Auch M-V ist ein Land des Langstreckenschwimmens
Langstreckenschwimmen – das ist in Deutschland seit mittlerweile einem Vierteljahrhundert so richtig „in“. Großen Anteil hatten daran auch die Rostockerinnen Peggy Büchse und Britta Kamrau, die zwischen 1995 und 2008 die europäische und globale Weltspitze maßgeblich mit bestimmten.
MV-Duo zwischen 1995 und 2008 sehr erfolgreich
So schaffte Peggy Büchse bei EM sechs Medaillen, darunter zweimal Gold, und bei WM auch sechs Medaillen, darunter sogar fünfmal Gold. Noch erfolgreicher war Britta Kamrau, die bei EM zehn Medaillen (sechs Goldene) und bei Welt-Titelkämpfen ebenfalls zehn Medaillen (vier Goldene) errang.
In M-V gibt es zudem zahlreiche traditionsreiche Wettkämpfe im Langstreckenschwimmen, so das Sundschwimmen, das Vilm-Schwimmen, das Insel-Schwimmen von Hiddensee nach Rügen, das Bodden-Schwimmen, das Warnow-Schwimmen, das Kummerower Seeschwimmen, das Schweriner Schloss-Schwimmen und das Wismarbucht-Schwimmen.
Vom MV-Duo zu einer gebürtigen Wiesbadenerin
Eine Langstrecklerin, die zwar nicht aus M-V stammt, aber wie Peggy Büchse bzw. Britta Kamrau extrem viel für die Popularität und den Zuspruch zum Langstreckenschwimmen beitrug, ist Angela Maurer.
Angela Maurer, Jahrgang 1975, SSV Undine Mainz 08, konnte in ihrer langen Karriere als Schwimmerin (seit 1983), dann als Langstreckenschwimmerin (seit 1996), auch viel Edelmetall aus dem Wasser „fischen“, unter anderem zwölf WM-Medaillen (zwei Goldene) und zehn EM-Medaillen (zwei Goldene). Zudem qualifizierte sich Angela Maurer für die olympischen Wettkämpfe im Langstreckenschwimmen 2008 in Peking und 2012 in London. Beide Male verpasste die gebürtige Wiesbadenerin eine Medaille nur knapp: 2008 wurde sie Vierte und 2012 Fünfte. Außerdem holte Angela viermal den Gesamt-Weltcup 2002, 2004, 2008 bzw. 2011.
Bei den WM 2017 in Budapest startete die Erfolgsschwimmerin über die zehn Kilometer und wurde Vierzehnte. Gesundheitliche Handicaps verhinderten dann die Teilnahme über den 25 Kilometer Kanten.
MV-SPORT fragte nun bei der erfolgreichen, anmutigen und beruflich versierten Athletin nach…
Angela Maurer über Vergangenes, Aktuelles und eventuell Kommendes im Langstrecken-Schwimmen aus ihrer Sicht
„Es gibt keine Routine, es warten immer neue Herausforderungen…“
Frage: Die WM 2017 mußte leider über die 25 Kilometer ohne Ihre Teilnahme auskommen… Was war da los? Wie geht es Ihnen mittlerweile?
Angela Maurer: Leider habe ich mich in der Nacht vor dem 25 Kilometer Rennen mehrmals übergeben müssen, so dass ein Start unter diesen Umständen überhaupt keinen Sinn machte. Natürlich war ich danach schon traurig, weil ich gute Chancen hatte, um die Medaillen mitzukämpfen. Inzwischen geht es mir aber wieder gut. Ich lasse mich ohnehin nicht so schnell unterkriegen und hadere dann auch nicht so sehr über solche Dinge. Ich hakte das Ganze schnell ab und sagte mir: „Auf geht`s. Dann das nächste Mal!“.
Frage: Bei Ihnen scheint mit 18 Jahren der biologische Alterungsprozess ohnehin aufgehört zu haben… Streben Sie einen Olympia-Start 2020 noch einmal an? Welche Herausforderungen stehen in diesem Jahr noch auf dem Programm?
Angela Maurer: Dieses Wettkampf-Jahr ist für mich so gut wie beendet. Es warten keine großen Wettkämpfe mehr auf mich. Die Saison neigt sich dem Ende zu. Aktuell war ich allerdings noch bei einem Wettkampf in Kroatien, auf der Insel Hvar, und habe dort über 16 Kilometer zum neunten Mal gewonnen. Ich startet dort gern, weil es immer wieder eine sehr schöne Konkurrenz ist. Was eine Olympia-Teilnahme 2020 betrifft… Im Moment mache ich mir keine Gedanken über Tokyo. Aber bekanntlich sollte man niemals NIE sagen. Ich plane von Jahr zu Jahr.
Frage: Sie sind schon sehr lange dabei. Welche Wettkämpfe, unabhängig vom Erfolg, waren für Sie die schönsten? Wo waren Sie besonders gern aktiv?
Angela Maurer: Mein schönstes, aber gleichzeitig auch anspruchsvollstes Rennen hatte ich 2003 über die 37 KIlometer vor Atlantic City. Dort schwamm man zunächst im kalten Atlantik, dann im See und das letzte Stück wieder im Meer. Das Wasser wechselte von kalt zu warm und umgekehrt. Dabei waren die Strömungen sehr stark. Das bedeutete schon eine große Herausforderung für jede Schwimmerin. Wir wurden damals von einem Ruderboot begleitet, hinter dem man schwimmen musste welches die Richtung vor gab. Rund acht Stunden brauchten wir für diese Distanz. Für mich war es das das härteste Rennen der Welt. Leider steht dieser Wettkampf seit Jahren nicht mehr im Wettkampfkalender.
Ein weitere schöne Konkurrenz war die WM 2000 vor Honolulu/Hawaii – auch die Insel war sehr attraktiv. Wir schwammen mit Riesenschildkröten. Es war einfach traumhaft. Die Rostockerin Peggy Büchse holte für das deutsche Team damals Gold über die 5 Kilometer und Bronze über die 10 Kilometer für die deutsche Mannschaft. Ich selbst schaffte vor Honolulu mein erstes WM-Edelmetall – mit Brünze über die 25 Kilometer, hinter der Weltmeisterin über die 10 Kilometer und 25 Kilometer, Edith van Dijk aus den Niederlanden, und der Italienerin Viola Valli. Diese WM ist noch immer eine schöne Erinnerung für mich.
Frage: Was ist für Sie eigentlich das Faszinierende, das Besondere am Langstreckenschwimmen? Was gab den Ausschlag für Ihre Präferenz zum Langstreckenschwimmen?
Angela Maurer: Das Faszinierende ist, dass die Bedingungen stets unterschiedlich sind. Mal schwimmen wir im Meer, mal im See, mal im Fluss oder in einem Kanal. Dazu kommen die unterschiedlichen Wassertemperaturen und weitere fordernden Bedingungen, wie Wellen, Wind, Strömungen oder eine unterschiedliche Wassertiefe. Des Weiteren sind die Kurse immer anders. Das bedeutet, dass man sich immer wieder neu auf die Wettkämpfe einstellen muß. Es gibt keine Routine. Es warten immer neue Herausforderungen.
Ja, was gab den Ausschlag für das Langstrecken-Schwimmen bei mir?! Ich nahm 1996 an der Konkurrenz über die 5 km bei den Deutschen Meisterschaften in Burghausen teil. Damals gewann ich vor Peggy Büchse. Sie war zu diesem Zeitpunkt amtierende Europameisterin auf dieser Distanz. Da dachte ich mir, das könnte was für sein. Ich war zuvor ja Becken-Schwimmerin, hatte bereits mit dem Leistungssport aufgehört und war am Abtrainieren. Es gab vor Burghausen keine sportliche Perspektive im Becken-Schwimmen mehr für mich. Das Langstrecken-Schwimmen bot mir eine neue leistungssportliche Chance.
Frage: Es heißt ja immer, dass es beim Schwimmen „über die langen Kanten“ unter den Konkurrentinnen nicht immer fair zugeht… Stimmt es oder wird da etwas übertrieben?
Angela Maurer: Ja, es geht hart bei uns zu. Es gibt schon robusten Körper-Kontakt, da darf man nicht empfindlich sein. Man muss zudem Tritte oder Schläge einstecken können – ebenso wie Kratzer oder harte Kämpfe an den Bojen. Positionskämpfe bestimmen den Wettkampf von Anfang an. Das macht das Langstrecken-Schwimmen aber um so spannender. Wichtig sind, wenn man erfolgreich sein will, eine gute Taktik und entsprechende Erfahrungen.
Frage: Sie sind ja Polizeikommissarin… Für Sie ein „Traum-Beruf“ oder hegen Sie auch Ambitionen als (Bundes-)Trainerin? Zuletzt lief es ja aus deutscher Sicht nicht so erfolgreich – und das im Land von Thomas Lurz, Angela Maurer, Britta Kamrau & Co.
Angela Maurer: Die Tätigkeit bei der Polizei ist mein Beruf und ermöglicht es mir, dass ich meinen Sport professionell ausüben kann. Dafür bin ich der Polizei Rheinland-Pfalz ungemein dankbar und schätze dieses sehr. Denn: Schwimmen ist meine Passion…
Was die Welttitelkämpfe 2017 in Budapest betrifft: Ja, wir waren bei der WM nicht wie gewünscht erfolgreich. Doch wir befinden uns gerade im Umbruch und man muss auch sagen, das sportliche Niveau ist so hoch, wie nie zuvor. Der Zuspruch der großen Schwimm-Nationen zum Freiwasser hat deutlich zugenommen. Der Kampf um die Medaillen wird dadurch immer härter.
Ich als Bundestrainerin im Langstrecken-Bereich?! Dazu hat mich bisher keiner gefragt, so dass ich mir darüber auch keine Gedanken mache.
Letzte Frage: Waren Sie eigentlich schon einmal bei einem Langstreckenschwimmen in M-V dabei? Bei welchen Langstrecken-Events in Deutschland sind Sie ansonsten am Start?
Angela Maurer: Ich bin schon einige Male in M-V geschwommen. Dort gibt es ja auch tolle Seen. Ansonsten schwimme ich nur bei den Deutschen Meisterschaften in Deutschland.
Vielen Dank, weiterhin alles Gute und maximale Erfolge!
Die Fragen stellte: Marko Michels.
Zur Info: Vom 27.Oktober bis 29.Oktober findet das 62.Internationale Neptunschwimmfest in Rostock statt. Knapp zwei Wochen später, vom 10.November bis 11.November, folgt der 51.Internationale Pokal der Hansestadt Rostock im Flossenschwimmen und Streckentauchen an gleicher Stelle.
M.M.