M-V auch mit olympischer Frauen-Power im Rudern
Rudern und Mecklenburg-Vorpommern. Da denkt man vor allem an Rostock und auch Schwerin. Aber eine gebürtige Neubrandenburgerin sorgte zwischen 1986 und 1996 für viel rudersportliche Furore. Jana Sorgers, Jahrgang 1967, geboren in der „Vier-Tore-Stadt“ in Vorpommern, gehört dabei mit ihren zwei Olympiasiegen 1988 bzw. 1996 und sieben Weltmeister-Titeln zwischen 1986 und 1995, alle Erfolge im Doppelvierer, zu den erfolgreichsten deutschen Ruderinnen aller Zeiten.
Bei den olympischen Ruder-Wettkämpfen 1988 in Seoul wurde Jana Sorgers zusammen mit Kerstin Förster, Kristina Mundt sowie Beate Schramm Doppelvierer-Olympiasiegerin vor der UdSSR und Rumänien – damals im DDR-Boot. Die gebürtige Wismarerin Kathrin Haacker schaffte seinerzeit aus M-V-Sicht zudem den Olympiasieg mit dem DDR-Frauen-Achter. Acht Jahre später, 1996 in Atlanta im vereinigten deutschen Team, folgte der zweite Doppelvierer-Olympiasieg für Jana Sorgers, zusammen mit Katrin Rutschow-Stomporowski, die in Waren/Müritz geboren wurde, Kerstin Köppen und Kathrin Boron, vor der Ukraine und Kanada.
Inzwischen lebt Jana Sorgers in Bremen und ist mit Oliver Rau, auch erfolgreicher Ruderer und Direktor fĂĽr Marketing und Vertrieb bei Werder Bremen, verheiratet und hat zwei Kinder.
Im letzten Jahr gab es ganz bittere Augenblicke für Jana Sorgers-Rau. Bei einem Einbruch im August 2014 wurden die Olympia- und WM-Medaillen gestohlen…
Nachgefragt bei Jana Sorgers-Rau
J.Sorgers-Rau über ihre sportliche, persönliche und berufliche Entwicklung
„Waren magische Momente…“
Frage: Frau Sorgers-Rau, vor fast 30 Jahren, 1986, gab es für Sie den ersten WM-Erfolg bei einer Elite-WM. Wie war das damals vor fast drei Jahrzehnten in Nottingham. War dieser Erfolg „erwartet“ worden?
Jana Sorgers-Rau: Wahnsinn, dass das schon fast 30 Jahre her sein soll. Ich erinnere mich noch sehr genau. Natürlich war jedes nominierte DDR-Boot damals ein grundsätzlicher Medaillenkandidat, aber es war schon unüblich, dass man in diesem jungen Alter und direkt von den Juniorinnen kommend auch gleich im ersten Senior-Jahr Weltmeisterin wurde. Aber ich hatte viel Erfahrung im Boot bei meinen Mitruderinnen und war wohl auch ein großes Talent (…lacht).
Frage: 1988 und 1996 durften Sie dann jeweils über Olympia-Gold jubeln… Welche besonderen Erinnerungen verbinden Sie, neben den sportlichen, mit Seoul 1988 und Atlanta 1996?
Jana Sorgers-Rau: Das waren natürliche magische Momente, die ich immer in meinem Herzen tragen werde. Olympisches Gold ist einfach das Größte, was ein Sportler erreichen kann. Ich habe es ja für zwei Länder, ja zwei Systeme geschafft und das unter ganz verschiedenen Voraussetzungen. Dieser Fakt ist für mich bis heute besonders und macht mich auch sehr stolz. In Seoul war ich noch viel jünger und habe die Dimension dieses Erfolges nicht greifen können. Das wächst erst später, in Atlanta war mir das alles viel bewusster. Mit Atlanta verbindet mich zudem die Tatsache, dass ich dort in Vorbereitung zu den Spielen zwei Jahre zuvor meinen heutigen Mann kenngelernt habe.
Frage: Sie wurden in Neubrandenburg geboren… Wie gelangten Sie letztendlich zum Rudersport? Und: Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer alten Heimat M-V?
Jana Sorgers-Rau: Natürlich habe ich noch engen Kontakt in die alte Heimat. Meine Mutter lebt dort, genau wie mein Zwillingsbruder mit seiner Familie. Ich bin regelmäßig in Neubrandenburg und meine Mutter hat zudem ein kleines Ferienhaus an der Mecklenburger Seenplatte in der Nähe von Mirow. Wunderschön. Zum Rudern bin ich eher zufällig gekommen. Die Talentsichter des Ruderverbandes hatten mich zunächst aufgrund meiner körperlichen Voraussetzungen auserkoren, heute würde man sagen „gescouted“. Ich hatte bis dahin mit dem Ruderport oder sonstigem Leistungssport nichts am Hut. Ich bin dann mit 13 nach Berlin gesandt worden, in die Kinder- und Jugendsportschule. Das erste halbe Jahr war schrecklich für mich, ich hatte großes Heimweh, dann wurde es in allen Belangen erfolgreich und ich habe mich gegen alle Widerstände durchgesetzt bis ich schließlich die Beste war.
Frage: Dieses Jahr ist nun ein vorolympisches… Wie beurteilen Sie das internationale Kräfteverhältnis im Frauen-Rudersport?
Jana Sorgers-Rau: Ich bin ehrlich gesagt nicht mehr so tief im System, als dass man mich noch eine „Expertin“ nennen könnte. Ich verfolge die Weltmeisterschaften mit einem Auge und habe unregelmäßigen Austausch mit meinen früheren Gold-Mitruderinnen Kathrin Boron und Kerstin Köppen-Holtmeyer. Ich kenne außer Marcel Hacker keine aktiven Mitglieder der aktuellen Nationalmannschaft noch persönlich. Deutschland ist nicht mehr so dominant und erfolgreich wie zu unserer Zeit, das Niveau ist von den gefahrenen Zeiten auch nicht deutlich besser geworden. Ich glaube unser inoffizieller Weltrekord ist erst kürzlich nach 17 Jahren unterboten worden. Ansonsten ist es wie immer: Die großen Rudernationen teilen sich die Medaillen, wobei Neuseeland bei den Frauen erstaunlich erfolgreich ist. Am meisten habe ich mich natürlich 2014 über die Goldmedaille „meines“ Bootes gefreut, den deutschen Frauen-Doppelvierer.
Frage: Sie leben nun in Bremen, sind mit einem Ruderer verheiratet… Wie machen Sie heute? Sind Sie sportlich noch aktiv?
Jana Sorgers-Rau: Ja, durch den Beruf meines Mannes sind wir in Bremen heimisch geworden. Eine schöne Stadt mit kurzen Wegen, die auch meiner norddeutschen Mentalität entspricht. Wir rudern beide schon seit 1996 konsequent nicht mehr. Das war ein tolle Zeit, aber das Kapitel haben wir beide auf dem absoluten Höhepunkt beendet. Heute bin ich selbstständige Fitness-Unternehmerin und betreibe in Bremen das erfolgreichste EMS-Studio der Stadt. Diese Trainingsform (elektro-muskuläre Stimulation) hat mich schon in meiner aktiven Karriere begleitet, jetzt stelle ich mein Know-How im Personaltraining zur Verfügung. Ein toller Job. Sportlich bin ich auch noch aktiv, neben EMS und Krafttraining laufe ich 2-3x in der Woche mit meinem Mann 12 Kilometer. Natürlich bin ich auch noch Mutter von wunderbaren Zwillingen. Die beiden Mädchen sind nun auch schon 15, ein interessantes Alter (…lacht)
Letzte Frage: Im letzten Jahr mußten Sie den Verlust Ihrer Medaillen hinnehmen… Haben Sie diese schon wieder?
Jana Sorgers-Rau: Das war ein Schock. Wir waren im Urlaub und während dieser Zeit ist unser Haus komplett ausgeräumt worden. Ein hoher materieller und emotionaler Schaden. Neben vielen anderen Wertsachen ist auch das gesamte sportliche Lebenswerk meines Mannes und von mir gestohlen worden. Leider ist keine einzige Medaille bis heute wieder aufgetaucht obwohl sie unverkäuflich sind. Wir sind im Dialog mit dem IOC und dem Weltruderverband, es sieht gut aus, dass wir zumindest für die wertvollsten Stücke als Repliken wieder erhalten. Die Verbände und der DOSB sind hier sehr bemüht, das IOC hat eigens die Gussformen der Medaillen aus Seoul und Atlanta aus dem olympischen Museum geholt und reaktiviert. Eine schöne Geste im Sinne des olympischen Geistes.
Vielen Dank, weiterhin alles erdenklich Gute und beste Gesundheit!
Marko Michels
Exkurs: Olympisches Frauen-Rudern mit Erfolgen fĂĽr M-V
Und auch im olympischen Frauen-Rudern erlebte M-V oft erfolgreiche Momente. Seit den Olympischen Spielen 1976 in Montreal, dort fand erstmals eine olympische Ruder-Regatta für Damen statt, gehörten Ruderinnen aus Mecklenburg und Vorpommern, die hier zumindest „ihre Wiege“ oder ihren Verein hatten, regelmäßig zu den erfolgreichen Olympionikinnen.
Bereits in Montreal 1976 gab es durch die 1956 in Stralsund geborene Monika Kallies Olympia-Gold im Achter und durch die 1954 in Neukalen zur Welt gekommenen Anke Borchmann ebenfalls Olympia-Gold im Doppelzweier. Die heutige Wahl-Schwerinerin Petra Boesler (verheiratete Wach) holte Silber im Doppelzweier.
In Moskau 1980 konnten Cornelia Linse aus Greifswald und Heidi Westphal aus Gnoien ĂĽber Silber im Doppelzweier jubeln. Die in Strasburg geborene Ramona Kapheim schaffte dort Gold mit dem Vierer mit.
Vier Jahre später folgte dann der Olympia-Boykott vieler real-sozialistischer Länder in Los Angeles, so dass auch potentielle rudersportliche Olympionikinnen aus M-V um ihre Teilnahme-Chance 1984 gebracht wurden.
Goldene Momente in Seoul
Dafür sorgten dann Kathrin, Silvia und Jana 1988 in Seoul für Furore. Die gebürtige Wismarerin Kathrin Haacker gewann Gold im Achter, Silvia Rose, aus Barth stammend, erkämpfte Gold im Vierer mit und Jana Sorgers, in Neubrandenburg geboren, errang Gold im Doppelzweier.
Kathrin Haacker war dank einer Talente-Sichtung in Mecklenburg zum Rudersport gekommen. So wuchs Kathrin im kleinen mecklenburgischen Dorf Passee bei Wismar auf und im Jugend-Alter erfolgte eine sportliche Sichtung in der Schule und Kathrin wurde als Ruderin „erwählt“. Da im Ruder-Leistungszentrum des ASK Vorwärts in Rostock nur Männer ruderten, wurde die 1967 in Wismar geborene Athletin weiter nach Berlin zur Kinder- und Jugendsportschule bzw. zum SC Dynamo delegiert. Dort begann letztendlich ihr rudersportlicher Aufstieg.
Das Olympia-Gold in Seoul war für Kathrin Haacker letztendlich „die Erfüllung eines Lebenstraumes“. Nachdem ihr 1986 der internationale sportliche Durchbruch gelang, wollte sie es unbedingt wissen: Olympia nicht nur erleben, sondern – möglichst siegreich – zu genießen. Kurz vor den Olympischen Spielen in Seoul stieg Kathrin, auf Anraten der Trainer, vom Zweier ohne in den Achter um – eine goldrichtige Entscheidung. Es war für die Mecklenburgerin dann „ein super Gefühl, ganz oben auf dem olympischen Podest zu stehen“. Ihre mecklenburgische Heimat besucht Kathrin aber immer noch.
Erfolge und Medaillen auch nach 1996
Sehr erfolgreich bei olympischen Ruder-Regatten war ebenfalls die aus Waren-MĂĽritz stammende Katrin Rutschow-Stomporowski-Gold im Doppelvierer 1996, Einer-Bronze 2000 und Einer-Gold 2004.
Bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona hatten erneut einige „M-V-Frauen“ die rudersportliche Erfolgsspur gefunden. Einerseits holte Kathrin Haacker mit Olympia-Bronze im Achter, zusammen mit der gebürtigen Kühlungsbornerin Dana Pyritz (Zwillingsschwester Jana war auch eine erfolgreiche Ruderin…) eine weitere Olympia-Medaille, andererseits war die mit Schwerin verbundene Sybille Schmidt mit Gold im Doppelvierer vorne dabei. Die gebürtige Schwerinerin Annette Hohn belegte mit dem Vierer ohne Rang drei.
Und die vorgestellte Neubrandenburgerin Jana Sorgers konnte sich hingegen 1996 in Atlanta erneut über Gold freuen – wieder im Doppelvierer. Ganz knapp verpasste Marie-Louise Dräger 2008 im leichten Doppelzweier mit Platz vier eine Medaille…
Interessante Regatten im Sportsommer 2015
Ansonsten ist im Rudersport im Sportsommer neben den olympischen und paralympischen Regatten eine Menge los. Am ersten Juli-Wochenende findet die „Henley Royal Regatta“ statt, die seit 1839 ausgetragen wird. Auf dieser Strecke wurden 1908 und 1948 auch die olympischen Ruder-Wettbewerbe veranstaltet. Der Usedomer Bernhard von Gaza war dort 1908 im Einer Halbfinalist.
Marko Michels