„Wir müssen Wege finden, besser wahrgenommen zu werden…“

Nachgefragt beim Präsidenten des Ruderverbandes M-V, Christian Loßmann

Mecklenburg-Vorpommern ist wahrlich ein Rudersportland mit großen Traditionen. Die erste „Medaille“ bei einer großen globalen Regatta gab es „für M-V“ bereits bei den Olympischen Spielen 1908 für den Usedomer Bernhard von Gaza im Einer. Zuletzt gelangen dem gebürtigen Rostock bzw. Mitglied der Schweriner Rudergesellschaft Hannes Ocik und dem gebürtigen Bad Doberaner Felix Drahotta Olympia-Silber 2016 mit dem Herren-Achter.

Nun galt es für ein M-V-Trio, für Hannes Ocik (Schweriner RG), Julia Leiding (Rostocker Ruder-Cub von 1885) und WM-Ersatz-Mann Malte Daberkow (Olympischer Ruder-Club 1956 Rostock) erfolgreich bei den Welt-Titelkämpfen vom 24.September bis 1.Oktober in Sarasota zu bestehen. Und für Hannes endete die WM mit Achter-Gold (MV-SPORT berichtete).

Wie beurteilt nun Christian Loßmann, der Präsident des Landesruderverbandes M-V, die WM-Ergebnisse 2017 aus deutscher Sicht? Wie beurteilt Christian Loßmann die Entwicklung des Rudersportes in Deutschland, speziell in M-V?

Christian Loßmann über die WM in Sarasota, die Resultate aus deutscher und speziell MV-Sicht, den Stellenwert des Rudersportes in Deutschland und das internationale Kräfteverhältnis

„Wir müssen Wege finden, besser wahrgenommen zu werden…“

Frage: Die Ruder-WM 2017 ist „abgehakt“. Wie lautet Ihr Resümee aus deutschem und mecklenburgisch-vorpommerschem Blickwinkel?

Christian Loßmann: Der Deutschland-Achter hat mit dem Weltmeistertitel seine erfolgreiche Saison gekrönt. Leider konnte die junge deutsche Mannschaft nicht für Überraschungen sorgen und blieb mit dem Ergebnis hinter den Erwartungen zurück. Wir dürfen jetzt aber nicht auf den Aktiven herum hacken.

Die Sportler motivieren sich täglich zum Training, absolvieren ihre Ausbildung, Studium bzw. Dienstzeiten. Wir müssen schauen, wie es möglich ist, die Eigen-Motivation der Sportler, das Engagement der Trainer und die durchaus gut ausgestatteten Sportstätten zu kanalisieren und zu optimieren, um wieder bessere Leistungen im Spitzensport zu erreichen.

In Mecklenburg-Vorpommern sind wir aktuell mit drei Sportlern im Elite-Team vertreten. Für unsere jungen talentierten Sportler ist dieses natürlich motivierend, wenn diese zusammen mit den Großen an einem Stützpunkt trainieren können.

Drei Ruderinnen und zwei Ruderer unserer U23-Altersklasse waren im U23-Nationalteam zur WM und mit Leon Münch ein Sportler bei der U19-WM.

Hoffnungsvolle Sportler sind im Talente-Team MV. Natürlich ist bei uns nicht alles „eitel Sonnenschein“. Es wird für die Nachwuchstrainer immer schwerer, körperlich geeignete Kinder zu finden. Gerade weil unser Sport nicht die Helden „produziert“ wie Fußball und andere medienwirksame Sportarten.

Wir müssen Wege finden, besser wahrgenommen zu werden. Ich sehe da auch die öffentlich-rechtlichen Medien in der Pflicht, mehr und ausführlicher über internationale Meisterschaften zu berichten. Nur das Achter-Rennen zu übertragen reicht mir nicht.

Frage: Wie ist Ihre Meinung ansonsten zum internationalen Kräfteverhältnis im Rudersport?

Christian Loßmann: Italien war sehr stark in diesem Jahr. Einige Nationen konzentrieren sich auf einzelne Bootsklassen und sind darin sehr erfolgreich.

Die Zeiten, dass eine Nation einen Großteil der Bootsklassen dominiert sind längst vorbei. Trotzdem: Deutschland hat mit seinen zahlreichen Vereinen, die Möglichkeiten viele talentierte Ruderer auszubilden und bis in die Weltspitze zu bringen.

Es kann aber nicht immer nur die Medaille zählen. Ein Platz im A-Finale der WM heißt, „du gehörst zu den Top 6 der Welt“ –  und dann entscheiden mitunter Tagesform, äußere Bedingungen und auch etwas Glück über die Platzierung.

Frage: Im Fußball-Land Deutschland ist ja jede andere Sportart „ohne Ball am Fuß“ quasi eine „Randsportart“… Wie ist aus Ihrer Sicht der Stellenwert des Rudersportes in Deutschland?

Christian Loßmann: Unter Fachleuten haben wir mit unserem Abschneiden bei Olympia 2016 einen hohen Stellenwert. Leider finden die so genannten Randsportarten nur alle vier Jahre bei Olympia statt.

Der Fußball dominiert die ganze Sportwelt in Deutschland. Kein Tag in der Woche findet noch ohne Fußball statt. Sicherlich hat der Wintersport es geschafft, sehr viel Sendezeit im Fernsehen zu generieren. Ich würde mir wünschen, dass so etwas auch den Sommersportarten gelingt. Für die sommerlichen Sportarten gibt es sicher ein großes Interesse in der Bevölkerung.

Letzte Frage: Wie viele Ruderinnen und Ruderer aus M-V haben Ihrer Meinung nach eine reale Chance auf Tokyo 2020 – zum gegenwärtigen Zeitpunkt?

Christian Loßmann: Wir haben drei Ruderinnen, die im neu aufzubauenden Frauen-Achter sitzen könnten. Hannes wird bestimmt noch bis Tokyo weitermachen wollen und Julia Leiding sowie Malte Daberkow haben zudem Ambitionen, weiter zur Nationalmannschaft zu gehören.

Wenn dann noch Benjamin Leibelt und Max John ins Spiel kommen, sind wir in M-V gut aufgestellt. Die beiden Letztgenannten müssen sich aber zunächst in der U23-Altersklasse etablieren. Nicht zuletzt müssen sich alle Boote erst einmal für die olympische Regatta qualifizieren.

Vielen Dank, weiterhin bestes Engagement für den Rudersport und maximale Erfolge dabei!

Die Fragen stellte: M.Michels.

Die Ruder-WM 2017 im Rückspiegel

In den 26 Entscheidungen der Ruder-WM 2017 vom 24.September bis 1.Oktober in Sarasota – olympische, nicht-olympische und paralympische Bootsklassen – dominierten Italien mit dreimal Gold, dreimal Silber, dreimal Bronze vor Neuseeland mit dreimal Gold, zweimal Silber, zweimal Bronze, Australien mit dreimal Gold, zweimal Silber, einmal Bronze und Frankreich bzw. die Niederlande mit zweimal Gold, einmal Silber.

Gastgeber USA blieb zwar ohne WM-Gold, errang jedoch viermal Silber, zweimal Bronze. Für Schwarz-Rot-Gold gab es einmal Gold, viermal Silber.

Insgesamt schafften 29 Länder Medaillen in Sarasota, darunter 16 Nationen eine oder mehrere Goldmedaillen.

Das Gold aus deutscher Sicht erkämpfte der Herren-Achter mit Johannes Weißenfeld, Felix Wimberger, Maximilian Planer, Torben Johannesen, Jakob Schneider, Malte Jakschik, Richard Schmidt, Hannes Ocik und Martin Sauer. Die vier Bronzemedaillen für die deutsche Ruder-Flotte gingen auf das sportliche Konto von Sylvia Pille-Steppart (Para-Einer der Frauen), Jessica Dietz/Valentin Luz (Para-Mixed-Zweier), Malte Grossmann/Finn Schröder/Jonas Wiese (Zweier mit) und Patrick Stöcker/Sven Kessler/Jonathan Koch/Julius Peschel (Leichtgewichts-Vierer ohne).

Die Rostockerin Julia Leiding belegte zusammen mit Carlotta Nwajide (Hannover) im Frauen-Doppelzweier Rang vier im B-Finale (Weltmeisterinnen im Frauen-Doppelzweier 2017: Brooke Donoghue/Olivia Loe aus Neuseeland). M.M.

Archiv-Foto (Michels): Rudern auf dem Schweriner See.

 

 

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