Lebt und pulsiert: Die Ringer-Hochburg Rostock-Warnemünde

Nachgefragt bei Stefan Pentschew und Martin Buhz

Rostock-Warnemünde und Ringen. Das ist seit Jahrzehnten eine Erfolgsgeschichte. Es gab die goldenen Olympia-Zeiten ebenso wie schwierige Entwicklungen, die mit Umstrukturieren zu DDR-Zeiten Mitte der 1970er Jahre zusammen hingen – wie auch mit der Wende-Zeit 1989-1990 und deren Folgen.

Trotz manchen Gegenwinds, trotz neuer Herausforderungen und trotz finanzieller Engpässe blieb die Ringer-Hochburg Rostock-Warnemünde erhalten, lebt und pulsiert – insbesondere dank ehrenamtlicher Enthusiasten.

Nachgefragt bei Stefan Pentschew und Martin Buhz

St.Pentschew und M.Buhz über das Ringen in Rostock-Warnemünde im Wandel der Zeiten , das Warnemünder Traditionsturnier,  neue Herausforderungen, den Zuspruch junger Sport-Talente zum Ringen und das baldige olympische Turnier

„Die Kinder kommen wieder und trainieren mit Freude…“

Frage: Das Warnemünder Traditionsturnier fand in diesem Jahr zum 45.Mal statt… Welche Bedeutung und welchen Stellenwert hat dieses Turnier mittlerweile? Wie begann eigentlich alles?

Stefan Pentschew: Ich bin seit circa 35 Jahren Mitglied beim SV Warnemünde, Abteilung Ringen, und kenne das Turnier schon sehr lange. Früher fand es auf dem Sportplatz – direkt dort, wo jetzt die neue Halle steht – unter freiem Himmel statt. Da hatten wir dann mit starker Sonnen-Einstrahlung, heißen Planen, aber auch Regenschauern zu tun. Für Teilnehmer von außerhalb war dieser Start, 100 Meter vom Stand entfernt, immer ein Highlight.

Neben all den Kämpfen in der DDR-Liga und DDR-Oberliga hatte dieses Turnier immer einen freundschaftlichen Charakter. Sportler, die sich in der Liga gegenüberstanden und hart miteinander kämpften, kamen sich hier näher, es entwickelten sich Freundschaften. Viele Sportler und Vereine nutzten das Turnier für einen Kurzurlaub am Meer. Die Bedeutung war demzufolge immer hoch, aber wie gesagt – mit diesem freundschaftlichen Charme.

Frage: Rostock bzw. Warnemünde und das Ringen, das bedeutet Tradition, Begeisterung und Erfolge – gerade auch in olympischer Hinsicht. Wie beurteilen Sie die rinkampfsportliche Entwicklung in Rostock, in M-V seit den ganz großen Erfolgen und Medaillengewinnen der 1960er und 1970er Jahre?

Stefan Pentschew: Diese Entwicklung ist sehr mit politischen Entscheidungen und Umbrüchen verbunden. Als Jahrgang 1972 habe ich da sicherlich nicht komplett alle Informationen. Das Ringen in Rostock hatte tatsächlich den Höhepunkt Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre  Jahre mit den zwei Olympiasiegern Rudolf Vesper und Lothar Metz.

Durch die Entscheidung zur Verlegung der Kinder- und Jugendsportschule von Rostock nach Frankfurt wurde der Strom der talentierten Ringer umgeleitet. Heinz-Helmut Wehling war dann wohl das erste große Talent, welches zumindest einen Teil der Erfolge (bis 1976 ASK Vorwärts Rostock, ab 1977 für den ASK Vorwärts Frankfurt an der Oder startend) erzielt hat. So blieben die Erfolge im Männer-Bereich nur den Betriebssportgemeinschaften vorbehalten und hier hauptsächlich bei den Besten-Ermittlungen.

Erst mit der politischen Wende und der Entscheidung, junge Sportler in M-V weiter zu trainieren, sind wieder Erfolge im nationalen Männer-Bereich zu verzeichnen gewesen. Jedoch führte die Wende dazu, dass demographisch weniger Kinder vorhanden sind, dem gegenüber jedoch ein wesentlich breiteres Spektrum an Möglichkeiten, was die Freizeitgestaltung angeht, steht.

Es ist leider schwer, Kinder für diesen schönen Sport zu begeistern. Es wird wohl eine Randsportart bleiben. In den letzten Jahren haben unsere Veteranen aus Rostock und Warnemünde national und international die Fahnen hoch gehalten. Dieses Jahr sind wir überglücklich mit den Ergebnissen der weiblichen Jugend.

Frage: Wie ist Ihre Meinung zum Zuspruch der jungen Sport-Talente zum Ringen in Rostock und in Warnemünde?

Stefan Pentschew: Nach schwierigen Jahren, mit sehr wenig Kindern, haben wir uns zurzeit mit einem Team von Trainern und Kindern stabilisiert. Aufgrund der Anzahl der Kinder ist es hier notwendig, vereinsübergreifend zusammenzuarbeiten. Auf anderem Weg werden wir uns nicht erfolgreich etablieren können.

Die Kinder kommen und trainieren mit Freude, sehen natürlich auch gerne eine Belohnung in Form von Urkunden und Medaillen. Wir müssen versuchen, unsere Sportart mehr in den Fokus zu rücken, um noch mehr Nachwuchssportler gewinnen zu können.

Frage: Bei Veteranen-WM sind Rostocker und Warnemünnder oft erfolgreich? Wann sind die nächsten Welt-Titelkämpfe für die Reiferen? Welche Chancen rechnen Sie sich aus?

Stefan Pentschew: Hier heißt es, immer fleißig zu trainieren und körperlich fit zu sein. Mit etwas Glück können wir auf eine funktionierenden Männer-Gruppe blicken, die die Möglichkeit hat, viermal in der Woche auf der Matte zu trainieren. Auch hier wird vereinsübergreifend gearbeitet. Der Erfolg liegt dann tatsächlich in einer Art Gemenge-Lage aus körperlicher Verfassung, Glück und Cleverness. Die nächsten WM sind vom 7.Oktober bis 9.Oktober 2016 in Polen. Ich möchte gerne wieder vorne mit ringen, aber es kann alles passieren.

Frage: In knapp vier Monaten wird das olympische Ringer-Turnier in Rio ausgetragen? Wie schätzen Sie das internationale Kräfteverhältnis im Ringen ein? Auf wen hoffen Sie im deutschen Ringer-Team?

Martin Buhz: Bei den letzten Weltmeisterschaften dominierten ja vor allem die Ringerinnen und Ringer aus Japan, Russland, den USA, der Türkei, dem Iran, Korea, Aserbaidschan, Armenien oder der Ukraine. Aus diesen Ländern dürften auch die meisten Medaillengewinnerinnen und Medaillengewinner in Rio kommen – wenn es auch im Hinblick auf das russische Team (Doping-Gerüchte) noch Vorbehalte gibt.

Aus deutscher Sicht hoffe ich vor allem auf Aline Focken und Frank Stäbler, die gute Medaillen-Chancen haben. Aber mit Blickrichtung Rio wird es ungemein schwer, denn viele Länder werden zusätzliche Kräfte mobilisieren, aber ich bin zuversichtlich, dass die deutschen Ringerinnen und Ringer eine gute Rolle bei Olympia spielen werden. Zudem hoffe ich, dass beim olympischen Qualifikations-Turnier dieses Wochenende in Serbien und dann beim Turnier Mitte Mai in der Türkei vielleicht noch ein paar deutsche Ringer „den Sprung“ nach Rio schaffen.

Vielen Dank, weiterhin bestes Engagement für den Ringersport und maximale Erfolge!

… Weitere Infos zum Ringen und M-V

Der Countdown für die olympischen Turniere im Ringen bei den Frauen und bei den Herren läuft. Nur noch vier Monate sind es bis zum Beginn der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. Aus deutscher Sicht gibt es dabei auch Medaillen-Hoffnungen in der Traditionssportart Ringen…

Im „ewigen Medaillen-Ranking“ im Ringkampfsport bei Olympischen Spielen zwischen 1896 und 2012 führt  Russland (mit UdSSR und GUS) souverän mit 93 x Gold, 52 x Silber, 42 x Bronze vor den USA mit 53 x Gold, 42 x Silber, 34 x Bronze, Schweden mit 28 x Gold, 27 x Silber, 29 x Bronze, Japan mit 28 x Gold, 17 x Silber, 18 x Bronze, der Türkei mit 28 x Gold, 16 x Silber, 14 x Bronze, Finnland mit 26 x Gold, 28 x Silber, 29 x Bronze und Ungarn mit 19 x Gold, 16 x Silber, 18 x Bronze.

Achtmal Olympia-Gold für deutsche Ringer

Das bei Olympia 2012 medaillenlose Deutschland kommt auf die Bilanz von 8 x Gold, 25 x Silber, 17 x Bronze, wobei hinzuzufügen ist, dass Alexander Leipold olympische Gold 2000 im Weltergewicht (Freistil) erkämpfte, ihm dieses aber wegen erhöhter Nandrolonwerte, deren Ursachen auch natürliches Ursprungs sein konnten, aberkannt wurde. Keine faire Entscheidung seinerzeit.

Die ringsportlichen Olympiasiege im Ringen erkämpften aus deutschem Blickwinkel Carl Schuhmann (1896, Gewichtsklasse ohne Limit), Kurt Leucht (1928, griechisch-römisch, Bantamgewicht), Jakob Brendel (1932, griechisch-römisch, Bantamgewicht), Wilfred Dietrich (1960, Freistil, Schwergewicht), Rudolf Vesper (1968, griechisch-römisch, Weltergewicht), Lothar Metz (1968, griechisch-römisch, Mittelgewicht), Pasquale Passarelli (1984, griechisch-römisch, Bantamgewicht) und Maik Bullmann (1992, griechisch-römisch, Halbschwergewicht).

Natürlich waren Ringer aus M-V auch bei Olympia bestens präsent

Dazu gehören logischerweise ebenfalls die bereits erwähnten Lothar Metz, Rudolf Vesper und Heinz-Helmut Wehling… Lothar Metz, 1939 in Meerane geboren, vom ASK Vorwärts Rostock nahm viermal an Olympischen Spielen von 1960 bis 1972 im griechisch-römischen Stil teil und seine Bilanz ist „atemberaubend“: 1 x Gold, 1 x Silber und 1 x Bronze, wobei er in Mexico-City`68 die Goldmedaille errang. Metz` Klubkollege Rudolf Vesper,  auch Jahrgang 1939, war hingegen zweimal Olympionike: 1964 und 1968.

1964 noch „Lehrling“ (Achter) wurde Rudolf Vesper ebenfalls 1968 „olympischer Meister“.

Zwar ohne Medaillengewinn trotz guter Leistungen blieb der in Teusin bei Demmin geborene Klaus Pohl, der bei Olympia 1968 (Leichtgewicht, GR) und 1972 (Weltergewicht, GR, 7.Platz) startete.

Weitere Medaillen für M-V unter den „fünf Ringen“

Olympia-Bronze für den späteren Weltmeister (1977) gab es für Heinz-Helmut Wehling vom ASK Vorwärts Rostock bei den Spielen 1976 in Montreal. Zuvor, bei Olympia 1972, hatte er schon Silber erkämpft.

Hervorragende Platzierungen bei Olympischen Spielen erreichte auch Roland Gehrke. Dieser „schrammte“ zweimal ganz, ganz knapp an einer Medaille (im Superschwergewicht, Freistil) „vorbei“: In Montreal 1976 und in Moskau 1980 wurde er jeweils Vierter. Hans-Dieter Brüchert wurde 1976 in der Klasse bis 57 kg im Freistil-Ringen olympischer Silbermedaillen-Gewinner.

Mit vorderen Olympia-Platzierungen für MV

Dietmar Hinz, Jahrgang 1953 mit Geburtsort Loitz, schaffte im Halbfliegengewicht in Montreal 1976 Platz fünf. Der gebürtige Rostocker Otto Steingräber, Jahrgang 1957, war Olympia-Teilnehmer 1980 in Moskau (Weltergewicht, Freistil).

Des Weiteren nahmen Armin Weier aus Vorbein (1980, Mittelgewicht, Freistil), Olaf Koschnitzke aus Grevesmühlen (1988, Halbschwergewicht, GR), Olaf Brandt aus Greifswald (1992, Fliegengewicht, GR) und Rene Schniekel aus Lübz (1996, Superschwergewicht, GR, 6.Platz) an Olympia teil.

Ganz knapp kämpfte sich der gebürtige Anklamer John Roland Redman, für die USA startend, bei den Olympischen Spielen 1920 in Antwerpen an einer Medaille (Leichtschwergewicht, Freistil) vorbei. Er wurde Vierter.

Marko Michels

 

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