Wo sind die olympischen Ringe geblieben?
Es geht bald wieder los. Dieses so ungemein alte traditionsreiche Ereignis der Menschheit – die Olympischen Spiele. Einst fanden diese von 776 vor Christi Geburt bis 393 nach Christi Geburt statt. Glaubte man lange Zeit zu Ehren des alten „Gottvaters“ Zeus, so gehen andere Olympia-Forscher mittlerweile davon aus, dass diese sogar zu Ehren der Zeus-Mutter Rhea ausgetragen wurden. Vor mehr als 120 Jahren, vom 6.April bis 15.April 1896 in Athen, gab es dann die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit.
Dabei war es ganz frĂĽher nicht nur ein „sportliches“, sondern zugleich auch religiöses und nicht zuletzt politisches sowie wirtschaftliches Fest und Forum – Eintracht und Friede galt es in der griechischen Welt – zumindest befristet – zu wahren.
Die Botschaft der Spiele
Das war jedoch bereits der „Geburtsfehler“, denn wenn sich Politik und Wirtschaft in den „Sport“ – und was man dafür hält – einmischen, geht es zumeist nicht gut aus. Der Niedergang der antiken Olympischen Spiele war damit vorprogrammiert.
Bis um das Jahr 1880 dauerte es, bis ein Baron auf die Idee kam, die Olympischen Spiele wieder zu begrĂĽnden. Und Baron Pierre de Coubertin, der „Wieder-Entdecker“ der Olympischen Spiele hatte mit selbigen hehre Vorstellungen: „So schicken wir Ruderer, Läufer und Fechter ins Ausland. Das ist der Freihandel der Zukunft. Und an dem Tage, da es sich im Leben und Wandel des alten Europa eingebĂĽrgert hat, wird der Sache des Friedens eine neue, mächtige StĂĽtze erwachsen sein…“
Die Olympischen Spiele als eine mächtige Stütze des Friedens … Leider war, so erfolgreich sie in ihrer sportlichen Bedeutung auch wurden, dem in der Realität nicht so.
Die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896 in Athen, die Premieren-Veranstaltung, galten in Deutschland als verpönt – irgendwie „ungermanisch“.
Dass sie dennoch ständig weitergeführt wurden, ist dem Idealismus Einzelner, unter ihnen Baron Pierre de Coubertin, zu verdanken.
MiĂźbrauch der Spiele
Sie wurden als Spektakel am Rande von Weltausstellungen missbraucht (1900, 1904), als Propaganda-Veranstaltung (1936), fielen wegen zweier Weltkriege aus (1916, 1940, 1944), mußten Terror-Anschläge verkraften (1972, 1996), gerieten zur Show-Events (2008), hatten politisch motivierte große Boykotte (1976, 1980, 1984) wie kleine Boykotte (1956, 1988) hinzunehmen.
Sie galten als Gradmesser für die vermeintliche Überlegenheit gesellschaftlicher Systeme, abei diesen starteten oftmals keinesfalls „lupenreine Amateure“. Gut bezahlte Sportgrößen aus dem Westblock und Staatsamateure aus dem Ostblock lieferten sich während des „Kalten Krieges“ bis 1990 heiße Duelle in den olympischen Arenen. Mit politischen Worthülsen, Korruption, Dopingmitteln auf beiden Seiten und viel Pharisäertum.
Die Spiele haben gelitten, ihre Seele, ihr Idealismus, ihre Aufrichtigkeit sind längst verloren gegangen (für immer?). Olympia ist mittlerweile zu einem Marketing-Event mutiert, teuer, so teuer, dass sich nur noch Wohlhabende den Live-Besuch leisten können, die vermeintlichen „Eliten“ aus Ökonomie, Politik, Kultur und sonstiger Gesellschaft.
Bedeutung der Spiele
Der Autor Edgar Fuchs brachte es jedoch in seinem Beitrag „80 Jahre Olympische Spiele“, erschienen im Buch von Harry Valerien „Olympia`76 – Innsbruck/Montreal“ des SĂĽdwest-Verlages MĂĽnchen 1976, auf den Punkt. Warum die Spiele noch immer bedeutsam sind… Hierzu Edgar Fuchs: „ … Auch wenn sie (die Spiele – Anm.d.Red.) nie das geworden sind, was Pierre de Coubertin sich von ihnen erhoffte: `Eine mächtige StĂĽtze des Friedens`. Und auch das ihnen in schönen Reden immer wieder zudiktierte Völkerverbindende hat sich auf einen ganz kleinen Nenner reduziert: Verbunden fĂĽhlen sich Milliarden nur, weil ihr Interesse sich alle vier Jahre zwei Wochen lang auf einen Ort und ein Ereignis konzentriert. Doch das ist Grund genug, an den Spielen festzuhalten. Denn, sie sind das einzige Fest, zu dem die ganze Welt geladen ist.“ … Und sei eine Teilhabe auch nur via Radio, TV oder Internet möglich.
Interesse dennoch groĂź?!
Das olympische Interesse an den Spielen ist daher partiell dennoch in Schwerin oder in Rostock groĂź. Die Landeshauptstadt hat dabei ohnehin eine groĂźe olympische Tradition. So nahm bereits Alfred Meyer (1882-1956) als erster Schweriner an Olympischen Spielen teil. Das war 1932 in Los Angeles im Rahmen der olympischen Kunstwettbewerbe in der Rubrik „Literatur“. Die erste olympische Medaille fĂĽr Schwerin erkämpfte der Speerwerfer Walter KrĂĽger (SC Traktor Schwerin) bei den Spielen 1960 in Rom. Und die ersten Olympiasiege fĂĽr die heutige Landeshauptstadt M-V errangen 1976 in Montreal die Schwimmerin Andrea Pollack, der Ruderer Michael Wolfgramm und der Boxsportler Jochen Bachfeld.
Die erste Olympia-Medaille fĂĽr Rostock gab es hingegen mit Silber 1936 fĂĽr den Feld-Hockeyspieler Detlef Okrent. Und die folgenden olympischen Goldstunden fĂĽr Rostock bleiben ohnehin unvergessen, die Goldenen fĂĽr die Ringer Lothar Metz sowie Rudolf Vesper, fĂĽr die Leichtathletin Marita Koch, fĂĽr den FuĂźballspieler Gerd Kische, fĂĽr die Schwimmerin Caren Metschuck, fĂĽr die Handballer Frank-Michael Wahl sowie Hans-Georg Jaunich, fĂĽr die Ruderer um Joachim Dreifke & Co., fĂĽr den Leichtathleten Christian Schenk, fĂĽr die Kanutinnen Ramona Portwich und Anke Nothnagel usw.
Das wintersportive Deutschland hofft natürlich auch 2018 auf die eine oder andere olympische bzw. paralympische Medaille, was schwierig genug ist, denn einstige „Entwicklungsländer“ fördern den Leistungssport exorbitant, nur in wenigen Sportarten in Deutschland lassen sich Ausbildung, Beruf und Sport verbinden und auch die Fördergelder fließen hierzulande nicht mehr so üppig…
Nur Medaillen wichtig?! – Der Sport zwischen Politik und Ă–konomie
Ja, 2018 wird mit den Spielen unter den fünf olympischen Ringen sehr sportlich. Es geht um Siege und Medaillen, als wäre dieses das Nonplusultra. Dabei lebt der echte sportliche Gedanke doch von ganz anderen Werten, von Fairness, von freundschaftlichem Miteinander, von Toleranz, auch von Gerechtigkeit, natürlich nicht zuletzt von Kampfgeist und Leistungsbereitschaft.
Schön wäre es, wenn sich die Politik aus dem Sport heraushalten wĂĽrde, diesen nicht fĂĽr ihre Zwecke missbraucht. Aber das ist nur ein frommer Wunsch…
Der Sport wird von allen, vom ganzen Volk, gefördert – ideell, materiell und finanziell. Die Damen und Herren Politiker hingegen, die das Geld nur verwalten soll(t)en, stellen sich jedoch als Mäzene dar, so, als ob sie das Geld aus Ihrer Privatschatulle fĂĽr den Sport und die Sportförderung spendieren. Ja, es ist doch immer schnuckelig, mit einem schönen sportiven Mädel und einem feschen sportiven Buben im Arm fotografiert zu werden, gerade wenn diese Gold, Silber und/oder Bronze erkämpften. Das erhöht den politischen Marktwert…
Wer hat wirklich Anteil am Erfolg?! – Was zählt tatsächlich?
Was dabei vergessen wird: Wer hat wirklich Anteil an diesem Erfolg?! – Doch vor allem die Sportlerinnen und Sportler selbst, die sich mit viel Hingabe, Enthusiasmus, Verzicht auf angenehme Dinge, hartem Training und Leidenschaft ihrem Sport widmen. Nicht zu vergessen sind deren frühere und aktuelle Übungsleiter, Trainer, Betreuer, die Vereine, die Eltern und weitere Förderer.
Ein echter Sportfan bewertet allerdings eine Sportlerin oder einen Sportler nicht danach, wie viele Medaillen diese aufweisen, nein, es geht vor allem darum, ob diese Charakter zeigen, den Blick ĂĽber den sportlichen Tellerrand hinaus besitzen, die sportlichen Werte wirklich leben und echte Menschen geblieben sind – ohne Star-AllĂĽren, Arroganz oder Ăśberheblichkeit.
Ein echter Sportfan fĂĽhlt mit Herz und Verstand mit – gerade, wenn sportliche Persönlichkeiten, die ihre Sportart prägten und sich mit Hingabe auch sozial engagierten, schwere Schicksalsschläge erlitten, wie Formel 1-Ass Michael Schumacher oder die groĂźartige österreichische Stabhochspringerin Kira GrĂĽnberg.
Echte Sportfans denken auch an jene Sportler, die zwar schon sehr erfolgreich waren, die aber (noch) nicht die ganz, ganz groĂźen internationalen Erfolge haben, wie die zahlreichen Sport-Talente von Kap Arkona bis zum Bayrischen Wald – deren Erfolge jedoch fast unbemerkt bleiben, weil die medialen Scheinwerfer nur auf Pseudo-Sportarten a la Profi-FuĂźball, Profi-Boxen und Formel 1 gerichtet sind.
Nur Olympia zieht nicht mehr…
Aber auch hierzulande zieht die von hiesigen Sportpolitikern, Sportfunktionären oder Geschäftemachern der Groß-Konzerne erhoffte dekadente, verdummende und von den realen Problemen der Welt ablenkende „Sport-Veranstaltung“ längst nicht mehr. Nein, es gibt auch in Deutschland immer mehr Stimmen gegen die exorbitante Vermarktung des Sportes und gegen den Missbrauch des Sportes zu politischen und wirtschaftlichen Zwecken.
Schon vergessen, wie die Olympia-Bewerbungen von Berchtesgaden (für 1992), von Berlin (für 2000), von Leipzig (für 2012), von München (für 2018) oder von Hamburg (für 2024) endeten – und warum?!
Kosten ohne Ende
Millionen und Milliarden von Euros, Dollars und sonstigen Geldnoten, die eher zu dissonanten Tönen verleiten, werden für unsinnige Sport-Events, die in DIESER Form, mit DIESEM Charakter keiner mehr braucht, verbrannt. Zu Lasten von Projekten im Gesundheits-, Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Kultur-Bereich.
FĂĽr so genannte Events, wie „Olympia“ oder „Sportarten“, wie bereits erwähnt Profi-FuĂźball, Profi-Boxen, Profi-Golf, Formel 1 und von Brause-Herstellern erfundenen „Fun-Disziplinen“. Kein Wunder, dass ein lauthalser Pöbel das sogar bejubelt – ein Pöbel, der bereits unter den KĂĽrzungen im Bildungs- und Gesundheitssektor zu leiden hatte.
Und die Kosten, insbesondere für Olympische Spiele sind immens. Es geht dabei ja nicht nur um die Finanzierung und Modernisierung von neuen bzw. älteren Sportstätten, um Unterkünfte für Sportler bzw. Offizielle, um den Ausbau der Infrastruktur, um die Anschaffung technischer Anlagen, nein, es geht auch um die extremen Sicherheitsvorkehrungen rund um die Spiele.
Nur noch „Schotter“ zählt
So kostete Olympia 2004 in Athen rund 35 Milliarden US-Dollar, die folgenden 2008 in Peking mindestens 50 Milliarden US-Dollar, London 2012 circa 30 Milliarden US-Dollar und die Winterspiele in Sotschi 2014 mindestens 51 Milliarden US-Dollar. Und dabei ist die nachhaltige Nutzung von Stadien, Sporthallen und Unterkünften in den jeweiligen Orten nicht einmal gegeben, vom Umwelt-Frevel beim Bau von Sportstätten ganz zu schweigen. Und nun dürfte die Stadt der Sommerspiele 2008, also Peking, mit den Winterspielen 2022 an „gleicher“ Stelle wieder astronomische Geldsummen „statt in den Sand, dann in den Schnee setzen“…
Und wozu das alles?! Damit sich einige Wenige, die Hochleistungssport als „ein Nonplusultra“ ansehen, sich selbst verwirklichen und zur medialen Unterhaltung dienen können. Da werden irgendwelche, von Boulevard- und Mainstream-Medien hoch gejazzte Idole, die schnell laufen, von Menschenhand manipulierte Hänge mit Skiern runter rasen, die Bällen hinterher jagen, am Steuer sitzen oder die Fäuste mehr oder weniger gekonnt „als Hauptbeschäftigung“ fliegen lassen, als „echte Vorbilder“ dargestellt. „Echte Vorbilder“! Wohl eher abschreckende Beispiele…
Der aufrichtige Sport ist gefragt
Sport kann aufrichtig, ehrlich, in der Tat vorbildlich und gesund sein. Aber so, wie der Hochleistungssport – insbesondere in einigen Sportarten, wie den genannten – präsentiert wird, sollte dieser gemieden werden, weil er mit dem wirklichem Sportgedanken nichts mehr zu tun hat. Hier werden „Sportarten“  mit Bällen, Skiern, Gaspedal und Boxhandschuhen zelebriert, die in der Realität extrem profitorientierte, wirtschaftliche Unternehmen sind, die sich nur eine sportive Fassade gaben.
Einige Sportlerinnen und Sportler lassen sich dabei – leider – Â als lebende Werbe-Banner missbrauchen. Warum auch nicht?! Viele Profi-FuĂźballer, einige Profi-Boxer, Profi-Skisportler, Profi-Golfer, Profi-Radfahrer, wenige Profi-Handballer, Profi-Eishockeyspieler oder Profi-Basketballer und nicht zuletzt ein Dutzend Rennfahrer in der F 1 bekommen ja – ganz salopp – gesagt: „Kohle ohne Ende“.
Gerade die „F 1ler“ sind ein Paradebeispiel fĂĽr den Unsinn solcher „Events“. Da wird auf kĂĽnstlich angelegten „StraĂźen“, die fĂĽr den normalen StraĂźenverkehr „sinnfrei“ sind, also auf so genannten „Rennstrecken“, Runde um Runde gedreht, jeder versucht mit technischen Raffinessen den Anderen mehr oder weniger zu toppen, ganz gleich, ob es da immer fair zugeht, und dann stilisieren Funktionäre und Boulevard-Presse dieses Treiben noch als „groĂźen Sport“, der dann jedoch in „Panama“ voll gegen die Wand fährt…
Der Hochleistungssport steht am Scheideweg. Olympia, wenn es so weiter betrieben wird, sogar vor dem Aus.
Die Olympischen Spiele der Antike gingen einst aufgrund von Korruption, Gier, Betrug und Intrigen zugrunde. In der Neuzeit ist es nicht besser geworden – im Gegenteil!
Olympia mit dem „Sensenmann“?!
Nach Rio, nach Brasilien, also dort, wo bittere Armut herrschte und herrscht, wird die Sportjugend der Welt nun zu Winterspielen „aus der Retorte“ gerufen. In eine Region, die in einem atomaren Gemetzel unterzugehen droht. Kein Schreckgespenst mehr, sondern bald tödliche Realität?! Immer mehr Sportlerinnen und Sportler wollen diesen Spielen fern bleiben. Kein Wunder! Seit wann gehört der „Sensenmann“ zu Olympia, auch wenn er in Korea aktuell noch nicht und hoffentlich nie aktiv sein wird…
Pyeongchang wurde zur Olympiastadt nur aus einem Grund deklariert – um einen neuen „Markt“ fĂĽr den Wintersport und dessen Utensilien zu akquirieren. Nicht ausgeschlossen, dass bald in Doha (Katar) Olympische Winterspiele in einer gekĂĽhlten Riesen-Halle – inmitten des dort ĂĽppig vorhandenen „Streusandes“ – stattfinden werden… Damit wären diese dann steril, aber klinisch tot.
Vor mehr als 120 Jahren waren „wir“ noch voller (olympischer) Hoffnung. Jetzt nicht mehr…
Marko Michels
Foto (Michels): Lieber eine Bummi-Olympiade in Wismar – mit idealistischen Sporttalenten – als Winter-Olympia in Pyeongchang zu Marketing-Zwecken…