Vor mehr als 20 Jahren – Olympia 1996 in Atlanta
Vor mehr als zwanzig Jahren fanden die 26.Olympischen Spiele der Neuzeit in Atlanta statt und noch im Rückblick kann man getrost sagen, dass diese Spiele kein Meilenstein in der olympischen Geschichte waren.
Eigentlich in Athen…
Eigentlich sollten die Spiele seinerzeit in Athen ausgetragen werden, aber in der Stadt eines extrem zuckerhaltigen Erfrischungsgetränkes war die wirtschaftliche Perspektive eine bessere. Das hatte zwar nicht viel mit der olympischen Idee im Coubertinschen Sinn, aber Geld verdirbt mitunter auch den olympischen Charakter.
So blieb Athen, der Austragungsort der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896, außen vor. Dabei hatten die Griechinnen und Griechen so auf die Spiele zum einhundertsten Geburtstag der Olympischen Spiele der Neuzeit gehofft.
Olympische Regentschaft des Kommerzes
Am Ende regierten in Atlanta 1996 Kommerz, Geld, Profit und viel braune Flüssigkeit. Sport gab es natürlich ebenfalls, extrem viel Sport sogar. 271 Entscheidungen in 32 Sportarten standen auf dem Programm – sportiver Gigantismus pur. Mountainbike, Beach-Volleyball und Softball waren erstmals dabei und auch der Zuspruch unter den Sportlerinnen bzw. Sportlern nahm gewaltige Ausmaße an. Mehr als 10300 Athletinnen und Athleten aus 197 Ländern nahmen an den Spielen 1996 teil.
Lokalpatriotismus „Made in U.S.A.“
Natürlich fehlte in Atlanta der übliche Lokalpatriotismus nicht, der mitunter alles andere als sympathisch war. In vielen Sportarten peitschten die Zuschauer und wohlwollende Kampf- bzw. Schiedsrichter „Team U.S.A.“ nach vorn.
In der Endabrechnung der 1996er Spiele triumphierten erwartungsgemäß die USA mit 101 Medaillen, darunter 44 x Gold, vor Deutschland mit 65 Medaillen, darunter 20 x Gold, Russland mit 63 Medaillen, darunter 26 x Gold, China mit 50 Medaillen, darunter 16 x Gold, und Australien mit 41 Medaillen, darunter 9 x Gold. Athletinnen und Athleten aus 79 Ländern ergatterten 1996 olympische Medaillen, 53 Staaten errangen eine oder mehrere Goldmedaillen.
Zwischen 1966 und 1996 hatten die Amerikanerinnen und Amerikaner lediglich den Medaillenspiegel der Spiele 1968 in Mexico-City und 1984 in Los Angeles, als die meisten Länder des „Ostblocks“ nicht meldeten, gewonnen. 1972 in München, 1976 in Montreal, 1980 in Moskau (ohne USA), 1988 in Seoul und 1992 in Barcelona hatte im olympischen (Sommer-)Medaillen-Ranking stets die Sowjetunion bzw. die GUS (1992) „die Nase vorn“.
Terror und große Zuschauer-Resonanz
Überschattet wurden die Spiele in Atlanta von einem Bomben-Attentat im Olympiapark mit zwei Toten und mehr als 100 Verletzten – böse Erinnerungen an die Münchener Terror-Spiele von 1972 wurden wach…
Die Zuschauer-Resonanz in den Stadien und an den Strecken war ebenso gigantisch – wie der Rest der Spiele: mehr als 8,6 Millionen Olympia-Interessierte nahmen das olympische Geschehen vor Ort „in Augenschein“.
Der emotionalste Moment der Spiele war jedoch die Entzündung des olympischen Feuers bei der Eröffnungsfeier durch die kürzlich verstorbene Box-Legende Muhammad Ali – ein unvergessener Augenblick und wahrscheinlich der einzig authentische während der Spiele-Zeit.
Ansonsten mußten auch Dopingfälle registriert werden, wobei die „Dunkelziffer“ ganz andere Dimensionen hatte…
Erfolge und Erfolgreiche einzelner Sportarten
Die USA schafften 13 Goldmedaillen in der Leichtathletik, unter anderem durch Michael Johnson über die 200 Meter (19,32 Sekunden), Carl Lewis im Weitsprung (8,50 Meter – vierter Olympiasieg in Folge) und Gail Devers über die 100 Meter (10,94 Sekunden).
Im Boxen stellte Kuba mit 4 x Gold, 3 x Silber die erfolgreichste Staffel. Felix Savon erkämpfte in Atlanta 1996 die zweite seiner drei olympischen Goldmedaillen. Wladimir Klitschko aus der Ukraine wurde die Nummer eins im Superschwergewicht.
Die Griechen wurden in Atlanta ebenfalls die Nummer eins und zwar im Gewichtheben: mit 2 x Gold, 3 x Silber. Die griechischen Gewichtheber-Siege gingen auf das sportliche Konto von Pyrros Dimas (Leichtschwergewicht) und Kachi Kachiaschwilis (erstes Schwergewicht).
Ringer-Duell Russland versus USA
In einer weiteren olympischen Traditions-Sportart, dem Ringen, lieferten sich Russen und Amerikaner einen Zweikampf, der die Russen (4 x Gold, 1 x Silber, 2 x Bronze) leicht im Vorteil gegenüber den Amerikanern (3 x Gold, 4 x Silber, 1 x Bronze) sah. Der unverwüstliche Alexander Karelin war dabei im Superschwergewicht des griechisch-römischen Stils nicht zu schlagen – die dritte Goldmedaille für ihn nach 1988 bzw. 1992 – in Sydney 2000 folgte „nur“ Silber.
Tolle Ritte der deutschen Reitsportler
Deutschland bewies seinen exzellenten olympischen Ruf als Reiter-Nation. Viermal Gold holten die deutschen Reiterinnen und Reiter „hoch zu Ross“. Jeweils zwei Goldmedaillen erkämpften die Dressur-Reiterin Isabell Werth auf „Gigolo“ (Einzel, Mannschaft) und Springreiter Ulrich Kirchhoff auf “ Jus de Pommes“ (Einzel, Mannschaft).
Duell Frankreich versus Italien im Radsport
Ein Duell war 1996 im Radsport „zu besichtigen“ – zwischen Frankreich und Italien, das die „Grande Nation“ für sich entschied. 5 x Gold, unter anderem für Florian Rousseau im 1000 Meter Zeitfahren und für Rad-Legende Jeannie Longo-Ciprelli im Straßen-Einzel, 3 x Silber, 1 x Bronze, standen für Frankreichs Radlerinnen und Radler letztendlich zu Buche. Italiens Rad-Team kam auf 4 x Gold, unter anderem für Antonella Bellutti in der 3000 Meter-Einzelverfolgung, 1 x Silber, 1 x Bronze.
Der Turnsport 1996 im Fokus
Eine Ukrainerin und ein Russe waren hingegen im Geräte-Turnen am erfolgreichsten. Lilia Podkopajewa aus der Ukraine schaffte 2 x Gold, 1 x Silber und Alexej Nemow jubelte über 2 x Gold, 1 x Silber, 3 x Bronze. Zum ersten Mal in der olympischen Turn-Geschichte siegte eine USA-Riege im Mannschafts-Mehrkampf des Frauen-Turnens – nicht zuletzt dank Shannon Miller.
Vom Schwimmen zum Rudern
Im Schwimmen holten die Amerikanerinnen und Amerikaner so viele Goldmedaillen wie in der Leichtathletik – 13. Amy van Dyken war dabei mit 4 x Gold die Beste bei den Frauen und Gary Hall junior (USA) sowie Alexander Popow (Russland) mit jeweils 2 x Gold, 2 x Silber bei den Herren.
Im Rudern avancierte Australien 1996 mit 2 x Gold, 1 x Silber, 3 x Bronze zur Top-Nation, im Kanu-Rennsport Deutschland mit 4 x Gold, 2 x Silber und im Segeln Brasilien mit 2 x Gold, 1 x Bronze.
Fußball-Erfolge für USA und Nigeria
Die olympischen Fußball-Turniere von Atlanta entschieden bei den Frauen die USA vor China, Norwegen bzw. Brasilien und bei den Herren Nigeria vor Argentinien, Brasilien bzw. Portugal für sich.
Atlanta 1996 mit M-V-Resonanz
32 Sportlerinnen und Sportler mit Geburtsort in M-V oder einem Sport-Verein in M-V starteten in Atlanta 1996 ebenfalls.
Die gebürtige Grevesmühlenerin Astrid Kumbernuss (SC Neubrandenburg) gewann das Kugelstoßen. Andreas Dittmer, in Neustrelitz geboren und für den SC Neubrandenburg startend, wurde hingegen Olympiasieger im Zweier-Canadier über 1000 Meter. Olympisches Gold im Kanu-Rennsport gab es zudem für den ebenfalls gebürtigen Neustrelitzer und bis 1996 Mitglied des SCN, Olaf Winter, mit dem Vierer-Kajak über die 1000 Meter.
Ramona Portwich, die gebürtige Rostockerin, bis 1990 beim SC Empor Rostock, erkämpfte – aus M-V-Sicht – zusätzlich Gold mit dem Vierer-Kajak über 500 Meter und Silber mit dem Zweier-Kajak über 500 Meter.
Von Läuferinnen…
Zu Bronze lief über die 4 x 400 Meter mit der deutschen Staffel die gebürtige Röbelerin Grit Breuer, bis 1992 beim SC Neubrandenburg.
…zu Ruderinnen
Goldene Momente im Rudersport erlebten die gebürtige Warenerin Katrin Rutschow-Stomporowski und die gebürtige Neubrandenburgerin Jana Sorgers. Beide waren im goldenen deutschen Doppelvierer 1996 aktiv. Mit dem Doppelvierer hatte Jana Sorgers bereits 1988 olympisches Gold gewonnen.
Silber erreichte der gebürtige Ueckermünder Peter Thiede, der seine Ruder-Laufbahn beim ASK Vorwärts Rostock begann, mit dem Deutschland-Achter.
Annika mit Rang zwei
Silber – und zwar ziemlich überraschend – errang auch die Wasserspringerin Annika Walter, SC Empor Rostock, WSC Rostock, in der Turm-Entscheidung.
Gut dabei: Weitere Athleten aus M-V 1996
Weitere Olympia-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer aus M-V in Atlanta waren Gewichtheber Andreas Behm aus Stralsund, der im Leichtgewicht Rang zehn belegte, Handballerin Andrea Bölk, die gebürtige Rostockerin, die von 1975 bis 1983 bei der TSG Wismar bzw. 1983 bis 1990 beim SC Empor Rostock spielte, mit Rang sechs mit dem deutschen Team, Diskuswerferin Franka Dietzsch, in Wolgast geboren bzw. SCN-Mitglied, mit Platz vier , und Rang vier war ebenfalls die Ausbeute 1996 der gebürtigen Wismarerin Kathrin Haacker, Achter-Olympiasiegerin 1988 und Achter-Olympia-Dritte 1992, im Zweier ohne.
Im deutschen Frauen-Volleyball-Team in Atlanta schmetterten aus M-V-Blickwinkel Hanka Pachale, die gebürtige Schwerinerin, von 1990 bis 1998 beim SC Traktor Schwerin bzw. Schweriner SC, Ines Pianke, in Bergen geboren, unter anderem bei Dynamo Sassnitz aktiv, Constance Radfan, die gebürtige Saasnitzerin, die ihre Karriere am Trainigszentrum Sassnitz startete, Sylvia Roll, die gebürtige Schwerin, von 1989 bis 1998 bzw. von 2009 bis 2010 beim SC Traktor Schwerin bzw. Schweriner SC, Christina Schultz, die gebürtige Güstrowerin, von 1983 bis 1995 sowie von 1999 bis 2002 Spielerin beim SC Traktor Schwerin bzw. Schweriner SC, und Ute Steppin, die gebürtige Crivitzerin und von 1976 bis 1997 beim SC Traktor Schwerin bzw. beim Schweriner SC. Beim Olympia-Turnier in Atlanta wurde die deutsche Frauen-Auswahl im Volleyball – beim Sieg der Kubanerinnen – Achte.
Vom Segeln zum Turnen
Ansonsten wurde die segelsportliche Crew Torsten Haverland bzw. Ronald Rensch (Schweriner Yacht-Club) Zwölfte in der 470er Klasse, der Gewichtheber sowie gebürtige Rostocker Mario Kalinke, für Stralsund startend, Neunter im zweiten Schwergewicht, Speerwerferin Steffi Nerius, in Bergen geboren sowie Mitglied unter anderem bei der SG Empor Sassnitz bzw. beim SC Empor Rostock, Neunte, die Zwillingsschwestern Anja sowie Dana Pyritz, in Kühlungsborn geboren, Achte mit dem Frauen-Achter, Diskuswerfer Jürgen Schult (SC Traktor Schwerin, Schweriner SC) Sechster (1988 Olympiasieg), Skeet-Schütze Axel Wegner, der gebürtige Demminer, 26. (Olympiasieg 1988), Kanute Thomas Zereske (SC Neubrandenburg) Fünfter mit dem Canadier-Einer über die 500 Meter und Ringer Rene Schiekel, der gebürtige Lübzer, Sechster im Superschwergewicht im griechisch-römischen Stil.
Sprinterin Andrea Philipp, die gebürtige Bützowerin, bis 1994 beim SC Traktor Schwerin bzw. beim Schweriner SC, erreichte mit der deutschen 4 x 100 Meter-Staffel das Halbfinale, nahm auch am 100 Meter-Lauf teil.
Und die gebürtige Neubrandenburgerin Yvonne Pioch und die gebürtige Rostockerin Kathleen Stark vertraten „Schwarz-Rot-Gold“ im Turnsport.
Und nun?! Nun läuft der Countdown für Winter-Olympia in Pyeongchang im Februar 2018…
Athletinnen und Athleten aus M-V werden dort wohl nicht starten.
Marko Michels
Foto (Michels): Das Maskottchen der Olympischen Spiele 1996 in Atlanta, „Izzy“.