Studie zeigt: Sportvereine schaffen Gemeinschaft
Bedarf an Ehrenamt und veraltete Infrastruktur bedrohen aber auch zunehmend deren Existenz
Ergebnisse des Sportentwicklungsberichts 2023-2025: 18.862 Vereine geben Antworten ĂŒber Zustand des organisierten Sports
Frankfurt/M. (DOSB) – Sport im Verein ist so beliebt wie nie. Mehr als 28 Millionen Mitgliedschaften in 86.000 Sportvereinen zĂ€hlt der organisierte Sport derzeit â Tendenz steigend. Dieses Wachstum und mangelnde UnterstĂŒtzung machen den Sportvereinen jedoch zu schaffen.
Der Bedarf an ehrenamtlichem Engagement und eine zunehmend marode Sportinfrastruktur bereiten den Sportvereinen in Deutschland groĂe Sorgen. Mehr als jeder sechste Verein sieht sich mittlerweile in seiner Existenz bedroht, weil er Probleme damit hat, ehrenamtlich Engagierte zu finden und im Verein zu halten. Diese dramatische Entwicklung geht aus dem 9. Sportentwicklungsbericht (SEB) der Deutschen Sporthochschule Köln hervor. Der Bericht wurde in Auftrag gegeben vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gemeinsam mit dem Bundesinstitut fĂŒr Sportwissenschaft sowie den 16 LandessportbĂŒnden und am heutigen Montag, 12. Mai, veröffentlicht.
Sportvereine in Deutschland sind eine zentrale Institution fĂŒr Sport und Bewegung und nehmen eine bedeutende gesellschaftliche Rolle ein. Laut Studie sehen sie sich zunehmend als Solidargemeinschaften, denen das GemeinschaftsgefĂŒhl und demokratische Beteiligung im Verein besonders wichtig sind. Rund 19.000 Sportvereine aus ganz Deutschland haben an der reprĂ€sentativen Befragung teilgenommen und Angaben zu ihrem Zustand und ihren Herausforderungen gemacht.
DOSB-PrĂ€sident Thomas Weikert stellt fest: âSportvereine sind enorm wichtige Institutionen, die uns als Gesellschaft zusammenhalten und verbinden. Diese Orte gibt es heute leider nicht mehr oft. Deshalb mĂŒssen Sportvereine unbedingt gestĂ€rkt werden, damit sie diese Aufgaben wahrnehmen können, sonst macht es bald niemand mehr. Es mangelt schon jetzt leider an Menschen, die sich engagieren, und an modernen SportstĂ€tten, in denen man sich gerne trifft. Ohne diese wichtigen Rahmenbedingungen können Vereine ihre Arbeit schlicht nicht leisten.â



Wachsende Aufgaben vs. begrenzte Ressourcen
Das Engagement und die gesellschaftliche Verantwortung der Sportvereine wachsen stetig. So geben heute deutlich mehr Vereine an, sich bei Themen wie GewaltprĂ€vention (54 Prozent; +17,3 Prozent vgl. 2015) und in der FlĂŒchtlingshilfe (21,1 Prozent; +10 Prozent vgl. 2015) zu engagieren. Auch die Qualifizierung von Trainer*innen und Ăbungsleiter*innen sowie Fort- und Weiterbildungen fĂŒr ehrenamtlich Engagierte stehen weiterhin im Fokus. Dies ist von groĂer Bedeutung, da sich die Qualifizierung als wichtiger Faktor fĂŒr die Zufriedenheit und die Dauer von Engagement erwiesen hat.
Doch diese gewachsene Verantwortung trifft immer öfter auf begrenzte Ressourcen. Die Personalprobleme haben sich spĂŒrbar verschĂ€rft: 17,5 Prozent der Vereine sehen sich inzwischen in ihrer Existenz bedroht, weil es ihnen nicht gelingt, ausreichend ehrenamtliche FunktionstrĂ€ger*innen zu gewinnen und dauerhaft zu binden â im Vergleich zu 14,6 Prozent im vorherigen Bericht (2020) ist das ein signifikanter und besorgniserregender Anstieg. Hinzu kommen Existenzsorgen aufgrund struktureller Schwierigkeiten wie mangelnder politischer UnterstĂŒtzung (8,9 Prozent; +28,6 Prozentpunkte vgl. 2020) und eine vielfach veraltete Sportinfrastruktur. 19 Prozent der Vereine melden groĂe bis sehr groĂe Probleme aufgrund maroder Anlagen, 4,5 Prozent sogar eine direkte GefĂ€hrdung ihrer Existenz (+33 Prozent vgl. 2020).
Michaela Röhrbein, DOSB-VorstĂ€ndin Sportentwicklung, erklĂ€rt: âSportvereine leisten weit mehr als Sport. Sie schaffen Begegnung, fördern Zusammenhalt und ĂŒbernehmen Verantwortung fĂŒr zentrale gesellschaftliche Themen. Ihr Beitrag zum Gemeinwohl ist unverzichtbar. Als Dachverband des organisierten Sports fordern wir entschiedenes politisches Handeln, um die ZukunftsfĂ€higkeit der Sportvereine zu sichern. Wir brauchen gezielte Investitionen in SportstĂ€tten, in Personal und in die Entlastung der vielen Engagierten. Die im Koalitionsvertrag verankerte Traineroffensive sollte sich ĂŒber das Hauptamt hinaus erstrecken auf die Qualifizierung von Engagierten. Gelingt uns das nicht, droht der organisierte Sport dort an Kraft zu verlieren, wo er am stĂ€rksten gebraucht wird â vor Ort, bei den Millionen von Menschen, die in unseren Vereinen Gemeinschaft erleben.â
Insbesondere die steigenden Mitgliederzahlen fĂŒhren immer hĂ€ufiger zu einer erhöhten Belastung des vorhandenen Personals. Die Zahl der Trainer*innen und Ăbungsleiter*innen stagniert, wĂ€hrend Vereine Mitgliederrekorde vermelden.


Univ.-Prof. Dr. Christoph Breuer, einer der Autoren der Studie, gibt zu bedenken: âAngesichts dieser Entwicklung scheinen sich erste Vereine von gesellschaftlich wĂŒnschenswerten Zusatzaufgaben zurĂŒckzuziehen, da deren BewĂ€ltigung zunehmend schwieriger wird. Dies betrifft sowohl sportbezogene Aufgaben wie Engagement im Leistungs- und Gesundheitssport als auch gesellschaftspolitische Themen wie auĂersportliche Kinder- und Jugendarbeit oder Umwelt- und Klimaschutz. Dies ist trotz der anhaltenden gesellschaftlichen Kraft der Vereine ein Warnzeichen, welches ernst zu nehmen ist.â
Hoffnung macht derweil, dass die politischen Kernforderungen des DOSB ihren Weg zu groĂen Teilen in den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung gefunden haben. Dazu gehören die Bundesmilliarde fĂŒr die Sportinfrastruktur â wenn auch ohne den wĂŒnschenswerten Zusatz, dass diese Investition jĂ€hrlich erfolgen soll â sowie ein geplanter BĂŒrokratieabbau fĂŒr das Ehrenamt und eine Bildungsoffensive fĂŒr mehr Trainer*innen. GebĂŒndelt werden diese vielfĂ€ltigen Aufgaben in Zukunft bei der neuen Staatsministerin fĂŒr Sport und Ehrenamt Christiane Schenderlein (CDU).
Mit diesen Vorhaben können CDU, CSU und SPD den Sportvereinen helfen, ihr Potenzial als wichtige SĂ€ule des gesellschaftlichen Zusammenlebens noch besser abzurufen. Zudem kommen die Investitionen direkt vor Ort bei den Millionen von Sportvereinsmitgliedern in ganz Deutschland an und fĂŒhren damit zu einer spĂŒrbaren Verbesserung der LebensumstĂ€nde. Der 9. Sportentwicklungsbericht untermauert eindrĂŒcklich, dass jetzt engagiertes Handeln gefragt ist, um den Sportvereinen im Land, und damit breiten Teilen der Gesellschaft, unter die Arme zu greifen.
Pressemitteilung DOSB