„Weit mehr als ein bisschen Herumhopsen mit dem Ball zu schöner Musik!“

Interview mit der Ausnahme-Sportgymnastin Jana Berezko-Marggrander

Eine der besten deutschen Sportgymnastinnen der letzten 20 Jahre hat gerade ihre leistungssportliche Karriere beendete – mit 21 Jahren. Jana Berezko-Marggrander vom TSV Schmiden wurde neunzehnmal deutsche Meisterin. Bei den Olympischen Jugend-Sportspielen 2010 in Singapur gewann sie Bronze, bei den Junioren-EM im selben Jahr dreimal Bronze und als erste deutsche Sportgymnastin nahm sie an zwei Olympischen Spielen (2012 in London und 2016 in Rio) teil.

Nachgefragt

Jana Berezko-Marggrander ĂŒber ihr leistungssportliches Karriere-Ende, die Höhepunkte in ihrer Laufbahn als Rhythmische Sportgymnastin, das Reizvolle an ihrer Sportart, die weitere „Bindung“ zur RSG und neue persönliche bzw. berufliche Ambitionen

Frage: Erst einmal ein Danke fĂŒr viele erfolgreiche Jahre in der Rhythmischen Sportgymnastik. Warum denn jetzt schon der Abschied vom Leistungssport? WĂ€re Tokyo 2020 nicht noch ein weiteres lohnendes Ziel gewesen?

Jana Berezko-Marggrander:  Mein GefĂŒhl sagte mir, dass es nun an der Zeit ist, einen anderen Weg zu gehen. Ich bin keine 16, 17 oder 18 mehr. Ich möchte mich auch als Mensch auf einem anderen Feld beweisen. Ich hatte mir immer offen gelassen, bis 2020 weiter zu machen. Drei Olympiateilnahmen wĂ€ren ein reizvolles Ziel gewesen.

Aber die Rahmenbedingungen haben sich nicht zuletzt durch die Spitzensportreform sehr verĂ€ndert. Und das nicht gerade zum Vorteil der Athleten und des Sports. Vor Rio war ich immer nur auf die Spiele fixiert. Danach bin ich mit dem Kopf aber an einem anderen Punkt angekommen und habe mir die Frage gestellt, welchen Sinn es denn noch macht, unter diesen Bedingungen das Projekt Tokio 2020 ĂŒberhaupt anzupacken.

Nachdem mir im Dezember gesagt worden war, was mich 2017 erwarten wĂŒrde, wurde mir von Tag zu Tag klarer, was dies fĂŒr mich und meine Zukunft eigentlich bedeutet hĂ€tte.

Frage: Was sind fĂŒr Sie nun die ganz besonderen Momente in Ihrer Karriere als Sportgymnastin gewesen? An welche WettkĂ€mpfe denken Sie besonders gern zurĂŒck?

Jana Berezko-Marggrander: Da ist zum einen meine erste Teilnahme an den Olympischen Spielen in London 2012. Die olympische AtmosphĂ€re, das ganze Drumherum, die allgegenwĂ€rtige öffentliche Aufmerksamkeit und die vielen ĂŒberragenden Sportler aus allen Nationen. Das war und ist fĂŒr mich unbeschreiblich, ich habe das einfach nur genossen.

Ein weiterer Punkt war die Qualifikation beim olympischen Test-Event in Rio, wo lange Zeit nicht feststand, ob ich mich fĂŒr die Olympischen Spiele von 2016 qualifiziert hatte. Als ich dann die erlösende Nachricht im Bus zum Hotel bekam und sich alle in den Armen lagen, aus tiefer EnttĂ€uschung kommend in wenigen Sekunden zu purem GlĂŒcksgefĂŒhl, das werde ich wohl nie vergessen.

Und dann natĂŒrlich die Spiele selbst in Rio de Janeiro, die ich fast noch mehr genießen konnte als die von London. Denn ich war von diesem Moment an die erste deutsche Gymnastin, die auf zwei Olympia-Teilnahmen und auf einen Start bei der Jugend-Olympiade verweisen kann. Darauf bin ich wirklich stolz.

Doch es gibt auch ganz andere große Momente als Sportler. Wenn man zum Beispiel plötzlich realisiert, dass man zum Vorbild fĂŒr viele junge Nachwuchs-Gymnastinnen geworden ist, die ganz genau beobachten, was man tut und vor allem wie man es tut.

Man spĂŒrt plötzlich ganz viel Verantwortung fĂŒr Menschen, die man eigentlich gar nicht kennt.

Frage: Was war fĂŒr Sie das Faszinierende an der RSG? Und werden sie der Sportgymnastik erhalten bleiben, eventuell als Übungsleiterin oder Trainerin?

Jana Berezko-Marggrander: Das Faszinierende an der Rhythmischen Sportgymnastik ist ihre Vielseitigkeit. FĂŒr ein MĂ€dchen ist es, wie ich finde, der schönste Sport ĂŒberhaupt. Die Musik, der Ausdruck, aber auch die enorme Athletik, die dieser Sport erfordert.

Es ist eben nicht, wie viele denken, ein bisschen Herumhopsen mit dem Ball zu schöner Musik. Es ist harte, sogar sehr harte körperliche Arbeit. Der Rhythmischen Sportgymnastik  will ich nicht ganz den RĂŒcken kehren. Ich könnte mir zum Beispiel durchaus eine NebentĂ€tigkeit als Nachwuchstrainerin vorstellen.

Aber nicht mehr auf höchstem sportlichen Niveau, zumindest im Moment nicht. Denn ich habe schließlich meine ganze Kindheit und Jugend beim Training in Hallen verbracht.

Frage: Wie geht es jetzt fĂŒr Sie weiter? Haben Sie berufliche PlĂ€ne?

Jana Berezko-Marggrander: Ich verlagere meinen Lebensmittelpunkt wieder zurĂŒck in die NĂ€he von Karlsruhe. Und ich freue mich auf ein Leben außerhalb der Sporthalle. Darauf, mehr Zeit fĂŒr „normale“ Menschen zu haben. Also keine Sportler oder RSG-MĂ€dels.

Enge Freundschaften kamen bei mir bisher ja meistens nur ĂŒber den Sport zustande. Beruflich bin gespannt darauf, was das Leben sonst noch zu bieten hat. Ich habe auch schon einige Ideen und PlĂ€ne im Kopf, was ich gerne machen möchte und ich habe auch bereits ein paar Angebote erhalten.

Ich bin jedenfalls fĂŒr alles offen. Bis September werde ich versuchen, in möglichst viele Bereiche hineinzuschauen und herauszufinden, was am besten zu mir passt. Dieses dann tatsĂ€chlich auch in Angriff zu nehmen, das ist mein Plan.

Vielen Dank, dann weiterhin alles erdenklich Gute, persönlich und beruflich, und maximale Erfolge fĂŒr alle Vorhaben!
Marko Michels

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