Im Gespräch mit Kanu-Weltmeister und Landestrainer Leistungssport Paul Mittelstedt
Paul Mittelstedt ist Profi durch und durch. In Dresden aufgewachsen zog es den Kanusportler mit 16 nach Mecklenburg-Vorpommern, genauer zum Bundesstützpunkt in Neubrandenburg. Seither ist er eines der Aushängeschilder des SC Neubrandenburg. Bei der WM 2011 schaffte es Mittelstedt als Nachrücker in den deutschen Vierer, das „Königsboot“ der Kanuten. An der Seite von Norman Bröckl, Max Hoff und Robert Gleinert gelang ihm dann die große Überraschung. Das Quartett holte über die 1000 Meter WM-Gold. Noch im selben Jahr wurde er bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Aber Mittelstedt kämpfte sich zurück, machte eine Ausbildung bei der Bundespolizei und schaffte es auch wieder in die erweiterte deutsche Kanu-Spitze (im Surfskifahren und im Flachwasserpaddeln).
Im Oktober dieses Jahres hat der 30-Jährige die Seiten gewechselt, will nun die nächsten Generation von Kanuten zum Erfolg führen. Denn der Landeskanuverband MV hat Mittelstedt zum Landestrainer Leistungssport ernannt. In seiner neuen Funktion ist er u.a. für den Erhalt und Entwicklung des Stützpunktsystems in M-V zuständig, koordiniert und unterstützt Sichtungsmaßnahmen und ist für Planung und Durchführung von Lehrgängen und Wettkämpfen verantwortlich.
Interview
Paul Mittelstedt über das vergangene Jahr aus regionaler und internationaler Sicht, über den Kanu-Nachwuchs in M-V und deren olympische Ambitionen, über eigene Erfolge und das internationale Kräfteverhältnis im Kanu-Rennsport
„Es ist ein steter Aufwärtstrend zu verzeichnen…“
Frage: Das Jahr geht peu-a-peu in den Endspurt. Wie verlief es für die Kanutinnen und Kanuten in M-V, speziell beim SC Neubrandenburg? Ihr vorläufiges Resümee?
Paul Mittelstedt: Da ich bis Ende August selbst noch als aktiver Sportler für meinen Verein gestartet bin, ist es mir kaum möglich eine Einschätzung des Jahres aus der Sicht des Landestrainers zu geben. Die Tests und Wettkämpfe, die seit meiner Zeit als Landestrainer durchgeführt wurden, sind jedenfalls gut verlaufen. Die Sportler konnten sich mit vernünftigen Leistungen präsentieren, in denen Potential zu erkennen ist, mit dem sich in den nächsten Jahren hervorragend arbeiten lässt.
Meiner Meinung nach ist ein steter Aufwärtstrend zu verzeichnen. Der SCN hat viele Kinder im Grundschulalter und der Orientierungsstufe, die sich im Kanurennsport probieren möchten. Die etwas älteren Sportler haben am 20.Oktober 2018 ihre Leistungen und ihren Willen beim D-Kader-Test unter Beweis gestellt und damit die D-Kader-Anzahl in Mecklenburg-Vorpommern angehoben.
Darüber hinaus waren auch Sportler international vertreten. Von den Olympic Hopes Games über die Junioren EM bis hin zur Junioren WM haben sie gute Platzierungen belegt und Medaillen erkämpft. Ich bin optimistisch, dass wir diesen Trend beibehalten können.
Frage: Und wie stellt sich derzeit die „Nachwuchsfrage“ landesweit dar?
Paul Mittelstedt: Seit meinem Arbeitsbeginn am 1. Oktober 2018 bin ich leider noch nicht zu vielen Vereinen gekommen. Dennoch möchte ich behaupten, das einige unserer Vereine in MV viele Kinder bei sich haben, die unsere Sportart kennen lernen wollen und sich im paddeln versuchen. Wie viele am Ende den Sprung in den Leistungssport schaffen werden, bleibt indes offen.
Positiv ist natürlich, dass am Fuß der Leistungspyramide ein Vielzahl von Kindern steht, die auch benötigt werden, um einige von Ihnen zu Sportlern und Athleten zu machen.
Frage: Wie beurteilen Sie die Qualität des Leistungsstützpunktes in Neubrandenburg?
Paul Mittelstedt: Auch dazu kann ich noch keine tiefgründige Aussage machen, weil meine Arbeitszeit hier vor Ort zu kurz ist, um eine Grundlage für ein Urteil zu haben. Auch als Sportler bin ich ja in den letzten Jahren zu selten vor Ort gewesen. Dennoch kann ich aus dieser Sicht sagen, dass ich mich in den letzten Jahren immer sehr gut betreut gefühlt habe.
Frage: Sie selbst wurden vor mehr als sieben Jahren in Szeged Weltmeister im Kajak-Vierer. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit diesem Wettkampf?
Paul Mittelstedt: Es gibt viele Dinge an die ich mich sehr gern zurück erinnere. Allerdings muss ich ehrlicher Weise sagen, dass es nicht nur positive Erinnerungen sind. Der „Preis“ für den überraschenden Weltmeistertitel war hoch und lag nicht allein im Trainingsaufwand.
Ich war damals der KI-Fahrer über die nichtolympischen 500 Meter und stand mit der schnellsten Zeit im Finale. Dieses musste ich aber kräfteschonend fahren, da ich kurz darauf als Ersatzmann, für den an Fieber erkrankten Marcus Groß, in den K4 einspringen durfte. Es war nicht damit zu rechnen, dass sich dieses Opfer durch den Weltmeistertitel in damaliger Weltbestzeit vergolden würde. Dieser Erfolg war natürlich mehr als ich mir zu diesem Zeitpunkt erträumt hatte.
Eine weitere schöne Erinnerung ist, dass das Motto der Weltmeisterschaft „Rock`n Roll“ war, wenn ich mich recht erinnere. Eine schöne Motivation, die am Ende aber viel bewirken kann…
Frage: Mit Blick auf Olympia 2020… Welche Kanutinnen und Kanuten aus M-V haben Chancen auf die Regatta in Tokyo?
Paul Mittelstedt: Es könnten tatsächlich Sportler aus M-V für kommende Olympische Spiele in Frage kommen. Die Voraussetzung ist natürlich, dass jede/jeder bis dahin gesund bleibt und intensiv trainieren kann. Also ohne einschneidende Erkrankungen oder Verletzungen! Ich verfolge selbst gespannt die Entwicklung dieser Sportler und drücke natürlich die Daumen, dass sie den Sprung schaffen werden
Es ist allerdings dazuzusagen, dass die Sportler, die in Frage kommen, noch sehr jung sind und aufgrund dessen noch einige weitere olympische Zyklen miterleben werden, um letztendlich an den Spielen teilnehmen zu können. Unter diesem Gesichtspunkt wäre eine Teilnahme 2020 eine hervorragende Sensation. Es wäre aber auch absolut kein Drama, sollte es keiner schaffen. Die Sportler stehen ganz am Anfang ihrer Karriere.
Frage: Ihre Meinung zum internationalen Kräfteverhältnis 2018?
Was das internationale Kräfteverhältnis betrifft… Dieses ist immer schwerer einzuschätzen. Die klassischen Top-Nationen, wie Ungarn, Deutschland, Weißrussland oder Russland, bestehen zwar noch, doch gibt es immer wieder einzelne Sportler aus den verschiedensten Ländern, die sich überraschend an die Spitze setzen können und die Ergebnisse mitgestalten. So bleibt natürlich viel Spannung in unserer Sportart, die das Mitfiebern deutlich intensiver macht.
Vielen Dank und weiterhin bestes Engagement für den Kanusport in M-V!
M. Michels