Bhubaneswar: DHB-Herren verlieren ohne „Sieben“ unverdient mit 1:2 im Spiel um Bronze, wobei der Ersatzkeeper als StĂŒrmer ein Traumtor erzielt

Ein solches Spiel hat es im Welthockey noch nicht gegeben. Die HONAMAS, die am Samstag bereits Infekt-gebeutelt ihr Halbfinale gegen Australien verloren hatten, traten am Sonntag im Spiel um Bronze beim World-League-Finalturnier gegen Gastgeber Indien nur noch mit elf Spielern gegen 18 Inder an, da nun gleich sieben LeistungstrÀger krankheitsbedingt nicht eingesetzt werden konnten.

Der zweite Keeper Mark Appel spielte dabei als MittelstĂŒrmer 60 Minuten durch und erzielte das zwischenzeitliche 1:1 – ein absolutes Novum bei einem Weltturnier! Und die „glorreichen Elf“ hĂ€tten den Sieg gegen Indien mehr als verdient gehabt, waren ĂŒber etwa 50 Minuten das mit Abstand bessere Team, konnten nur ihre vielen Chancen nicht effektiv genug nutzen. So siegte Indien am Ende ganz schmeichelhaft mit 2:1 – den Respekt des gesamten Stadions aber hatten sich die Deutschen verdient.

Bundestrainer Stefan Kermas: „Da gibt es nicht viel zu sagen! Eine unglaubliche Performance, ein unglaublicher Wille, die mein Team heute gezeigt haben. Wir hatten genug Chancen, das Match zu gewinnen, haben aber sicher auch viel verteidigen mĂŒssen. Eine solche Grenzerfahrung, ein solches Spiel mit neun Feldspielern und zwei TorhĂŒtern bestreiten zu mĂŒssen, gibt es sicher nie wieder. Wir dĂŒrfen nicht enttĂ€uscht sein, denn die gezeigte Leistung und der bewiesene Spirit tröstet heute ĂŒber entgangenes Bronze leicht hinweg!“

TorschĂŒtze Mark Appel: „Ich war fest ĂŒberzeugt, dass wir dieses Spiel trotz der ganzen AusfĂ€lle gewinnen können. Und das haben wir vor allem in der ersten Halbzeit ja klar gezeigt. Wir sind nach dem 0:1 auch sensationell zurĂŒckgekommen ins Match. Dass ich das Tor mache, habe ich immer noch nicht verarbeitet. Ich weiß nicht, ob es dass schon mal gab, dass ein Torwart bei einem Weltturnier ein Tor gemacht hat. Aber es ĂŒberwiegt der Stolz, Teil dieses unfassbaren Teams zu sein. Das ist viel, viel mehr wert, als ‚der nur vierte Platz‘ hier. Besser hĂ€tte der Jahresabschluss fĂŒr uns auch gar nicht sein können – mit Blick auf die Entwicklung dieses Teams Richtung WM 2018! Ich freue mich aber jetzt trotzdem wieder darauf, demnĂ€chst dann auch wieder das Tor dieser Mannschaft zu hĂŒten!“

KapitĂ€n Mats Grambusch: „Was fĂŒr ein krankes Spiel und was fĂŒr eine kranke Teamperformance! Ich bin ganz, ganz stolz auf diese Mannschaft. Mit elf Mann gegen 18 Spieler und 12.000 Fans aus Indien so aufzutreten – das ist die erste Niederlage meiner Karriere, nach der ich total glĂŒcklich bin, weil das ein einmaliges Erlebnis war!“

Florian Fuchs: „Bei mir gibt es gemischte GefĂŒhle. Ich bin ein bisschen traurig, dass wir das Match verloren haben, denn da war so viel mehr drin. Wir hatten genug Chancen und Ecken, um die Partie sogar deutlich zu entscheiden. Aber es ĂŒberwiegt der Stolz auf diese Mannschaft! Das war eine außergewöhnliche Situation, die man so wohl nie wieder hat. Das Team hat so großen Willen gezeigt. Ich glaube, dass es kein anderes Team auf der Welt innerhalb von 20 Stunden zwei Mal eine solche Leistung abliefern kann. Deswegen bin ich stolz auf jeden Einzelnen und stolz, Teil dieser Mannschaft zu sein. Dass Mark Appel diesen Treffer erzielt und nun als Torwart genauso viel Turniertore hat wie ich, das setzt dem Ganzen natĂŒrlich absolut die Krone auf!“

Tobias Walter: „Was fĂŒr ein unfassbares Spiel, das wir da hingelegt haben. Nicht nur, weil wir zu Elft ohne Auswechselspieler spielen mĂŒssen. Auch nach dem gestrigen Halbfinale gegen Australien, in dem wir ja auch schon mit nur zwei Auswechselspielern eine ganz starke Partie hingelegt haben. Wir hatten genug Chancen, um das Match heute zu gewinnen. Am Ende ist es natĂŒrlich auch die Kraft, die ausgeht. Aber ich bin unglaublich stolz auf diese Jungs!“

Die deutsche Not-Elf sah sich schon recht bald indischem Pressing ausgesetzt, ließ aber nichts zu. DafĂŒr hĂ€tte es fast auf der anderen Seite geklingelt, als Mats Grambusch einen Schuss nicht voll traf und Mark Appel am langen Pfosten den Ball nicht verwerten konnte. Gleich im nĂ€chsten Konter prĂŒfte Grambusch erstmals Keeper Suraj Karkera, der gerade noch vor Appel am langen Pfosten rettete (5.). Die Deutschen blieben am Ball. Appel bereitete kurz darauf fĂŒr Florian Fuchs vor, dessen Schuss Suraj in höchster Not parierte. In der 7. Minute nahm Mandeep Singh den Videobeweis, weil er eine runde Seite eines deutschen im Kreis gesehen hatte.

Die war aber klar außerhalb, so dass es die Ecke nicht gab. Grambusch wurde im Konter an der Mittellinie gefoult, aber die Schiedsrichter ahndeten das nicht (8.). Das DHB-Team blieb sehr gefĂ€hrlich durch Konter, wĂ€hrend den Indern im Angriff nicht allzu viel einfiel. Auch wenn Indien etwas mehr Ballbesitz hatte, waren die Deutschen das gefĂ€hrlichere Team. So zog Mats Grambusch in der 14. Minute mit einem genialen Solo die erste Ecke fĂŒrs DHB-Team. Den Schlenzer von Niklas Bruns hielt Suraj und Fuchs setzte den Rebound-Volley ans Außennetz. 50 Sekunden vor der Viertelpause war Grambusch erneut durch und traf mit viel Pech von links nur das Außenbrett.

Eine unglaublich inspirierende Leistung der „glorreichen Elf“ in diesem Viertel, mit 5:0-TorschĂŒssen und einer Ecke – die FĂŒhrung wĂ€re mehr als verdient gewesen. Johannes Große rettete dann kurz nach Wiederanpfiff sensationell beim indischen Konter und weil Rupinder Singh dann im Gegenangriff einen Abstand nicht einhielt, war Indien dann zwei Minuten in Unterzahl. Fuchs nahm dann den Videobeweis, weil er einen Körper im Kreis monierte und er bekam Recht. Es gab die zweite Ecke fĂŒrs DHB-Team (19.). Daraus resultierte eine weitere wegen gefĂ€hrlicher Abwehr von Suraj und dieses Mal holte der indische Tormann den Schlenzer aus dem linken oberen Eck.

Als FĂŒrk dann stark ĂŒber die linke Grundlinie kam, hĂ€tte es nach Stockfoul eigentlich Siebenmeter geben mĂŒssen (20.). Immerhin gab es die vierte Ecke, doch die wurde wieder gut pariert. Den Konter entschĂ€rfte Tobi Walter stark. Doch dann passierte es. Walter hielt einen RĂŒckhandschuss von Arkashdeep Singh ganz stark, doch Sunil konnte den Nachschuss platziert zum 1:0 (21.) ins rechte untere Eck setzen. Völlig unverdient zu dieser Zeit! Khadangbam sah kurz darauf fĂŒr ein Foul an Niklas Bruns Gelb. Das DHB-Team daher fĂŒnf Minuten in Überzahl.

Mandeep Singh zog in dieser Phase voll durch Danny Nguyen durch, der sich an der linken Hand verletzte, aber die ZĂ€hne zusammenbiss und weiterspielte – es gab ja auch keine Option… Die Deutschen zogen ein Powerplay auf, kamen aber in der Phase zu keiner klaren Chance. DafĂŒr holte Bruns kurz darauf die fĂŒnfte Ecke fĂŒr die HONAMAS (27.), aus der die sechste folgte. Und die ging Millimeter am rechten Pfosten vorbei. Es ging mit 0:1 in die Pause, wobei die FĂŒhrung nicht schmeichelhaft fĂŒr Indien war, sondern absolut unverdient. Das DHB-Team war klarst ĂŒberlegen, hatte sich allerdings noch nicht fĂŒr das super Spiel belohnt.

Walter hielt bei der ersten Chance fĂŒr Arkashdeep Singh ganz stark mit der Hand. Zuvor hatte wieder der arme Nguyen einen SchlĂ€ger von Sunil aufs Knie bekommen und musste wieder die ZĂ€hne zusammenbeißen. Florian Fuchs wurde – nach sensationellem Handgelenkschlenzer von Grambusch – beim Schuss gerade noch abgeblockt (48.). Die Deutschen weiterhin spielerisch klar besser. Und dann passierte die absolute Sensation. Mats Grambusch passte unfassbar stark auf den linken Pfosten, wo Ersatzkeeper Mark Appel den Ball stoppte und ĂŒber seinen Keeper-Kollegen Suraj drĂŒberlupfte zum 1:1-Ausgleich (36.).

Die Deutschen hatten danach eine Unterzahl zu ĂŒberstehen, als Nguyen mit GrĂŒn auf die Strafbank musste. Das gelang. Dann zog Arkashdeep aber in der 41. Minute die erste Ecke fĂŒr Indien in dieser Partie. Die misslang und Staib wehrte ganz stark ab. Als Nguyen dann bei einem bĂ€renstarken Solo ĂŒber rechts von Sumit gefoult wurde, sah der Inder völlig zurecht Gelb. Das DHB-Team dadurch wieder fĂŒnf Minuten in Überzahl. Mit der ging es dann auch ins vierte Viertel.

Fuchs und Grambusch mischten die indische Offensive immer wieder auf. Nguyen und Zwicker machten mit ihren LĂ€ufen durchs Mittelfeld unglaubliche Meter. Das DHB-Team auch in dieser Phase nach 50 Minuten ohne Pause weiter das klar bessere Team, da die Inder spielerisch sehr enttĂ€uschten. Wenn Walter mal gefordert war, wie in der 52. Minute, als Sumit mit der RĂŒckhand zum Schuss kam, dann hielt er stark. Viel Pech dann, als Zwicker beim Befreiungsschlag Nguyen am Kreisrand traf und es die zweite Ecke fĂŒr Indien gab (53.), aus der die dritte resultierte.

Die klĂ€rte Walter aber mit dem Handschuh zur Langen Ecke. Kurz darauf aber erneut Ecke fĂŒr Indien (54.). Und die saß dann durch Harmanpreet leider links unten zum 2:1. Bitter zu diesem Zeitpunkt, denn da hatten die Inder vielleicht mal seit drei Minuten mehr vom Spiel. Die Deutschen gaben sich aber ĂŒberhaupt nicht auf. In der 56. Minute gab es die siebte Ecke fĂŒrs DHB-Team, die aber zur langen Ecke geklĂ€rt wurde. Auch danach Powerplay der Deutschen – und sinnbildlich fĂŒr dieses völlig kuriose Spiel lag nun ein Inder im eigenen Kreis mit KrĂ€mpfen am Boden. Es wĂ€re selten etwas so verdient gewesen, wie jetzt der Ausgleich fĂŒrs DHB-Team.

Die Deutschen zogen wie im Handball ein Powerplay um den Kreis auf, Indien schlenzte nur noch hoch raus. Mandeep Singh sah dann 60 Sekunden vor Ende Gelb, so dass nun die Deutschen Überzahl hatten. Doch die Zeit reichte nicht mehr. Das Spiel war verloren, aber den Eintrag in die Hockey-GeschichtsbĂŒcher hatten die HONAMAS gewonnen! Gegner und Schiedsrichter zollten der Willensleistung dieser „glorreichen Elf“ nach dem Schlusspfiff gleichermaßen Respekt!

Christoph Plass, Deutsche Hockey Agentur / Deutscher Hockey-Bund

Update: Das Finale der World League im Feldhockey der MĂ€nner 2017 gewann Australien gegen Argentinien mit 2:1 … mm

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