land der Kanutinnen und Kanuten?!

Nachgefragt bei der  dreifachen Olympiasiegerin Ramona Portwich

Der Kanu-Rennsport in Mecklenburg-Vorpommern ist eng mit dem Namen der gebĂĽrtigen Rostockerin Ramona Portwich, Jahrgang 1967, inzwischen Mutter von drei Kindern (Helena, Laszlo und Marek), verknĂĽpft. Mitte der 1980er bis Mitte der 1990er beherrschte die Hanseatin den Kanu-Rennsport bei den Frauen.

Bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul, 1992 in Barcelona und 1996 in Atlanta erkämpfte sie dreimal Gold und zweimal Silber. Und die Bilanz bei WM – zwischen 1987 und 1995 – ist noch atemberaubender 13 x Gold, 2 x Silber, 1 x Bronze.

Inzwischen ist die aktive Kanu-Rennsportlerin aber Trainerin – und auch das erfolgreich…

Die WM im Blick

In wenigen Wochen, vom 19. bis 23.August, wird es ein Jahr vor den Olympischen Spielen 2016 in Rio jedoch für die Kanu-Rennsport-Asse aus aller Welt – ganz aktiv – noch einmal weltmeisterlich spannend. Dann „rufen“ die WM in Mailand.

Im Kanu-Rennsport, seit 1936 olympisch, fanden die ersten WM übrigens 1938 in Vaxholm (Schweden) statt. Den ersten WM-Titel für M-V erkämpfte 1971 in Belgrad dann Alexander Slatnow (SC Neubrandenburg) im Kajak-Zweier über 1000 Meter.

Die letzte WM-Medaille im Kanu-Rennsport „für M-V“ holte der gebürtige Neubrandenburger Stefan Holtz (früher SC Neubrandenburg, jetzt Karlsruhe) 2014 in Moskau im Canadier-Zweier über 200 Meter. Ansonsten waren deutsche Kanu-Rennsportlerinnen und -sportler bei Welt-Titelkämpfen stets sehr erfolgreich. Die Bilanz zwischen 1938 und 2014 „spricht“ dabei „für sich“: 458 Medaillen, darunter 194 x Gold, 137 x Silber, 127 x Bronze.

Was erwartet aber nun die Rostockerin Ramona Portwich von den WM 2015?!

Nachgefragt

R.Portwich über die kommende WM im Kanu-Rennsport, den Kanu-Nachwuchs in M-V, die sportlichen Bedingungen hierzulande, die Zusammenarbeit mit Vereinen/Verbänden, ihre olympischen Erfolge und ihre aktuelle Tätigkeit

„Barcelona 1992 war einzigartig…“

Frage: Frau Portwich, die WM in Mailand sind bald auf dem Programm und „irgendwie“ hat man als Mecklenburger und Vorpommer so den Eindruck, dass es hierzulande in der einstigen Erfolgssportart Kanu-Rennsport nicht mehr so gut läuft… Täuscht der Eindruck oder muss sich das Kanu-Land M-V auf dürre Kanu-Erfolgszeiten einstellen?

Ramona Portwich: Der Kanu Rennsport ist immer noch die erfolgreichste olympische Sportart in Deutschland. Vielleicht sollten wir nach 25 Jahren deutscher Sport-Einheit genauer fragen, wie man internationale Erfolge in Ost und West machte, wie sie während der Einheit erhalten und entwickelt wurden und – welche Antworten wir möglicherweise auf die aktuellen Fragen daraus ableiten sollten.

Vielleicht stimmen unsere Zielstellungen und Erwartungen nicht mit den aktuellen Bedingungen im Kanu-Rennsport in Mecklenburg-Vorpommern überein und wir erleben eine stimmige Rückmeldung darüber durch die Ergebnisse bei internationalen Wettkämpfen?!

Dass es eine Trainerstelle in Rostock gibt, ist persönlichem Engagement und einer Zusammenarbeit der für erfolgreichen Leistungssport verantwortlichen Institutionen zu verdanken. Das waren und sind der Deutsche Kanu-Verband, der Olympiastützpunkt M-V, der Landessportbund M-V, der Landeskanuverband M-V und die Hansestadt selbst.

Meine berufliche Situation und die Interessenlage in Rostock trafen gut aufeinander. Seitdem versuche ich mit den hier ansässigen Vereinen, die ja die Hauptarbeit im Ehrenamt leisten, mit meinem Wissen und auch mit meinem Namen dieses Engagement positiv zu beantworten.

Ich kann von mir behaupten zu wissen, wie Leistung geht. Das heißt auch, dass ich sehen kann, wie es nicht geht. Zu meinen Erfahrungen gehört auch, dass es eine stabile fachliche, technische, strukturelle, personelle und menschliche Ausgangslage braucht, die das Stadium permanenter Improvisation verabschiedet.

Die Initiativen im Landeskanuverband M-V erscheinen mir ein förderlicher Impuls zu sein, den es nun gilt, mit den ja vorhandenen Erfahrungen weiter zu entwickeln. Es gibt ja schon tatsächliche Investitionen und Innovationen im Sport-Alltag.

Die zweite hauptamtliche Rostocker Stelle im Kanusport wäre ohne diese gar nicht denkbar – aber sie ist da. Das wollen wir beispielgebend ins Feld führen, um hier weitere Grundlagen für Spitzenleistungen im Kanu-Rennsport in Rostock und Mecklenburg- Vorpommern zu etablieren.

Aus meiner Sicht besteht die Möglichkeit in Rostock eine sportartübergreifende Perspektive einzunehmen – im Sinne einer Kooperation um Talente statt einer Konkurrenz.

Und dann fällt mir auf, dass es auch in anderen Bereichen, im Sozialen, in Erziehung und Bildung, in der Kultur, selbst in der Medizin um Leistung und um wirksames professionelles Handeln geht.

Ich würde mich gern mit dem zuständigen Senator in Rostock und Interessierten zusammen setzen und darüber reden, wie Erfahrungen aus dem Hochleistungssport anwendbar sind und auch darüber, was man nicht zum x-ten Mal probieren braucht, nur weil man nicht im Gespräch war oder ist.

Sport heißt ja zu Beginn die kindliche Freude an Bewegung aufzugreifen, dann zu fördern, für die Eltern mitzudenken, Talente zu sehen und das ist dann wie überall: Gute Programme zu haben, die tatsächlich für die Talente eine fördernde Wirkung haben.

Vielleicht liest Herr Bockhahn das ja?! (Steffen Bockhahn ist Senator für das Ressort Jugend, Soziales, Gesundheit, Schule und Sport in der Hanse- und Universitätsstadt Rostock. – red. Anm.)

Frage: Wie ist es aus ihrer Sicht um den Kanu- Nachwuchs in M-V , speziell in Rostock, bestellt?

Ramona Portwich: Darauf möchte ich mit einem aktuellen Bild antworten über das ich mich sehr gefreut habe und was ganz deutlich ein Ergebnis meiner Arbeit und des Engagements vom SV Breitling, der Kanufreunde Rostocker Greif und des Rostocker Kanu-Clubs ist: Auf der Hanse Sail dieses Jahr sind sieben Drachenboote gemeinsam zu einer Ausfahrt gestartet, sieben Boote aus drei Vereinen trafen sich bei den Kanufreunden zu einer gemeinsamen Tour – super!
In dem Bild steckt auch, dass wir in Rostock den Blick auf alle möglichen Kanu-Sportarten gerichtet haben. Kanu-Rennsport ist davon dann die olympische Form.

Ich bin sehr froh sowie dankbar über das gemeinsame und abgestimmte Agieren der drei genannten Kanuvereine in Rostock und möchte mich hier bei den Vorständen und deren Vorsitzenden bedanken.

Das ist überhaupt nicht selbstverständlich und dennoch gleichzeitig DIE Ausgangsbedingung für eine erfolgreiche Arbeit im Spitzensport.

Aus meiner Sicht haben wir doch einige Talente im Kanu-Rennsport in Mecklenburg-Vorpommern. Die werden am Landesleistungszentrum in Neubrandenburg trainiert.
Die Verabredung im Landeskanuverband ist, talentierte Mädchen und Jungen ab ihrem 14 Lebensjahr in dieses Leistungszentrum zu delegieren. Wir haben in MV vier Regionen, in denen in der Vergangenheit erfolgreich Nachwuchsarbeit im Kanu-Rennsport geleistet wurde und wird.

Das sind Neustrelitz, Schwerin, Neubrandenburg und natĂĽrlich Rostock. Wir sind gerade dabei die Verabredungen zwischen den Vereinen und mit dem LKV zu aktualisieren.
Dabei geht es um alle Themen rund um Nachwuchsleistungssport mit Blick auf die Notwendigkeiten fĂĽr erfolgreichen Spitzensport. Hilfreich ist dabei, dass wir eine Reihe erfolgreicher Kanusportler in MV haben, die auch bereit sind, sich an diesem Prozess zu beteiligen.

Unsere Erfahrungen reichen dabei bis in die Zeiten hinein, in denen in der DDR die Sportclubs ins Leben gerufen wurden, die maĂźgebliche Grundlage fĂĽr die sportlichen Erfolge vor der Wende waren.

Mit unserem neuen LKV-Präsidenten und dem Präsidium haben wir einen konstruktiven Prozess vereinbart, in dem es mittelfristig auch darum gehen wird, die Möglichkeiten der einzelnen Regionen deutlich für die Belange eines erfolgreichen Spitzensportes einzubinden.

Dabei ist die Situation in Rostock besonders interessant. Dafür ist die Position der Rostocker Politik wichtig auch im Verhältnis zu den Interessen unseres Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern.

Frage: Wie beurteilen Sie ansonsten das internationale Kräfteverhältnis im Kanu-Rennsport kurz vor den WM?

Ramona Portwich: Immer mehr Länder sind in der Lage, Medaillen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen zu gewinnen. Es gibt nicht mehr die drei bis vier dominierende Nationen, nein, es wird bei der Medaillenvergabe immer „bunter“. Bei den letzten Welt-Titelkämpfen 2014 in Moskau waren Kanutinnen und Kanuten aus 24 Ländern in den Medaillen-Rängen vertreten. 16 Nationen erkämpften eine oder mehrere Goldmedaillen.

Das Gastgeberland der nächsten Olympischen Spiele, also Brasilien, stellte mit Isaquias Queiroz einen Canadier-Weltmeister. Die Neuseeländerinnen Lisa Carrington und Teneak Hutton wurden Kajak-Weltmeisterinnen. Der Australier Ken Wallace konnte ebenfalls im Kajak bei den Herren über Gold jubeln.

Die Slowakei, Tschechien, Dänemark oder Serbien haben enorm aufgeholt und sind sehr erfolgreich. Auch China oder Südkorea versuchen, den Anschluß an die Weltspitze zu finden.

Die Ungarn sind hingegen nicht mehr so stark, auch Deutschland mußte schon erkennen, dass andere Länder enorm aufholten. Mal schauen, ob es 2015 zum angestrebten ersten Rang im Medaillenspiegel reichen wird?!

Aus „regionaler“ Sicht haben Stefan Holtz, der einstige Neubrandenburger (jetzt Karlsruhe), und der gebürtige Schweriner Peter Kretschmer (jetzt Potsdam) gute WM-Chancen. Paul Mittelstädt aus Neubrandenburg hat sich für die WM 2015 als Ersatzmann qualifiziert.

Gordan Harbrecht aus Rostock hat nach erfolgreichen Weltcupstarts sehr knapp eine Nominierung verpasst. In der jüngeren Vergangenheit sind wir in Rostock sehr bemüht, Gordan als aktives Vorbild und als wertvollen Erfahrungsträger förderlich zu begleiten. Ich finde sehr positiv mit welcher Selbstverständlichkeit sich die Rostocker Vereine daran beteiligen.

Gordan selbst steht den Vereinen und den jungen Sportlern bereitwillig zum Erfahrungsaustausch zur VerfĂĽgung. An Land und auf dem Wasser wird kollektiv gestaunt, wie schnell man paddeln kann.

Frage: Ihre ersten erfolgreichen Olympischen Spiele liegen fast 30 Jahre zurück… Welche Erinnerungen haben Sie an diese? Und: Von Ihren drei aktiven Olympischen Spielen: Welche waren die schönsten?

Ramona Portwich: Alle drei Olympischen Spiele waren auf ihre Weise wunderbar. Die schönsten waren allerdings die Spiele 1992 in Barcelona. Die Goldmedaille, die ich damals im Zweier-Kajak über die 500 Meter zusammen mit Anke von Seck gewann, war hart erkämpft. Letztendlich siegten wir mit zwölf Hundertstel Vorsprung vor den Schwedinnen Agneta Andersson/Susanne Gunnarsson (Dritte wurden die Ungarinnen Rita Koban/Eva Donusz.). Ein schwer errungener, aber gerade deshalb um so schönerer Erfolg!

Frage: Wie sieht Ihr Leben ansonsten ohne Kajak aus?

Ramona Portwich: Ich bin ja nach wie vor Nachwuchs-Trainerin im Kanu-Rennsportbereich und beim Landessportbund MV angestellt, das erfordert natĂĽrlich nach wie vor auch sportliches Aktiv sein. Ansonsten mache ich noch Kanu-Wanderfahrten mit meinen Kindern, steige auch in den Outrigger. Es kann sogar vorkommen, dass ich mit meinem Sohn, der auch ambitionierter Kanu-Rennsportler ist, am StĂĽck 20 Kilometer paddele.

Vielen Dank, weiterhin bestes Engagement fĂĽr den Kanu-Rennsport und viel Erfolg mit ihren SchĂĽtzlingen!

Marko Michels

 

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